Die Seemannsbraut: Sir Richard und die Ehre der Bolithos - Kent Alexander. Страница 14
Es war eine schwierige Geburt gewesen, wahrend Bolithos Abwesenheit auf See. Die Arzte hatten Belinda vor einem zweiten Kind gewarnt, und als Folge davon war eine Entfremdung zwischen den Eheleuten eingetreten, die Bolitho nicht verstand und als ungerecht empfand. Ein andermal hatte Belinda spitz geau?ert:»Ich habe dir von Anfang an erklart, ich bin nicht Cheney. Hatte ich ihr nicht so ahnlich gesehen, waren wir jetzt wohl kaum verheiratet.»
Bolitho hatte versucht, die Barriere zwischen ihnen niederzurei?en, Belinda an sich zu ziehen und ihre Angst zu beschwichtigen. Er wollte ihr von seiner Augenverletzung erzahlen und von dem, was sie bedeuten konnte. Statt dessen hatten sie sich in London getroffen, und es war zu unerklarlichen, bitteren Feindseligkeiten zwischen ihnen gekommen, die beide spater bedauerten.
Bolitho tippte an seine blanken Knopfe und dachte wieder an das Kind. Es war jetzt sechzehn Monate alt. Verzweifelt fragte er sich, ob Elizabeth nie in Falmouth spielen, im Sand tollen und schmutzig nach Hause kommen wurde, um gescholten und geliebt zu werden.
Jenour horte ihn seufzen, zog aber die falschen Schlusse daraus. »Thor mu?te schon ziemlich weit weg sein, Sir Richard«, meinte er aufmunternd.
Bolitho nickte. Das Morserschiff war in der vergangenen Nacht heimlich ausgelaufen, aber Gott allein wu?te, ob nicht Spione langst Einzelheiten uber den beabsichtigten Einsatz weitergemeldet hatten. Zur Tauschung hatte man Geruchte in Umlauf gesetzt, wonach Thor den Leichter nach St. Christopher schleppen sollte. Sogar Glassport war genotigt worden, seinen Widerstand aufzugeben, und hatte eine Decksladung mit dem deutlich sichtbaren Namen dieses Bestimmungshafens besorgt.
Wie auch immer, jetzt war es zu spat fur Alternativen. Vielleicht war es dafur schon zu spat gewesen, als er darauf bestanden hatte, seinem neuen Geschwader vorauszusegeln und mit des spanischen Konigs Gold auf seine Weise umzugehen. Todessehnsucht? Somervells Wort steckte in seinem Kopf wie ein Widerhaken.
Er sagte:»Imrie wird sich zweifellos freuen, wieder auf See zu sein.»
Jenour musterte besorgt die aufrechte Gestalt, die den Hut abgelegt und die Halsbinde gelockert hatte. Bolitho merkte es nicht, er dachte an seine anderen Kommandanten. Haven hatte in einem Punkt recht behalten: Die drei patrouillierenden Fahrzeuge seiner kleinen Streitmacht waren noch nicht nach English Harbour zuruckgekehrt. Entweder hatten Glassports Schoner sie nicht zu finden vermocht, oder es hatte jeder fur sich beschlossen, die Zeit anderswo totzuschlagen. Er stellte sich die Gesichter vor, als die Kommandanten in der gro?en Kajute versammelt waren. Thynne von der Obdurate, die noch ihre Sturmschaden reparierte, war der einzige etatma?ige Kommandant unter ihnen. Bolitho behandelten sie mit einer hoflichen Wachsamkeit. Sie alle hatten den toten Price gekannt, und vielleicht sahen sie in Bolithos Strategie einen Diebstahl seiner Ideen.
Diese Befurchtung hatte er Jenour gegenuber geau?ert, nicht etwa, weil der junge Flaggleutnant schon uber genug Erfahrung und Klugheit als Kritiker verfugte, sondern weil er sie mit einem teilen wollte, dem er vertrauen konnte.
Aber Jenour hielt das bezeichnenderweise fur ausgeschlossen und hatte beharrlich erklart:»Sie kennen Ihre bisherigen Leistungen, Sir Richard, das genugt jedem. «Jenour war ein angenehmer, eifriger junger Mann, der ihn an niemanden erinnerte. Vielleicht hatte er ihn sich deshalb ausgesucht. Deshalb und wegen seiner verbluffenden Kenntnisse uber Bolithos bisherige Unternehmen, seine Schiffe und Gefechte.
Die drei Briggs Upholder, Tetrarch und Vesta sollten morgen die Anker lic hten und mit dem Flaggschiff auslaufen. Blieb nur zu hoffen, da? sie nicht auf feindliche Fregatten stie?en, bevor sie das Festland erreichten. Alle drei zusammen trugen sie nur zweiundvierzig Kanonen. Wenn doch wenigstens ihre einzige Korvette aufsein Ruckrufsignal reagiert hatte! Denn die Phaedra sah wie eine kleine Fregatte aus, und in den richtigen Handen konnte sie auch als eine solche kampfen. Oder ma? er sie schon wieder an seiner ersten Korvette und dem damit verbundenen
Gluck?
