Mauern aus Holz, Manner aus Eisen: Admiral Bolitho am Kap der Entscheidung - Kent Alexander. Страница 64
Keen griff zum Sprachrohr.»Hier spricht der Kommandant!«Er machte eine Pause, damit die Leute oben sich sammeln konnten.»Was seht ihr vom Feind?»
Bolitho trat an die Querreling und blickte in die nach oben gewandten Gesichter, die alle wissen wollten, was hinter der Kimm geschah.
«Zwei franzosische Linienschiffe, Sir. Eines von uns, aber ohne Mast. «Taverner schwieg, und Bolitho horte den Master murmeln:»Dann mu? es schlimm sein!»
Das aufsteigende Tageslicht wurde bald alles enthullen. Der Feind mu?te am Vorabend noch vor der Dammerung auf Herricks Konvoi gesto?en sein, wahrend die Black Prince aus dem Sund kroch, um ihm zu helfen. Dann hatte er den ganzen Konvoi entweder erbeutet oder vernichtet. Den Rest des Geleitschutzes wurde er heute erledigen.
Mude sagte Keen:»Wir kommen zu spat, Sir.»
Der Knall eines Kanonenschusses rollte ubers Wasser. Taverner meldete:»Das entmastete Schiff hat Feuer eroffnet, Sir! Die geben nicht auf!«Allen Drill vergessend, brullte er plotzlich:»Schie?t sie zusammen, Jungs! Drauf! Wir kommen!»
Das entmastete Schiff mu?te die Benbow sein, eine andere Moglichkeit gab es nicht. Bolitho sagte:»Lassen Sie mehr Segel setzen, Val. Aber es bleibt dabei, wir sind eine Prise unter englischer Besatzung. «Keen wirkte bedruckt.»Wir haben keine andere Wahl, wir mussen den Windvorteil nutzen und den Uberraschungseffekt.»
Zwei Breitseiten folgten jetzt kurz hintereinander. Der Feind suchte wohl Benbows Feuerkraft zu halbieren, sie zwischen sich zu nehmen, zu entern und zu erobern. Ohne Takelage konnte sie sich nicht mehr bewegen. Die Salven wurden ihr ungeschutztes Heck zertrummern und unter Deck ein Blutbad anrichten. Bolitho ballte die Fauste, bis sie schmerzten. Herrick wurde eher sterben als sich ergeben. Er hatte schon zuviel verloren.
Die Black Prince nahm langsam mehr Fahrt auf und ging auf Westkurs, wo hinter Kap Skagen immer noch Dunkelheit auf dem Wasser lag. Erst allmahlich enthullte das zunehmende Tageslicht die schrecklichen Spuren eines verlorenen Gefechts: Spieren, Lukendeckel, leer treibende Rettungsboote und weiter drau?en den Kiel eines gekenterten Schiffes. Als es heller wurde, sahen sie noch andere Schiffe: Einigen fehlten die Masten, andere schienen unbeschadigt, aber alle fuhrten die franzosische Flagge uber der englischen.
Das zweite Geleitschiff, das Tyacke erwahnt hatte, war nirgends zu sehen. Unter Herricks Oberkommando war es bestimmt eher gesunken, als sich zu ergeben.
Taverner hatte sich wieder unter Kontrolle, als er rief:»An Deck! Sie haben das Feuer eingestellt, Sir!»
Keen hob sein Sprachrohr.»Hat Benbow die Flagge gestrichen?»
Taverner sah genauer hin. Nach all seinen Jahren auf See gab es immer noch etwas, das ihn uberraschte.»Nein, Sir, hat sie nicht. Aber der gro?e Franzose fallt ab und setzt mehr Segel!»
Bolitho ergriff Keens Arm.»Jetzt haben sie uns entdeckt, Val. Da kommen sie!»
Er sah seinen Neffen durch den Qualm entsetzt hinuberstarren, als ein langgezogenes tierisches Gebrull horbar wurde. Tojohns fragte durch die zusammengebissenen Zahne:»Was zum Teufel ist das?»
Keen antwortete sachlich:»Pferde. Kavalleriepferde. Sie verenden unter Deck auf den brennenden Schiffen.»
Bolitho strich sich uber sein linkes Auge. Er hatte schon einmal Pferde in Todesnot so schreien gehort, bis die See sie endlich verschluckte.
Er sah seine Leute voll stummer Wut am Schanzkleid stehen. Sie hatten kuhl einen Feind niedergestreckt und sich kaum umgeschaut, wenn neben ihnen ein Freund fiel — aber Pferde, hilflose Tiere, so leiden zu horen — das war zuviel fur sie. Er straffte sich und sagte mit lauter, ruhiger Stimme, so da? ihn jeder verstand:»Das gro?e Schiff dort lauft auf uns zu, Manner. Was ihr auch denkt oder fuhlt — bleibt auf eurem Platz. Jede unserer Kanonen ist mit Doppelkugeln geladen und feuerbereit. Also haltet durch. Dies ist ein starkes neues Schiff, und unsere Freunde auf der Benbow warten auf uns. Aber wir wollen nicht Rache, sondern Gerechtigkeit!»
