Die Seemannsbraut: Sir Richard und die Ehre der Bolithos - Kent Alexander. Страница 35

Ozzard beobachtete ihn aufmerksam.»Ich nehme an, sie hat ihn in der Eile vergessen.»

Bolitho packte den Facher fester. Nein, sie hatte ihn bestimmt nicht vergessen.

Schritte kamen naher, dann betrat Kommodore Glassport die Kajute, gefolgt von Jenour und Haven. Glassports Gesicht war hochrot, als ob er bergauf gehastet ware.

Bolitho machte eine einladende Bewegung.»Nehmen Sie Platz. Ein Glas Rotwein gefallig?»

Glassport schien bei diesen Worten aufzuleben.»Ich wu?te ein Glaschen zu schatzen. Gott verdamme diese Aufregung! Ich hatte mich schon langst pensionieren lassen sollen.»

Ozzard servierte, und Bolitho hob sein Glas:»Auf den Sieg!»

Glassport streckte die dicken Beine aus und leckte sich die Lippen.»Ein sehr guter Claret, Sir Richard.»

Haven unterbrach:»Wir haben einige Briefe, Sir Richard, sie sind mit dem letzten Paketschiff gekommen. «Auf seinen Wink hin brachte Jenour ein kleines Bundel und legte es vor Bolitho auf den Tisch.

Bolitho deutete auf die Glaser.»Nachfullen, Ozzard. «Und zu den anderen gewandt:»Entschuldigen Sie mich, Gentlemen.»

Er schlitzte einen Brief auf und erkannte sofort Belindas Handschrift. Sein Auge uberflog den Text zu schnell, so da? er aufhorte und von vorne begann.

«Mein lieber Gatte…«, schrieb sie wie an einen Fremden. Dann berichtete sie kurz uber ihren letzten Besuch in London, und da? sie nun in einem gemieteten Haus lebe und seine Zustimmung erwarte. Elizabeth war von einer Erkaltung genesen und hatte sich an das neu eingestellte Kindermadchen gewohnt. Der Rest des Briefes beschaftigte sich mit Nelson, der zwischen England und Frankreich stunde. Wie sehr das Land doch von ihm abhinge, schrieb Belinda.

Jenour fragte leise:»Hoffentlich keine schlechten Nachrichten, Sir Richard?»

Bolitho steckte den Brief in seinen Rock.»Tja, Stephen, das wei? ich selber nicht.»

Sie schrieb nichts uber Falmouth und die Menschen dort, mit denen er aufgewachsen war. Kein Wort, weder Arger noch Reue, uber die Art, wie sie sich getrennt hatten.

Glassport sagte schwerfallig:»Es ist jetzt viel ruhiger hier, seit der Generalinspekteur abgereist ist. «Und tief in sich hineinlachend:»Ich mochte nicht auf die falsche Seite Somervells geraten.»

Haven erklarte steif:»Seine Welt ist eine andere und ganz gewi? nicht meine.»

Bolitho lenkte ab.»Ich mochte die Kommandanten morgen sehen. «Und mit einem Seitenblick auf Glassport:»Wie lange wurde der Viscount denn hier aufgehalten?»

Glassport blinzelte ihn an, sein Verstand war schon wieder durch mehrere Glaser getrubt.»Bis der Sturm nachlie?, Sir Richard. Dann reiste er ab.»

Unwillkurlich erhob sich Bolitho. Er mu?te sich verhort haben.»Ohne auf Lady Somervell zu warten? Welches Schiff benutzte sie denn fur die Ruckreise, nachdem sie mit der Fregatte angekommen war?»

So sehr er auch darauf erpicht war, Seiner Majestat den Schatz personlich zu prasentieren, hatte Somervell doch bestimmt gewartet, um sich von Catherines Wohlergehen zu uberzeugen?

Glassport bemerkte Bolithos plotzliche Erregung und sagte beschwichtigend:»Aber sie hat die Insel doch gar nicht verlassen, Sir Richard. Ich erwarte noch immer ihre Anweisungen. «Irritiert schlo? er:»Lady Somervell wohnt jetzt in der Residenz.»

Bolitho nahm wieder Platz und schaute zum Facher hin, der auf dem Weinschrankchen lag. Er sagte:»Entschuldigen Sie mich bitte fur heute, Gentlemen. Wir sprechen uns morgen wieder.»

Spater, als das Trillern der Pfeifen und das Poltern von Glassports Boot an der Bordwand verklang, starrte er durch die Heckfenster auf die Hafenlichter, so fein wie Nadelstiche. Von der offenen See kam eine trage, glasige Dunung herein, die den schweren Rumpf der Hyperion eben ruhrte. Am Himmel standen einige wenige Sterne. Bolitho begann sie zu zahlen, und dabei wurde ihm auf einmal klar, was er Augenblicke fruher noch nicht mal hatte denken wollen.

Wurdest du alles riskieren? Eine — ihre — Stimme schien das laut gefragt zu haben.