Bolitho schritt langsam zum Ende der Aufschleppe, dorthin, wo sie in die unruhigen Wellen tauchte. Das Wasser war dunkel wie Ebenholz, betupft mit gelegentlichen Reflexen der Ankerlaternen oder, wie im Fall der Hyperion, von den Spiegelbildern der erleuchteten offenen Stuckpforten. Er fuhlte die warme Brise an seinen Wangen und versuchte sich die Seekarte mit allen Unwagbarkeiten vorzustellen, die ihnen auf jeder der sechshundert Seemeilen zusto?en konnten.
Er wollte sich nicht aufregen, wenn er an Haven dachte. Haven war kein Feigling, aber von anderen, tieferen Sorgen besessen. Was er auch von seiner Kommandierung auf einen Veteranen wie Hyperion hielt, Bolitho sah es anders. Das Schiff mochte alt sein, gewi?, aber es war noch immer ein weit besserer Segler als die meisten seiner Sorte. Ungewohnlich, da? ein Flaggkapitan sich zum Gegner seines Admirals machte, ob er ihn nun ha?te oder nicht. Die Karriereleiter war schwer genug zu erklettern, ohne da? man sich noch selbst Hindernisse in den Weg legte. Doch Haven wies jeden personlichen Kontakt zuruck, und als auf der Uberfahrt von England traditionsgema? seine Gegenwart an der Tafel notig war, wo Bolitho einige jungere Offiziere bewirtete, hatte er sich abseits gehalten. Bolitho dachte an das Bildnis von Havens hubscher Frau. War sie die Ursache seiner Probleme? Das allerdings hatte er gut verstehen konnen.
Der Schatten eines Fischerboots glitt an der ihnen am nachsten liegenden Brigg voruber. Brachte es dem Feind eine Nachricht? Falls die Dons herausbekamen, was er beabsichtigte, konnte der Admiral in Havanna wenige Stunden nach Erhalt der Nachricht ein ganzes Geschwader in See haben.
Es wurde Zeit, zur Anlegebrucke zu gehen, wo die Barkasse wartete, aber Bolitho zogerte noch. Es war so friedlich hier, ein Aufschub vor der Gefahr und dem Ruf der Pflicht.
Der Fischer war verschwunden, ohne zu ahnen, welche Gedankengange er ausgelost hatte. Bolitho starrte auf die leuchtenden Reihen offener Stuckpforten der Hyperion. Das sah aus, als ob sie innerlich brannte. In ihrem rundlichen Rumpf drangten sich sechshundert Seelen — alle ihm uberantwortet. Sie verlangten nicht viel, aber oft wurden ihnen selbst noch die einfachsten Bequemlichkeiten vorenthalten. Er konnte sich die anonymen Seesoldaten in ihrer Sektion des Decks vorstellen, wo sie wohnten und auch ihre Ausrustung reinigten und putzten. Er sah andere Quartiere vor sich, wo die Seeleute zwischen Kanonen ihre Freiwachen verbrachten, an traditionellen Kleinigkeiten bastelten oder winzige Schiffsmodelle aus Knochen und Muscheln schnitzten. Wie konnten ihre von schwerer Arbeit groben Hande solch feine Arbeiten hervorbringen? Dann die Fahnriche der Hyperion, acht an der Zahl, die den Lehrstoff fur ihr Leutnantsexamen studierten, manchmal bei schwachster Beleuchtung, einem Docht in einer alten Kartusche.
Die Offiziere hatten sich noch nicht hervorgetan, aber mit der Zeit wurden sie zeigen, was sie konnten oder was nicht. Bolitho schlug mit seinem Hut nach einem durch die Dunkelheit summenden Insekt. Fuhrerschaft, darauf kam es an. Alles beruhte auf guter Fuhrerschaft.
Als er sich wieder dem Bootsschuppen zuwandte, horte er Jenours Schritte davoneilen. Eine Kutsche rollte heran, ein Pferd stampfte unruhig, und die Stimme eines Mannes suchte es zu besanftigen.
Jenour kam zuruck und wisperte:»Eine Dame, Sir Richard.»
Bolithos Herz erriet ihren Namen. Er fragte sich keinen Moment, wer da zu dieser spaten Stunde kommen mochte. Vielleicht hatte er sie unbewu?t erwartet, in der Hoffnung, da? sie ihn schon finden wurde. Und trotzdem fuhlte er sich unvorbereitet.
Sie begegneten einander unter dem aufgepallten Rumpf eines alten Bootes. Catherine war von Kopf bis Fu? in einen Umhang gehullt, dessen Kapuze lose uber ihrem Haar hing. Hinter ihr sah man die Kutsche warten, den Mann neben dem Pferd stehen, beleuchtet von zwei kleinen Laternen, die ihren gelben Schein auf die Stra?e warfen. Jenour wollte sich zuruckziehen, aber sie winkte seine Entschuldigung beiseite.»Lassen Sie nur, ich habe ja auch meine Zofe bei mir.»