Er wu?te, was Herrick druben ausgehalten hatte. Vielleicht war er schon gefallen. Er sah Ozzard nach vorne rennen, ein gro?es Teleskop uber der Schulter. Plotzlich schien das Schiff unter den Rufen der Besatzung zu erzittern.
«Auf, Manner! Ein Hurra fur unsern Admiral! Ein Hurra fur unsern Kaptn und seine Braut in England!»
«Da haben Sie's«, sagte Keen bewegt.»Das sind Ihre Leute. Sie wurden alles fur Sie tun.»
Auf dem Vorschiff rannte Allday hinter Ozzard her und packte ihn, verzweifelt uber die Manner, die Hurra schrien und nicht wu?ten, was auf sie zukam.»Was zum Teufel machst du da? Bist du verruckt geworden?»
Ozzard lie? das Fernglas sinken und sagte uberraschend ruhig:»Du hast doch gehort, was Sir Richard gesagt hat. Nicht Rache, sondern Gerechtigkeit. «Er deutete auf den naherkommenden Franzosen.»Ich verstehe ja nicht viel von Schiffen, aber das erkenne ich wieder. Wie konnte ich es je vergessen?»
«Was meinst du?«fragte Allday, doch er wu?te die Antwort schon.
Ozzard starrte immer noch hinuber.»Mir ist egal, wie sie jetzt hei?t oder welche Flagge sie zeigt. Die da hat unsere Hyperion versenkt! Und Rache dafur ist nur gerecht. Also, John, was machen wir?«Doch er erhielt keine Antwort.
Midshipman Roger Segrave fuhlte, wie ihm vor Angst fast die Luft wegblieb und seine Hande sich um die Reling krampften. Sein Blick suchte die Leute neben ihm: den Master und seine Gehilfen am Kompa?, vier Ruderganger am gro?en Rad und eine Handvoll Manner, die ihnen beispringen sollten, aber noch so taten, als seien sie unbeschaftigt. Segrave kam sich vor wie in einem verruckten Traum. Auf dem Seitendeck an Backbord, von wo sich der feindliche Dreidecker naherte, lungerten unbewaffnete Matrosen herum, die miteinander redeten und nur gelegentlich auf das Schiff deuteten, als seien sie Danen. Sie taten so, als betreffe sie das alles nicht. Doch als Segrave genauer hinsah, entdeckte er unten die feuerbereiten Stuckmannschaften an ihren Kanonen. Hier oben und in den beiden unteren Decks hockten sie mit Handspaken, Rammen und Wischern zwischen sich; selbst die Deckel von den Zundlochern waren schon entfernt, damit ja keine Sekunde verlorenging, wenn die Tauschung aufflog.
Er sah Bolitho angelegentlich mit Keen sprechen und ab und zu nach druben blicken, vor allem aber ihre eigenen Leute beobachten, ob sie nicht die Nerven verloren. Der gro?e Midshipman Bosanquet unterhielt sich angeregt mit dem Flaggleutnant, nur die Seesoldaten hatten ihre Rolle nicht geandert. Ihre roten Uniformen waren auch oben im Gro?topp zu erkennen, wo sie die Drehbassen nach unten richteten. Ein Zug stand mit aufgepflanzten Bajonetten auf dem Vorschiff, ein zweiter achtern in der Nahe der Poop.
Segrave horte Bolitho sagen:»Mr. Julyan, Sie spielen heute den Kommandanten!»
Der gro?e Master grinste breit.»Ich fuhle mich schon formlich wachsen, Sir Richard!»
Segrave wurde ruhiger, sah dem Kommenden gefa?ter entgegen.
Scherzhaft meinte Bolitho:»Unsere danischen Kameraden haben zwar weniger auffallige Uniformen als wir, aber ein Kommandant sollte trotzdem einen Hut tragen!»
Alle grinsten, als Julyan zuerst Keens und dann Bolithos Hut ausprobierte, der ihm perfekt pa?te.
Noch einmal musterte Bolitho das Achterdeck und sah auch kurz Segrave an.»Das Warten hat gleich ein Ende. Achtung!»
Das zweite feindliche Schiff, ein Zweidecker, fiel jetzt ab und halste. Flaggen stiegen an seinen Signalleinen auf oder wurden niedergeholt, zur Bestatigung oder als Ausfuhrungsbefehl. Der franzosische Zweidecker hatte es offenbar auf die Nicator abgesehen, die sich der Black Prince naherte, als wolle sie ihre Prise schutzen.
Der Erste ri? Segrave aus seinen Gedanken.»Ab in die untere Batterie, Mr. Segrave! Melden Sie sich dort beim Dritten Offizier!«Er sah sich um.»Wo ist der verdammte Vincent? Er hatte langst zuruck sein mussen. Schicken Sie ihn sofort zu mir, wenn Sie ihn sehen. «Als er Segraves Spannung merkte, fugte er hinzu:»Immer mit der Ruhe, junger Mann. Heute werden Manner sterben, aber Sie sind noch nicht dran. «Segrave rannte zum Niedergang und dachte plotzlich an die rauhe Herzlichkeit auf der alten Miranda, die in die Luft geflogen war. Jetzt war er ein Jahr alter, aber ihm schien es wie ein Dutzend Jahre.