Mauern aus Holz, Manner aus Eisen: Admiral Bolitho am Kap der Entscheidung - Kent Alexander. Страница 51

«Aha. Er hat sicherlich gedacht, es sei besser, die Aussage von Midshipman Vincent nicht zu bezweifeln. Schlie?lich ist er der Neffe des Admirals!«Bolitho wurde argerlich.

Keen hob die Schultern.»Es ist nicht leicht auf einem neuen Schiff. Die vielen unerfahrenen Manner wurden jedes Nachgeben falsch verstehen und sofort hemmungslos ausnutzen.»

«Trotzdem — Vincent hat den Matrosen provoziert?»

«Ich denke schon. Fittock ist ein guter Toppgast. Es konnte schaden, einen so erfahrenen Matrosen vor gepre?ten Mannern auszupeitschen.»

Bolitho erinnerte sich an den Kommandanten der Hyperion, den Vorganger von Keen. Der hatte durchgedreht und seinen Ersten Offizier erschie?en wollen. Er dachte auch an den kranken, uberarbeiteten Kommodore Warren am Kap der Guten Hoffnung und an Varian, den eine zweite Verhandlung erwartete, die leicht zu einem Todesurteil fuhren konnte. Alles Manner, die unter der schweren Last des Dienstes zusammengebrochen waren.

«Vielleicht ist Vincent nur unerfahren«, versuchte er zu vermitteln.»Oder er wollte jemanden beeindrucken.»

Sanft korrigierte Val:»Das glauben Sie doch nicht wirklich.»

Bolitho nickte.»Stimmt, es ist unwahrscheinlich. Aber was konnen wir tun? Wenig. Sie haben hier das Kommando. Nehmen wir mal an, ich wurde mich einmischen, dann wurde man daraus schlie?en, da? der Admiral seinem Flaggkapitan mi?traut. Wenn Sie Vincent nicht decken, ware das Ergebnis ahnlich. Dann hie?e es, da? die jungen Offiziere an Bord keinen Schu? Pulver wert seien.»

Keen seufzte.»Manch einer hielte dieses Problem fur unbedeutend, Sir Richard, aber die Mannschaft ist noch nicht zusammengewachsen. Von Loyalitat ist noch nichts zu spuren.»

Bolitho stimmte ihm zu.»Und wir haben so wenig Zeit.»

Keen erhob sich.»Ich werde es auch mit Mr. Cazalet besprechen, dem Ersten Offizier. Er ist schon wie mein rechter Arm. Aber man wird ihn bald versetzen und ihm das Kommando uber ein eigenes Schiff geben.»

«Augenblick noch, Val. Ich soll Ihnen sagen, da? Catherine Zenoria besuchen wird. Sie standen einander fruher sehr nahe und haben ahnliches durchgemacht. Also nur Mut, Sie werden Zenoria wiederfinden. «Keen schwieg.

«Werden Sie Konteradmiral Herrick auf der Benbow besuchen?«fragte er schlie?lich.»Er reagierte sehr verzweifelt auf die schlimme Nachricht, die man ihm brachte. Aber niemand sollte vom Tod seiner Frau nur aus einem Brief der Admiralitat erfahren. Verzeihen Sie, Sir Richard, vielleicht hatte ich das nicht sagen sollen?»

Bolitho strich sich den Armel glatt.»Ja, ich werde mit Herrick sprechen.»

Es klopfte an der Lamellentur, und der Posten meldete:»Midshipman der Wache, Sir!»

Ozzard erschien wieder und offnete dem Midshipman die Tur.

«Noch einer, der Ihnen viel zu verdanken hat, Sir Richard«, sagte Keen leise.

Bolitho sah dem blassen jungen Mann entgegen, der seine Wiedersehensfreude kaum verbergen konnte.

«Ich freue mich, Sie auf diesem Schiff zu wissen, Mr. Segrave.»

Er wirkte alter als damals, als er Leutnant Tyacke geholfen hatte, die brennende Albacora zwischen die ankernden Versorger zu segeln.»Ich — ich habe Ihnen geschrieben, Sir Richard, um mich fur Ihre Unterstutzung zu bedanken. Mein Onkel, der Admiral, bewundert Sie sehr. «Erst jetzt wandte sich Segrave an Keen:»Mr. Cazalet la?t ausrichten, der Ausguck hat im Nordosten ein Segel gesichtet!«»Danke. Ich komme gleich an Deck.»

Als die Tur hinter Segrave zufiel, sagte Keen:»Ich wei? Bescheid uber den Jungen und die Prugel, die er auf seinem ersten Schiff bezogen hat. Leutnant Tyacke ist in seinen Augen der Gro?te!«Er lachelte, sein Gesicht sah jetzt endlich entspannt aus.»Nach Ihnen naturlich, Sir Richard.»

Es tat gut, Keen frohlich zu sehen. Zu all den Lasten, die ein neues Kommando auf einem neuen Schiff mit sich brachte, bedruckte ihn sicher auch die Sorge um Zenoria. Suchte sie Keen im Schlaf ebenso heim wie das Catherine tat, wenn Bolitho zu lange auf See gewesen war?

