Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik - Kent Alexander. Страница 47
Es sollte lustig klingen, aber es trug nur dazu bei, die Spannung zu erhohen, die sogar das Atmen schwer machte.
D'Esterre antwortete:»Die Jolle von der Spite wartet dort. Nur fur dich, Dick.»
Bolitho entgegnete:»Geh' jetzt. Ich komme schon klar. «Er sah die letzte Gruppe Marineinfanteristen uber den Hof laufen, einer von ihnen schleuderte eine brennende Fackel in den Papierstapel vor den Stallen.
D'Esterre beobachtete, wie Bolitho zum Magazin ging, dann wandte er sich um und folgte rasch seinen Leuten durch das Tor.
Eine Kugel heulte dicht uber den Turm, aber d'Esterre blickte nicht einmal auf. Sie schien fur ihn keine Drohung zu enthalten. Gefahr und Tod waren allein hier unten, eine scheu?liche Erinnerung.
Er sah die Silhouette der Fregatte kurzer werden, als sie sich jetzt der offenen See zuwandte, ihre Fock fullte sich bereits, wahrend eins ihrer Boote noch mit au?erster Kraft versuchte, langsseits zu pullen. Fur die anderen Boote wurde es ein langer und harter Weg sein, ihr Schiff zu erreichen. Aber der Kommandant kannte die todliche Gefahr gut placierter Artillerie an Land. Eine Fregatte zu verlieren, war schlimm genug, aber noch schlimmer ware es, wenn sie gekapert und von der Rebellenflotte vereinnahmt wurde.
Bolitho verga? d'Esterre und alles andere, als er Stockdale mit einer brennenden Lunte bei den Zundschnuren sah. Neben ihm standen ein Korporal der Marineinfanterie und ein Seemann, in dem er trotz Schmutz und Bartstoppeln Rabett, den Dieb aus Liverpool, erkannte.
«Legt Feuer!«rief er und zuckte gleich darauf zusammen, als eine schwere Kugel durch die zersplitternde Brustwehr krachte und in den bereits lichterloh brennenden Stallen einschlug.
«Marsch zu den Toren, Korporal, und rufen Sie Ihre Wachtposten zuruck, so schnell Sie konnen.»
Die Zundschnure erwachten zischend zum Leben, im Dammerlicht der Kasematte wirkten sie wie wutende Schlangen.
Die Zundfunken schienen mit unheimlicher Geschwindigkeit vorwartszueilen, wenigstens kam es Bolitho so vor; er beruhrte Stockdale an der Schulter.
«Zeit fur uns, komm.»
Eine Kugel schlug beim Fort ein und schleuderte eins der Schwenkgeschutze wie ein Stuck Holz in die Luft.
Zwei weitere, scharfe Detonationen kamen vom Damm her: die beiden Geschutze waren gesprengt worden.
Gewehrfeuer war jetzt zu horen, noch weit entfernt und ohne Wirkung. Aber der Feind wurde bald sturmen.
Sie rannten hinaus in das grelle Sonnenlicht, vorbei an brennenden Stallen und Vorratsraumen.
Ein lauter Knall und splitterndes Holz, das einmal die Brustwehr gewesen, bewiesen, da? Browns Leute wie die Teufel gearbeitet haben mu?ten, um ihre Geschutze auf dem Hang in Stellung zu bringen.
Der Korporal schrie plotzlich:»Sergeant Shears kommt im Galopp, Sir! Und die ganze verdammte Rebellenarmee ist ihm auf den Fersen!»
Bolitho sah die rennenden Marineinfanteristen, einer sturzte vornuber und blieb liegen. Feindliche Soldaten wateten und kampften sich bereits uber den unter Wasser stehenden Damm, sie feuerten im Laufen.
Bolitho schatzte die Entfernung: es war zu weit fur den Feind, er konnte sie nicht mehr einholen.
Herum um die Festungsmauer, hinunter uber den abschussigen Strand, wo die Jolle wartete. Er sah, da? die Crew schon die Riemen im Wasser hatte und wie hypnotisiert auf das Land starrte.
Sergeant Shears keuchte den Strand hinunter, seine Manner dicht hinter sich.
«Ins Boot!«Bolitho blickte zum Turm auf, die britische Flagge wehte noch.
Dann merkte er, da? er der letzte auf dem Strand war, da? Stock-dale ihn am Arm uber das Dollbord zog und ein nervoser Leutnant kommandierte:»Ruder an!»
Wenige Minuten spater, als die Jolle schon uber die ersten tragen Brecher glitt, erschienen ein paar Soldaten unterhalb des Forts.
Ihre rasch abgefeuerten Schusse gingen fehl, nur einer schlug dicht neben dem Boot ein und spritzte Wasser uber die keuchenden Rotrocke.