Im dicken Glas neben sich erblickte Bolitho ein Spiegelbild. Jenour war lautlos eingetreten.

«Seien Sie so gut, Stephen, und sagen Sie Allday, er soll mein Boot klarmachen, ich gehe gleich an Land.»

Jenour zogerte. Er hatte zugehort, als Glassport mit der Geschichte von Lady Somervell herausplatzte.

Er setzte an:»Darf ich etwas sagen, Sir Richard?»

«Habe ich Sie jemals daran gehindert, Stephen? Worum geht es, wollen Sie mein Schiff verlassen?«Halb ihm zugewandt, fuhlte er des jungen Leutnants Unbehagen.

Jenour erwiderte heiser:»Es gibt nicht einen Mann unter Ihrer Flagge, Sir Richard, der nicht fur Sie sterben wurde.»

«Das bezweifle ich aber. «Bolitho musterte den besturzten Jenour.»Sprechen Sie trotzdem weiter.»

Jenour setzte abermals an:»Sie haben die Absicht, die Lady zu besuchen, Sir Richard. «Als die erwartete Zurechtweisung ausblieb, fuhr er fort:»Aber morgen wird es das Geschwader wissen, und im nachsten Monat wird ganz England davon horen. «Er schaute zu Boden.»Es — es fallt mir schwer, so mit Ihnen zu reden. Ich habe kein Recht dazu, es ist nur, weil ich sehr besorgt bin.»

Bolitho nahm seinen Arm und schuttelte ihn leicht.»Es erforderte Mut, Stephen. Ich danke Ihnen. Einem alten Feind, John Paul Jones, wird das Wort zugeschrieben: >Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Was auch immer seine Fehler gewesen sein mogen, Mangel an Mut gehorte nicht dazu. «Er wurde ernst:»Ich kenne das Risiko, Stephen. Und nun rufen Sie Allday.»

Auf der anderen Seite der Pantrytur zog Ozzard den Kopf zuruck und nickte langsam. Er freute sich, da? er den Facher entdeckt hatte.

Bolitho merkte kaum etwas von seiner Umgebung, als er den Hafen hinter sich lie? und durch die Schatten schritt. Er hielt nur einmal an, um Atem zu schopfen und seine Gefuhle zu prufen. Er sah zu den ankernden Schiffen hinaus, deren offene Stuckpforten auf der leichten Dunung glitzerten, unter ihnen die dunkle, massige Ciudad de Sevilla. Was wurde aus ihr werden? Wurde man sie irgendeiner reichen Handelsgesellschaft verkaufen oder sie den Spaniern zum Tausch anbieten und versuchen, die Consort dafur zuruckzugewinnen? Letzteres war unwahrscheinlich. Die Dons waren durch den Verlust des Schatzschiffes gedemutigt und durch die Versenkung eines weiteren unter ihren eigenen Kanonen erst recht verbittert.

Vor den wei?en Mauern der Residenz blieb er abermals stehen. Sein Herz pochte. Was hatte er eigentlich im Sinn? Vielleicht wurde sie ihn uberhaupt nicht empfangen. Er schritt uber die Auffahrt und ging durch den Haupteingang, der wegen der erfrischenden Seebrise weit offenstand. Ein in einem Korbstuhl schlafender Diener ruhrte sich nicht einmal.

Er befand sich in einer von Saulen gestutzten Halle, deren schwere Gobelins im Widerschein zweier Kandelaber gluhten. Es war ganz ruhig, selbst die Luft schien stillzustehen.

Uber der geschnitzten Truhe bei einer anderen Tur entdeckte Bolitho einen Klingelzug und spielte mit der Idee zu lauten.

Wahrend des letzten Gefechts auf dem Schatzschiff war der Tod sein Begleiter gewesen, und er war ihm auch sonst nicht fremd. Aber er hatte sich nicht gefurchtet, nicht einmal hinterher. Hatte der Mut ihn jetzt verlassen? Er fa?te seinen Degen fester. Vielleicht hatte Glassport sich geirrt, und sie war wieder nach St. John's gegangen, wo sie Freunde besa?, diesmal uber Land. Er dachte an Jenours Befurchtungen, an Alldays verdachtiges Schweigen, als er ihn zur Anlegebrucke rudern lie?. Einige Wachposten waren in eine Art Ehrenbezeugung verfallen, als sie den Vizeadmiral erkannten, der ohne Vorwarnung an Land gekommen war.

Allday hatte gemeint:»Ich werde warten, Sir Richard.»

«Nein. Wenn ich ein Boot brauche, kann ich eins rufen.»

Allday hatte ihm nachgesehen, wahrscheinlich genauso besorgt wie Jenour.

«Wer ist da?»

Bolitho drehte sich um und sah sie auf der breiten Treppe stehen, mit einer Hand am Gelander, die andere in den Falten ihres Gewandes verborgen. Sie trug einen hellen Uberwurf und wirkte gegen die dunklen Wandbehange wie eingerahmt. Sie bewegte sich nicht.