Reineke Fuchs - Goethe Johann Wolfgang. Страница 9

Grimmigen Feinde, die drei, in Schaden und Schande gerieten!

La?t uns alles bedenken, und helfe, was helfen kann! denn hier

Gilt es den Hals, die Not ist dringend, wie soll ich entkommen?

Alles Ubel hauft sich auf mich. Es zurnet der Konig,

Meine Freunde sind fort und meine Feinde gewaltig;

Selten hab ich was Gutes getan, die Starke des Konigs,

Seiner Rate Verstand wahrhaftig wenig geachtet;

Vieles hab ich verschuldet und hoffte dennoch, mein Ungluck

Wieder zu wenden. Gelange mirs nur, zum Worte zu kommen,

Wahrlich, sie hingen mich nicht; ich lasse die Hoffnung nicht fahren.

Und er wandte darauf sich von der Leiter zum Volke,

Rief: Ich sehe den Tod vor meinen Augen und werd ihm

Nicht entgehen. Nur bitt ich euch alle, so viele mich horen,

Um ein weniges nur, bevor ich die Erde verlasse.

Gerne mocht ich vor euch in aller Wahrheit die Beichte

Noch zum letztenmal offentlich sprechen und redlich bekennen

Alles Ubel, das ich getan, damit nicht ein andrer

Etwa dieses oder jenes von mir im stillen begangnen,

Unbekannten Verbrechens dereinst bezichtiget werde;

So verhut ich zuletzt noch manches Ubel, und hoffen

Kann ich, es werde mirs Gott in allen Gnaden gedenken.

Viele jammerte das. Sie sprachen untereinander:

Klein ist die Bitte, gering nur die Frist! Sie baten den Konig,

Und der Konig vergonnt' es. Da wurd es Reineken wieder

Etwas leichter ums Herz, er hoffte glucklichen Ausgang;

Gleich benutzt' er den Raum, der ihm gegonnt war, und sagte:

Spiritus Domini helfe mir nun! Ich sehe nicht Einen

Unter der gro?en Versammlung, den ich nicht irgend beschadigt.

Erst, ich war noch ein kleiner Kompan und hatte die Bruste

Kaum zu saugen verlernt, da folgt ich meinen Begierden

Unter die jungen Lammer und Ziegen, die neben der Herde

Sich im Freien zerstreuten; ich horte die blokenden Stimmen

Gar zu gerne, da lustete mich nach leckerer Speise.

Lernte hurtig sie kennen. Ein Lammchen bi? ich zu Tode,

Leckte das Blut, es schmeckte mir kostlich! und totete weiter

Vier der jungsten Ziegen und a? sie, und ubte mich ferner;

Sparte keine Vogel, noch Huhner, noch Enten, noch Ganse,

Wo ich sie fand, und habe gar manches im Sande vergraben,

Was ich geschlachtet und was mir nicht alles zu essen beliebte.

Dann begegnet' es mir: in einem Winter am Rheine

Lernt ich Isegrim kennen, er lauerte hinter den Baumen.

Gleich versichert' er mir, ich sei aus seinem Geschlechte,

Ja, er wu?te mir gar die Grade der Sippschaft am Finger

Vorzurechnen. Ich lie? mirs gefallen; wir schlossen ein Bundnis

Und gelobten einander, als treue Gesellen zu wandern,

Leider sollt ich dadurch mir manches Ubel bereiten.

Wir durchstrichen zusammen das Land. Da stahl er das Gro?e,

Stahl ich das Kleine. Was wir gewonnen, das sollte gemein sein;

Aber es war nicht gemein, wie billig: er teilte nach Willkur;

Niemals empfing ich die Halfte. Ja, Schlimmeres hab ich erfahren.

Wenn er ein Kalb sich geraubt, sich einen Widder erbeutet,

Wenn ich im Uberflu? sitzen ihn fand, er eben die Ziege,

Frisch geschlachtet, verzehrte, ein Bock ihm unter den Klauen

Lag und zappelte, grinst' er mich an und stellte sich gramlich,

Trieb mich knurrend hinweg: so war mein Teil ihm geblieben.

Immer ging es mir so, es mochte der Braten so gro? sein,

Als er wollte. Ja, wenn es geschah, da? wir in Gesellschaft

Einen Ochsen gefangen, wir eine Kuh uns gewonnen,

Gleich erschienen sein Weib und sieben Kinder und warfen

Uber die Beute sich her und drangten mich hinter die Mahlzeit.

Keine Rippe konnt ich erlangen, sie ware denn ganzlich

Glatt und trocken genagt; das sollte mir alles gefallen!

Aber, Gott sei gedankt, ich litt deswegen nicht Hunger;

Heimlich nahrt ich mich wohl von meinem herrlichen Schatze,

Von dem Silber und Golde, das ich an sicherer Statte

Heimlich verwahre; des hab ich genug. Es schafft mir wahrhaftig

Ihn kein Wagen hinweg, und wenn er siebenmal fuhre.