Shears murmelte:»An ihrer Stelle wurde ich dort schnellstens abhauen.»
Sie waren halbwegs zwischen Strand und Schiff, als die Detonation den hellen Tag zerfetzte. Es war nicht so sehr der ohrenbetaubende Krach als vielmehr der Anblick des in die Luft geschleuderten Forts, das dann Bruchstucke auf die Insel herabregnete, der in Bolithos Gedachtnis haften blieb, noch lange, nachdem das letzte Stuck zu Boden gefallen war. Als der Rauchpilz sich langsam hob, sah er, da? nichts mehr den Standort des Forts bezeichnete, nur ein ungeheurer, schwarzer Trichter.
Alle Gefangenen waren schlie?lich doch abtransportiert worden, und Bolitho uberlegte, was sie jetzt wohl empfinden mochten, und auch der junge Huyghue. Dachte er an den Teil, den er selbst zum Gelingen des Unternehmens beigetragen hatte? Oder nur an sein eigenes schweres Los?
Als er den Blick endlich abwandte, sah er uber sich die schwankenden Masten uid Rahen der Spite. Hilfreiche Hande warteten bereits darauf, sie an Bord zu holen.
Er sah Stockdale an, und ihre Blicke trafen sich in wortloser Erleichterung. Dann horte er die gereizte Stimme des jungen Kommandanten Cunningham von oben herab rufen:»Lebhaft da unten, bewegt euch, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!»
Bolitho lachelte mude. Sie waren zu Hause.
Kapitan Gilbert Brice Pears sa? an seinem Schreibtisch, die starken Finger ineinander verschlungen, wahrend sein Sekretar funf wunderschon geschriebene Ausfertigungen des Berichtes uber das Unternehmen Fort Exeter zur Unterschrift vor ihm ausbreitete.
Der Rumpf der Trojan knarrte und klapperte in der achterlichen See, Pears jedoch nahm es kaum wahr. Er hatte den Originalbericht sehr sorgfaltig durchgelesen, nichts ubergangen, und hatte sich von d'Esterre weitere Einzelheiten sowie den genauen Hergang des Angriffs und Ruckzugs schildern lassen.
Neben ihm stand Cairns, dessen schlanke Gestalt einen Winkel zum Deck bildete, entsprechend der jeweiligen Schraglage des Schiffes. Er wartete geduldig auf eine Bemerkung des Kommandanten.
Pears hatte sich sehr aufgeregt uber die Verspatung, mit der sie den Treffpunkt nach ihrem Scheinangriff auf Charlestown erreicht hatten. Das plotzliche Umspringen des Windes, das vollige Fehlen irgendwelcher Nachrichten und das allgemeine Mi?trauen, das er Coutts Plan entgegenbrachte, hatten ihn das Schlimmste befurchten lassen. Coutts selbst mu?te wohl etwas von Pears Unruhe gespurt haben, weil er zusatzlich die Fregatte Vanquisher zur Unterstutzung der kleineren Spite entsandt hatte, um beim Aufnehmen des Landetrupps zu helfen. Pears hatte dann spater ihre Ruckkehr auf die Trojan beobachtet, die abgezehrten, trotzig wirkenden Marineinfanteristen — oder vielmehr den klaglichen Rest dieser stolzen Truppe — , die schmutz- und blutverkrusteten Seeleute, dann d'Esterre, Bolitho und schlie?lich den jungen Couzens, der seinen Fahnrichskameraden halb lachend, halb weinend zuwinkte.
Fort Exeter bestand nicht mehr, und Pears hoffte nur, da? sich der Einsatz gelohnt hatte. Im Geheimen bezweifelte er es.
Grimmig nickte er seinem Sekretar zu.»Gut, Teakle, ich unterschreibe das verdammte Zeug. «Dann blickte er Cairns an:»Mu? eine blutige Angelegenheit gewesen sein. Unsere Leute scheinen sich aber wacker geschlagen zu haben.»
Durch die tropfenden Fenster betrachtete er das verschwommene Bild des Flaggschiffs, das auf gleichem Kurs lag, die Segel windgefullt.
«Und jetzt dies hier, verdammter Mist!»
Cairns folgte seinem Blick. Er wu?te wohl besser als jeder andere, was sein Kommandant empfand.
Es hatte ganze sechs Tage gedauert, bis die massigen Linienschiffe sich wieder mit Spite und Vanquisher vereinigt hatten; dann vergingen zwei weitere Tage, in denen Admiral Coutts die Offiziere seines kleinen Geschwaders zu Besprechungen zusammenholte, den entwaffnend zuversichtlichen Franzosen verhorte und schlie?lich die Informationen verarbeitete, die Paget aus dem Fort gebracht hatte.