Die pilgernde T?rin - фон Гёте Иоганн Вольфганг. Страница 2

Doch immer zeitig nachzugehn:

Er la?t furwahr nicht in der Muhle

Die Blumen sechzehn Jahre stehn.‹ -

Da raubten sie das Kleiderbundel

Und wollten auch den Mantel noch.

Wie nur so viel verflucht Gesindel

Im engen Hause sich verkroch!

Da sprang ich auf und tobt' und fluchte,

Gewi?, durch alle durchzugehn.

Ich sah noch einmal die Verruchte,

Und ach! sie war noch immer schon.

Sie alle wichen meinem Grimme,

Doch flog noch manches wilde Wort;

So macht' ich mich mit Donnerstimme

Noch endlich aus der Hohle fort.

Man soll euch Madchen auf dem Lande

Wie Madchen aus den Stadten fliehn!

So lasset doch den Fraun von Stande

Die Lust, die Diener auszuziehn!

Doch seid ihr auch von den Geubten

Und kennt ihr keine zarte Pflicht,

So andert immer die Geliebten,

Doch sie verraten mu?t ihr nicht.»

So singt er in der Winterstunde,

Wo nicht ein armes Halmchen grunt.

Ich lache seiner tiefen Wunde,

Denn wirklich ist sie wohlverdient;

So geh' es jedem, der am Tage

Sein edles Liebchen frech belugt

Und nachts, mit allzu kuhner Wage,

Zu Amors falscher Muhle kriecht.

Wohl war es bedenklich, da? sie sich auf eine solche Weise vergessen konnte, und dieser Ausfall mochte fur ein Anzeichen eines Kopfes gelten, der sich nicht immer gleich war.»Aber«, sagte mir Herr von Revanne,»auch wir verga?en alle Betrachtungen, die wir hatten machen konnen, ich wei? nicht, wie es zuging. Uns mu?te die unaussprechliche Anmut, womit sie diese Possen vorbrachte, bestochen haben. Sie spielte neckisch, aber mit Einsicht. Ihre Finger gehorchten ihr vollkommen, und ihre Stimme war wirklich bezaubernd. Da sie geendigt hatte, erschien sie so gesetzt wie vorher, und wir glaubten, sie habe nur den Augenblick der Verdauung erheitern wollen.

Bald darauf bat sie um die Erlaubnis, ihren Weg wieder anzutreten; aber auf meinen Wink sagte meine Schwester: wenn sie nicht zu eilen hatte und die Bewirtung ihr nicht mi?fiele, so wurde es uns ein Fest sein, sie mehrere Tage bei uns zu sehen. Ich dachte ihr eine Beschaftigung anzubieten, da sie sich's einmal gefallen lie? zu bleiben. Doch diesen ersten Tag und den folgenden fuhrten wir sie nur umher. Sie verleugnete sich nicht einen Augenblick: sie war die Vernunft, mit aller Anmut begabt. Ihr Geist war fein und treffend, ihr Gedachtnis so wohl ausgeziert und ihr Gemut so schon, da? sie gar oft unsere Bewunderung erregte und alle unsere Aufmerksamkeit festhielt. Dabei kannte sie die Gesetze eines guten Betragens und ubte sie gegen einen jeden von uns, nicht weniger gegen einige Freunde, die uns besuchten, so vollkommen aus, da? wir nicht mehr wu?ten, wie wir jene Sonderbarkeiten mit einer solchen Erziehung vereinigen sollten.

Ich wagte wirklich nicht mehr, ihr Dienstvorschlage fur mein Haus zu tun. Meine Schwester, der sie angenehm war, hielt es gleichfalls fur Pflicht, das Zartgefuhl der Unbekannten zu schonen. Zusammen besorgten sie die hauslichen Dinge, und hier lie? sich das gute Kind ofters bis zur Handarbeit herunter und wu?te sich gleich darauf in alles zu schicken, was hohere Anordnung und Berechnung erheischte.

In kurzer Zeit stellte sie eine Ordnung her, die wir bis jetzt im Schlosse gar nicht vermi?t hatten. Sie war eine sehr verstandige Haushalterin; und da sie damit angefangen hatte, bei uns mit an Tafel zu sitzen, so zog sie sich nunmehr nicht etwa aus falscher Bescheidenheit zuruck, sondern speiste mit uns ohne Bedenken fort; aber sie ruhrte keine Karte, kein Instrument an, als bis sie die ubernommenen Geschafte zu Ende gebracht hatte.

