Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander. Страница 67
Noch nie in seinem Leben war es wahrscheinlich so darauf angekommen. Aber jetzt, in diesem Augenblick, da die kleine Nisus Segel setzte und die Bucht hinter sich lie?, sah er nichts als Schande voraus und — noch schlimmer — die Verachtung jener, denen er bisher nachgeeifert hatte.
Inch fragte:»Sind Sie soweit, Sir?»
Bolitho warf einen Blick uber die Landungsbrucke und sah Far-quhar, der mit seinem Ersten Offizier sprach, wahrend sie auf ihr Boot warteten. Sein Bruder stand etwas abseits, die Arme verschrankt, den Blick auf die weit entfernte Fregatte gerichtet, die unruhig an ihrer Ankertrosse dumpelte. Dann bemerkte Hugh, da? Bolitho ihn beobachtete, und ging ihm langsam entgegen.
Bolitho wartete, bis Inch und Gossett au?er Horweite waren, und sagte dann wutend:»Du Narr! Beinahe hattest du alles verdorben!»
«Er hat mich geargert. Wenn er wu?te, wer ich bin, wurde dieser Narr sein Schiff lieber scheitern lassen, als mir das Ruder zu ubergeben. «Er lachelte traurig.»Du wirst dich um den Jungen kummern, wenn mir etwas zusto?t, nicht wahr?»
Bolitho sah ihn einen Augenblick forschend an.»Du hast es gewu?t?»
Er horte Farquhar schreien:»Bringen Sie das Boot endlich langs-seit, verdammt noch mal!«Plotzlich drangte die Zeit, und Bolitho mu?te an sich halten, da? er nicht den Arm seines Bruders druckte.»Pa? auf dich auf!»
Dann drehte er sich um und ging zu den anderen zuruck.
Inch sagte frohlich:»Der arme alte Selby! Immer von einem Schiff auf das nachste!»
«Konzentrieren Sie sich lieber darauf, den Kommodore an Bord zu empfangen, Mr. Inch!»
Bolitho drehte ihm den Rucken zu und beobachtete das naherkommende Boot. So sah er nicht Inchs Verwirrung und Gossetts schadenfrohes Grinsen. Sein kurz aufflammender Zorn war nur ein Deckmantel fur seine Unsicherheit und fur die Tatsache, da? er sich um seinen Bruder sorgte, der vielleicht uber ihn und alle ihm bevorstehenden Gefahren lachte. So war es immer zwischen ihnen beiden gewesen. Nicht einmal die Drohung mit Gefangnis und dem Strick fur seinen Verrat hatte daran etwas geandert.
Allday stand im Boot und nahm seinen Hut ab, als die Offiziere hineinkletterten.
«Wenn Sie uns an Bord abgesetzt haben, fahren Sie bitte gleich zuruck, um den Kommodore abzuholen.»
Allday nickte.»Aye, aye, Kapt'n. «Er gab dem Bugmann ein Zeichen.»Absetzen! — Riemen bei!«Er studierte Bolithos Hinterkopf, als konne er dort dessen Stimmung ablesen.»Rudert an! — Zugleich!»
Bolitho sa? steif im Heck und blickte starr auf die dunkle Silhouette der oberen Rahen seiner Hyperion. Er hatte die Blicke bemerkt, die sich die Ruderer bei seinen Anweisungen zugeworfen hatten — wie Vertrauenspersonen, denen eine ungeheure Information zuteil wurde. Wie sahen diese Manner eigentlich ihre Vorgesetzten? fragte er sich. Was ging hinter den verschlossenen Gesichtern beim Vollzug einer Prugelstrafe vor, oder wenn ein Mann zu ihm in seine bequeme Kajute kam, in diese Welt, die so fern und unberuhrt war von der Uberfullung in den unteren Decks? Und in der Schlacht, gab es da ein Gefuhl menschlichen Verbundenseins und Mitempfindens zu ihm, den sie nur als schemenhafte Gestalt auf dem Achterdeck sahen?
Er rief sich in Erinnerung, wie diese gleichen Leute reagiert hatten, als Pelham-Martin seine Flagge auf der Hyperion niederholen lie?. Da waren sie emport und gekrankt gewesen, als ob sie selber oder ihr Schiff dadurch mi?achtet wurden. Jetzt wu?ten sie, da? die Flagge zuruckkam, und freuten sich. Was mochten sie uber den Mann unter dieser Kommandoflagge denken? Einen Mann, der so in seinen inneren Zweifeln und personlichen Sorgen befangen war, da? er beim nachsten Ruckschlag vielleicht zusammenbrach.
Bolitho blickte auf und sah die steile Bordwand uber sich, die scharlachroten Rocke der Seesoldaten an der Einla?pforte, die im Sonnenlicht blitzenden Bootsmannsmaatenpfeifen.