«Leutnant Tyacke ist ein bemerkenswerter Mann«, sagte er.»Wenn man ihn erst besser kennt, empfindet man statt Mitleid gro?e Bewunderung.»

Sie gingen zusammen nach oben zu ihrem Morgenspaziergang auf dem Achterdeck. Die Achterdeckswache wich ihnen respektvoll aus und bewegte sich auch sonst mit gro?ter Vorsicht, um sie ja nicht zu behindern.

Der Himmel war tiefgrau, Masten und Segel standen dunkel davor. Unter Mars- und Gro?segel laufend, lag die Black Prince nur wenig nach Lee uber.

«An Deck!«Nach der Truculent klang der Ruf von oben, als sei der Ausguck Meilen entfernt.»Es ist eine Fregatte, Sir!»

Keen schlug den Mantelkragen gegen den bei?enden Wind hoch.»Also kein Franzose, denn der wurde mit Vollzeug davonsegeln!»

Bolitho hielt sich gerade noch davor zuruck, sein verletztes Auge zu reiben. Man beobachtete jede seiner Bewegungen, und viele sahen ihn jetzt zum ersten Mal. Ein neues Schiff, ein bekannter Flaggoffizier — nur zu leicht konnte er das Vertrauen der Manner verspielen.

Ein gro?er, dunkelhaariger Midshipman, dessen Stimme alles ubertonte, befahl:»Nach oben mit Ihnen, Mr. Gough! Und nehmen Sie ein Fernglas mit!«Ein kleiner Kadett kletterte eilends die

Webleinen empor und war im Gewirr des Riggs schnell verschwunden. Bolitho lachelte innerlich. Der gro?e Midshipman hie? Bosanquet und gehorte zur Gang des Stuckmeisters. Er sollte bald seine Leutnantsprufung ablegen.

«An Deck!«Einige Matrosen grinsten, als sie die piepsige Stimme des Jungen von oben horten.»Sie setzt das Erkennungssignal!»

Cazalet, der Erste Offizier, hob das Sprachrohr; seine dunklen Augenbrauen zitterten.»Wir sind alle schon sehr gespannt, Mr. Gough.»

Wieder piepste der Midshipman aus luftiger Hohe:»Die Zahlen lauten funf, vier, sechs, Sir!»

Bosanquet hatte schon das Signalbuch aufgeschlagen.»Die Zest. Vierundvierzig Kanonen, Kommandant Kapitan Varian.»

Jenour trat neben ihn und schaute zu Bolitho hinuber.»Korrigieren Sie bitte das Buch. Varian ist nicht mehr ihr Kommandant.»

Keen befahl:»Bitte antworten Sie der Zest!»

Bolitho trat an die Querreling. Einige sahen in ihm sicherlich Varians Henker. Unten auf dem Hauptdeck riggten der Bootsmann Ben Gilpin und seine Gehilfen in Lee eine Grating auf. Sie bereiteten die Auspeitschung vor. Fur alle, die frisch an Bord gekommen waren, mu?te dieser Strafvollzug ein furchtbarer Anblick sein. Und die anderen wurde er noch brutaler werden lassen.

Bolitho straffte sich, als er Felicitys Sohn ganz in der Nahe stehen sah. In seinem Blick lag zuviel grausame Vorfreude.

«Fallen Sie zwei Strich ab, Mr. Cazalet. Wir wollen auf die Zest warten«, befahl Keen.

Jenour hatte gesehen, wie Bolitho sich uber das linke Auge strich. In seiner Familie gab es einige Arzte, und einem davon, seinem Onkel, hatte er den fremd klingenden Namen des Arztes genannt, der Bolitho behandelt hatte: Rudolf Braks. Sein Onkel kannte den Namen gut.»Der hat Lord Nelson behandelt«, sagte er,»und er behandelt auch den Konig, dessen Augenlicht immer schlechter wird. Wenn Braks deinem Admiral nicht helfen konnte, dann kann es keiner.»

Jetzt horte er den Ersten Offizier melden:»Alle Mann an Deck angetreten, Sir.»

Keen antwortete kurzangebunden:»Uberwachen Sie die leidige Sache.»

Bolitho horte die Bitterkeit in Keens Ton. Er erinnerte sich wahrscheinlich an den Straflingstransport. Damals hatte er Zenoria vor der Peitsche gerettet und spater ihre Unschuld nachgewiesen. Aber ein Hieb hatte sie noch getroffen und ihre Haut von der Schulter bis zur Hufte aufgerissen. Die Narbe wurde sie nie mehr verlieren.

Bolitho ging nach unten in seine Tageskajute und setzte sich auf die Bank unter den Fenstern. Er ballte die Faust, als er, gedampft durch die Decks, die Trommeln wirbeln horte. Das ferne Knallen der Peitsche traf ihn fast ebenso wie den Delinquenten. Er versuchte an Herrick zu denken und an das Geschwader, das er von ihm ubernehmen wurde. Funf Linienschiffe, doch nur zwei Fregatten. Diese Aufklarer fehlten eben uberall.