Nun mu? ich freilich gestehen, da? mich das Schicksal dieses Madchens innigst zu ruhren anfing. Ich bedauerte die Eltern, die wahrscheinlich eine solche Tochter sehr vermi?ten; ich seufzte, da? so sanfte Tugenden, so viele Eigenschaften verlorengehen sollten. Schon lebte sie mehrere Monate mit uns, und ich hoffte, das Vertrauen, das wir ihr einzuflo?en suchten, wurde zuletzt das Geheimnis auf ihre Lippen bringen. War es ein Ungluck, wir konnten helfen; war es ein Fehler, so lie? sich hoffen, unsere Vermittlung, unser Zeugnis wurden ihr Vergebung eines vorubergehenden Irrtums verschaffen konnen; aber alle unsere Freundschaftsversicherungen, unsre Bitten selbst waren unwirksam. Bemerkte sie die Absicht, einige Aufklarung von ihr zu gewinnen, so versteckte sie sich hinter allgemeine Sittenspruche, um sich zu rechtfertigen, ohne uns zu belehren. Zum Beispiel, wenn wir von ihrem Unglucke sprachen: ›Das Ungluck‹, sagte sie, ›fallt uber Gute und Bose. Es ist eine wirksame Arzenei, welche die guten Safte zugleich mit den ublen angreift.‹

Suchten wir die Ursache ihrer Flucht aus dem vaterlichen Hause zu entdecken: ›Wenn das Reh flieht‹, sagte sie lachelnd, ›so ist es darum nicht schuldig.‹ Fragten wir, ob sie Verfolgungen erlitten: ›Das ist das Schicksal mancher Madchen von guter Geburt, Verfolgungen zu erfahren und auszuhalten. Wer uber eine Beleidigung weint, dem werden mehrere begegnen.‹ Aber wie hatte sie sich entschlie?en konnen, ihr Leben der Roheit der Menge auszusetzen, oder es wenigstens manchmal ihrem Erbarmen zu verdanken? Daruber lachte sie wieder und sagte: ›Dem Armen, der den Reichen bei Tafel begru?t, fehlt es nicht an Verstand.‹ Einmal, als die Unterhaltung sich zum Scherze neigte, sprachen wir ihr von Liebhabern und fragten sie: ob sie den frostigen Helden ihrer Romanze nicht kenne? Ich wei? noch recht gut, dieses Wort schien sie zu durchbohren. Sie offnete gegen mich ein Paar Augen, so ernst und streng, da? die meinigen einen solchen Blick nicht aushalten konnten; und sooft man auch nachher von Liebe sprach, so konnte man erwarten, die Anmut ihres Wesens und die Lebhaftigkeit ihres Geistes getrubt zu sehen. Gleich fiel sie in ein Nachdenken, das wir fur Grubeln hielten und das doch wohl nur Schmerz war. Doch blieb sie im ganzen munter, nur ohne gro?e Lebhaftigkeit, edel, ohne sich ein Ansehn zu geben, gerade ohne Offenherzigkeit, zuruckgezogen ohne Angstlichkeit, eher duldsam als sanftmutig, und mehr erkenntlich als herzlich bei Liebkosungen und Hoflichkeiten. Gewi? war es ein Frauenzimmer, gebildet, einem gro?en Hause vorzustehn; und doch schien sie nicht alter als einundzwanzig Jahre.

So zeigte sich diese junge, unerklarliche Person, die mich ganz eingenommen hatte, binnen zwei Jahren, die es ihr gefiel bei uns zu verweilen, bis sie mit einer Torheit schlo?, die viel seltsamer ist, als ihre Eigenschaften ehrwurdig und glanzend waren. Mein Sohn, junger als ich, wird sich trosten konnen; was mich betrifft, so furchte ich, schwach genug zu sein, sie immer zu vermissen.»

Nun will ich die Torheit eines verstandigen Frauenzimmers erzahlen, um zu zeigen, da? Torheit oft nichts weiter sei als Vernunft unter einem andern Au?ern. Es ist wahr, man wird einen seltsamen Widerspruch finden zwischen dem edlen Charakter der Pilgerin und der komischen List, deren sie sich bediente; aber man kennt ja schon zwei ihrer Ungleichheiten, die Pilgerschaft selbst und das Lied.