Als Allday ans Fallreep heransteuerte, erinnerte er sich plotzlich an das, was Hugh gesagt hatte: >Sie werden dir uberall hin folgen.< Aber Manner, die folgen, mussen richtig gefuhrt werden. Es hatte keinen Zweck, Mitleid mit Pelham-Martin zu haben, weil die Aufgabe uber seine Krafte ging. Diese Manner brauchten Fuhrung. Er runzelte die Stirn. Nein, sie hatten einen Anspruch darauf.
Er kletterte das Fallreep hoch und dachte immer noch an PelhamMartin, selbst als er die Ehrenbezeigungen erwiderte und sich seinen Weg nach achtern zur Hutte bahnte.
«Kapt'n, Sir!»
Bolitho offnete die Augen und starrte noch benommen auf die Karte, die unter seinem Arm lag. Die Hangelampe schaukelte in dem geschlossenen Kartenraum und warf geisterhafte Schatten hierhin und dorthin. Bolitho spurte sofort, da? die Bewegungen des Schiffes zugenommen hatten.
Allday stand neben dem Tisch und druckte eine riesige Kaffeekanne an sich.
«Wieviel Uhr haben wir?»
«Sieben Glas, Kapt'n. «Allday nahm einen Becher vom Bord und go?, vorsichtig die Schiffsbewegungen ausbalancierend, schwarzen Kaffee ein.
Drei Uhr fruh. Bolitho lehnte sich im Stuhl zuruck und rieb sich die Augen. Er war fast ununterbrochen an Deck gewesen, seit die Schiffe die Bucht von St. Kruis verlassen und den Kampf mit einem standig zunehmenden Wind aufgenommen hatten. Dann hatte er fur zwei Stunden versucht, etwas zu ruhen, um seine uberanstrengten Nerven bis zum ersten Tageslicht wieder etwas zu beruhigen. Er achzte. Die Mittelwache dauerte noch eine knappe Stunde.
Allday trat etwas zuruck und sah zu, wie er trank.»Meldung von Mr. Inch: Der Wind frischt auf.»
«Weiterhin von Nordosten?»
«Aye. «Er go? mehr Kaffee in den Becher.
«Schon, dafur sollten wir dankbar sein. «Wenn der Wind jetzt raumte, [4] konnten sie weiter von den noch verborgenen Inseln abhalten. Ohne freien Spielraum mochten sie sonst vom Feind uberrascht werden. Und wenn der Wind schralte [5] oder gar ganz herumsprang, wurden sie beim ersten Tageslicht gesichtet werden; dann konnte Lequiller ausrei?en oder die Schlacht nach seinen eigenen Bedingungen und mit Ubermacht annehmen.
Er setzte den Becher heftig auf den Tisch. Falls… wenn… Er fing schon an, wie der Kommodore zu denken.
Allday half ihm in seinen Mantel.»Soll ich den Kommodore wecken, Kapt'n?»
«Nein. «Er verlie? den Kartenraum und stolperte fast uber den Kajutsteward, der zusammengekauert auf dem Gang hockte und schlief.
Er sagte:»Lassen Sie ihm den restlichen Kaffee. «Er warf einen Blick auf die geschlossene Tur der Kajute, vor der der Ehrenposten im schwachen Laternenlicht wie ein Spielzeugsoldat hin und herschwankte.»Er kann ihn nachher dem Kommodore anbieten. «Er schlaft sicher nicht, dachte er. Wahrscheinlich liegt er nur da, starrt auf die Decksbalken uber sich und lauscht aufjeden Ton im Schiff.
Das Achterdeck lag in volliger Dunkelheit. Die Gerausche von Wind und Wellen sagten ihm augenblicklich, da? die Krafte dahinter zunahmen.
Inch tastete sich zu ihm.»Wir mussen wieder Segel kurzen, Sir.»
Bolitho ging das schragliegende Deck hoch und hielt eine Hand uber das Kompa?gehause. Kurs Sud zu West. Er erinnerte sich ihrer verzweifelten Bemuhungen, seit sie St. Kruis verlassen hatten. Immer im Kampf mit dem Wind, der sich im Kreise drehte, und die meiste Zeit mit beiden Wachen an Deck. Nun segelten sie also wieder nach Suden, und die Inseln lagen irgendwo an Steuerbord voraus. Da sie den Wind jetzt von achtern hatten, wurden sie gegenuber einem Gegner, der aus seinem Versteck herauskam, den Vorteil der Luvposition haben. Es mu?te aber alles verderben, wenn sie uber ihre vorgesehene Position hinaussegelten.
«Schon, Mr. Inch, lassen Sie ein weiteres Reef einstecken. «Er fragte sich, ob die Spartan jetzt wohl schon vor der trugerischen Durchfahrt stand. Ob sein Bruder sich nach so langer Zeit noch erinnern konnte. Doch er besann sich, als Inch meldete:»Die Hermes ist noch auf ihrem Platz, Sir. Wir haben sie bei sechs Glasen noch dichtauf hinter uns gesehen. «Er mu?te schreien, um sich bei dem Wind verstandlich zu machen. Sein mit Wasserspritzern bedecktes Gesicht glitzerte im schwachen Kompa?licht.
4
nach achtern drehte
5
mehr von vorn kam