Und es horchte der Konig, da von dem Schatze gesagt ward,

Neigte sich vor und sprach: Von wannen ist er Euch kommen?

Saget an! ich meine den Schatz. Und Reineke sagte:

Dieses Geheimnis verhehl ich Euch nicht, was konnt es mir helfen?

Denn ich nehme nichts mit von diesen kostlichen Dingen.

Aber wie Ihr befehlt, will ich Euch alles erzahlen,

Denn es mu? nun einmal heraus; um Liebes und Leides

Mocht ich wahrhaftig das gro?e Geheimnis nicht langer verhehlen:

Denn der Schatz war gestohlen. Es hatten sich viele verschworen,

Euch, Herr Konig, zu morden, und wurde zur selbigen Stunde

Nicht der Schatz mit Klugheit entwendet, so war es geschehen.

Merket es, gnadiger Herr! denn Euer Leben und Wohlfahrt

Hing an dem Schatz. Und da? man ihn stahl, das brachte denn leider

Meinen eigenen Vater in gro?e Noten, es bracht ihn

Fruhe zur traurigen Fahrt, vielleicht zu ewigem Schaden;

Aber, gnadiger Herr, zu Eurem Nutzen geschah es!

Und die Konigin horte besturzt die gra?liche Rede,

Das verworrne Geheimnis von ihres Gemahles Ermordung,

Von dem Verrat, vom Schatz, und was er alles gesprochen.

Ich vermahn Euch, Reineke, rief sie: bedenket! Die lange

Heimfahrt steht Euch bevor, entladet reuig die Seele;

Saget die lautere Wahrheit und redet mir deutlich vom Morde.

Und der Konig setzte hinzu: ein jeglicher schweige!

Reineke komme nun wieder herab und trete mir naher;

Denn es betrifft die Sache mich selbst, damit ich sie hore.

Reineke, der es vernahm, stand wieder getrostet, die Leiter

Stieg er zum gro?en Verdru? der Feindlichgesinnten herunter;

Und er nahte sich gleich dem Konig und seiner Gemahlin,

Die ihn eifrig befragten, wie diese Geschichte begegnet.

Da bereitet' er sich zu neuen gewaltigen Lugen.

Konnt ich des Koniges Huld und seiner Gemahlin, so dacht er,

Wiedergewinnen, und konnte zugleich die List mir gelingen,

Da? ich die Feinde, die mich dem Tod entgegengefuhret,

Selbst verdurbe, das rettete mich aus allen Gefahren.

Sicher ware mir das ein unerwarteter Vorteil;

Aber ich sehe schon, Lugen bedarf es und uber die Ma?en.

Ungeduldig befragte die Konigin Reineken weiter:

Lasset uns deutlich vernehmen, wie diese Sache beschaffen!

Saget die Wahrheit, bedenkt das Gewissen, entladet die Seele!

Reineke sagte darauf. Ich will Euch gerne berichten.

Sterben mu? ich nun wohl; es ist kein Mittel dagegen.

Sollt ich meine Seele beladen am Ende des Lebens,

Ewige Strafe verwirken, es ware toricht gehandelt.

Besser ist es, da? ich bekenne; und mu? ich dann leider

Meine lieben Verwandten und meine Freunde verklagen,

Ach, was kann ich dafur! es drohen die Qualen der Holle.

Und es war dem Konige schon bei diesen Gesprachen

Schwer geworden ums Herz. Er sagte: Sprichst du die Wahrheit?

Da versetzte Reineke drauf mit verstellter Gebarde:

Freilich bin ich ein sundiger Mensch; doch red ich die Wahrheit.

Konnt es mir nutzen, wenn ich Euch loge! Da wurd ich mich selber

Ewig verdammen. Ihr wi?t ja nun wohl, so ist es beschlossen:

Sterben mu? ich, ich sehe den Tod und werde nicht lugen;

Denn es kann mir nicht Boses noch Gutes zur Hilfe gedeihen.

Bebend sagte Reineke das und schien zu verzagen.

Und die Konigin sprach: Mich jammert seine Beklemmung;

Sehet ihn gnadenreich an, ich bitt Euch, mein Herr! und erwaget:

Manches Unheil wenden wir ab nach seinem Bekenntnis.

La?t uns je eher je lieber den Grund der Geschichte vernehmen.

Hei?et jeglichen schweigen und la?t ihn offentlich sprechen.

Und der Konig gebot, da schwieg die ganze Versammlung.

Aber Reineke sprach: Beliebt es Euch, gnadiger Konig,

So vernehmet, was ich Euch sage. Geschieht auch mein Vortrag

Ohne Brief und Papier, so soll er doch treu und genau sein;

Ihr erfahrt die Verschworung, und niemands denk ich zu schonen.