Es ist wohl deutlich, da? Herr von Revanne in die Unbekannte verliebt war. Nun mochte er sich freilich auf sein funfzigjahriges Gesicht nicht verlassen, ob er so schon frisch und wacker aussah als ein Drei?iger; vielleicht aber hoffte er, durch seine reine, kindliche Gesundheit zu gefallen, durch die Gute, Heiterkeit, Sanftheit, Gro?mut seines Charakters; vielleicht auch durch sein Vermogen, ob er gleich zart genug gesinnt war, um zu fuhlen, da? man das nicht erkauft, was keinen Preis hat.

Aber der Sohn von der andern Seite, liebenswurdig, zartlich, feurig, ohne sich mehr als sein Vater zu bedenken, sturzte sich uber Hals und Kopf in das Abenteuer. Erst suchte er vorsichtig die Unbekannte zu gewinnen, die ihm durch seines Vaters und seiner Tante Lob und Freundschaft erst recht wert geworden. Er bemuhte sich aufrichtig um ein liebenswurdiges Weib, die seiner Leidenschaft weit uber den gegenwartigen Zustand erhoht schien. Ihre Strenge mehr als ihr Verdienst und ihre Schonheit entflammte ihn; er wagte zu reden, zu unternehmen, zu versprechen.

Der Vater, ohne es selbst zu wollen, gab seiner Bewerbung immer ein etwas vaterliches Ansehn. Er kannte sich, und als er seinen Rival erkannt hatte, hoffte er nicht, uber ihn zu siegen, wenn er nicht zu Mitteln greifen wollte, die einem Manne von Grundsatzen nicht geziemen. Dessenungeachtet verfolgte er seinen Weg, ob ihm gleich nicht unbekannt war, da? Gute, ja Vermogen selbst, nur Reizungen sind, denen sich ein Frauenzimmer mit Vorbedacht hingibt, die jedoch unwirksam bleiben, sobald Liebe sich mit den Reizen und in Begleitung der Jugend zeigt. Auch machte Herr von Revanne noch andere Fehler, die er spater bereute. Bei einer hochachtungsvollen Freundschaft sprach er von einer dauerhaften, geheimen, gesetzma?igen Verbindung. Er beklagte sich auch wohl und sprach das Wort Undankbarkeit aus. Gewi? kannte er die nicht, die er liebte, als er eines Tages zu ihr sagte, da? viele Wohltater Ubles fur Gutes zuruckerhielten. Ihm antwortete die Unbekannte mit Geradheit:»Viele Wohltater mochten ihren Begunstigten samtliche Rechte gern abhandeln fur eine Linse.»

Die schone Fremde, in die Bewerbung zweier Gegner verwickelt, durch unbekannte Beweggrunde geleitet, scheint keine andere Absicht gehabt zu haben, als sich und andern alberne Streiche zu ersparen, indem sie in diesen bedenklichen Umstanden einen wunderlichen Ausweg ergriff. Der Sohn drangte mit der Kuhnheit seines Alters und drohte, wie gebrauchlich, sein Leben der Unerbittlichen aufzuopfern. Der Vater, etwas weniger unvernunftig, war doch ebenso dringend; aufrichtig beide. Dieses liebenswurdige Wesen hatte sich hier wohl eines verdienten Zustandes versichern konnen: denn beide Herren von Revanne beteuren, ihre Absicht sei gewesen, sie zu heiraten.

Aber an dem Beispiele dieses Madchens mogen die Frauen lernen, da? ein redliches Gemut, hatte sich auch der Geist durch Eitelkeit oder wirklichen Wahnsinn verirrt, die Herzenswunden nicht unterhalt, die es nicht heilen will. Die Pilgerin fuhlte, da? sie auf einem au?ersten Punkte stehe, wo es ihr wohl nicht leicht sein wurde, sich lange zu verteidigen. Sie war in der Gewalt zweier Liebenden, welche jede Zudringlichkeit durch die Reinheit ihrer Absichten entschuldigen konnten, indem sie im Sinne hatten, ihre Verwegenheit durch ein feierliches Bundnis zu rechtfertigen. So war es, und so begriff sie es.

Sie konnte sich hinter Fraulein von Revanne verschanzen; sie unterlie? es, ohne Zweifel aus Schonung, aus Achtung fur ihre Wohltater. Sie kommt nicht aus der Fassung, sie erdenkt ein Mittel, jedermann seine Tugend zu erhalten, indem sie die ihrige bezweifeln la?t. Sie ist wahnsinnig vor Treue, die ihr Liebhaber gewi? nicht verdient, wenn er nicht alle die Aufopferungen fuhlt, und sollten sie ihm auch unbekannt bleiben.