Die Seemannsbraut: Sir Richard und die Ehre der Bolithos - Kent Alexander. Страница 65

Er winkte Jenour.»Jetzt. Ausfuhrungssignal!»

Auf Herricks Flaggschiff schien man nur auf diesen Augenblick gewartet zu haben. Sobald die Flaggen niedergeholt wurden, drehte Benbow auch schon aus ihrer Reihe, als ob sie allein eine Attacke gegen den Feind fuhren wolle.

Keens Augen waren uberall zugleich. Von Parris angespornt, hievten die Seeleute an den Brassen, wahrend andere dem machtigen Gro?segel Lose gaben und sich die Rahen knarrend drehten. Der Wind druckte das Schiff zur anderen Seite, das Deck neigte sich hinuber, und Penhaligon stellte sich breitbeiniger hin. Im Nu war Keen am Kompa?.»Stutzruder! Recht so, la? laufen!»

Die Segel donnerten protestierend. Der Besan killte von oben bis unten, es schien ihn zerrei?en zu wollen. Dann fullte sich die Leinwand und wurde prall. Sie lagen nun hart am Wind, hoher ging es nicht. Den Spaniern mu?te es so vorkommen, als ob alle ihre Segel mittschiffs standen und sich uberschnitten.

Bolitho hielt sich an der Reling fest und sah zum Feind hinuber. Irgend jemand scho?, aber die Netze uber der Kuhl und das riesige Gro?segel verdeckten das Mundungsfeuer.

Benbow lief mit Hyperion auf Parallelkurs, kaum drei Kabellangen entfernt. Die Schiffe hinter ihnen wendeten ebenfalls in Folge, wahrend Tybalt hastig aufkreuzte, um ihre Position als letzte in der Reihe einzunehmen.

Keen rief bewegt:»Bei Gott, das hat die Dons uberrascht!»

Das spanische Flaggschiff schien jetzt von Hyperions Backbordseite wegzustreben, wahrend zwei andere Spanier ihm wie bisher folgten. Bolitho befahl:»Laden und ausrennen, Kapitan Keen!»

Der Befehl wurde wiederholt und weitergegeben. Kaum eine Minute verging, da blickte jeder Geschutzfuhrer nach achtern und hob die geballte Faust uber den Kopf.

«Alles geladen, Sir!»

«Offnet die Pforten!»

Laut quietschend rollten die Kanonen vor die Offnungen in der Bordwand. An der tieferliegenden Leeseite schien die See bis zu den Mundungen heraufzulecken.

Das Deck der Hyperion erbebte, als die ihr am nachsten stehenden feindlichen Schiffe Feuer eroffneten. Doch das

Aufdrehen der unerwartet geteilten Formation hatte den spanischen Admiral uberrascht. Nun konnten die meisten seiner Stuckfuhrer ihre Ziele nicht mehr auffassen. Wasserfontanen wuchsen neben Hyperions Bordwand empor, aber Bolitho fuhlte nur einmal den Einschlag einer Kugel in den unteren Rumpf.»Untersegel aufgeien!»

Die Breitfock hob sich wie ein Riesenvorhang und gab den Blick nach beiden Seiten frei. Bolitho horte einen der Fahnriche vor Schreck nach Luft schnappen, als vor ihnen das Heck des nachsten Spaniers wie aus dem Nichts erschien. Plotzlich war da eine hohe, uberreich geschmuckte Galerie, Gewehrfeuer verspruhend, und der Name Castor uber der Heckwelle.

Schusse pfiffen uber ihre Kopfe, die Geschutzbedienungen duckten sich noch tiefer. Uber ihre Gesichter rann Schwei?, wahrend sie nach Zielen ausspahten.

«Achtung an Backbord!«Lovering, der Zweite Leutnant, trat von den vorderen Kanonen etwas zuruck.»Ziel auffassen — Einzelfeuer!»

Keen hob seinen Degen, ri? ihn herunter.»Feuer!»

Die Backbordkarronade vorn schleuderte ihre gro?kalibrige Kugel mit entsetzlicher Wirkung ins Heck der Castor. Bolitho horte die Detonation im Innern des Schiffskorpers und konnte sich das Entsetzen vorstellen, als die Kartatschen wie eine Sense durch den leergeraumten Raum fegten. Sobald die Schotten zum Gefecht erst abgeschlagen waren, war jedes Kriegsschiff am verletzlichsten, wenn es dem Feind gelang, in sein Heck zu feuern.

Im Pulverdampf erschien auf der anderen Seite das nachste Schiff; aus all seinen Rohren zuckten ihnen rot-gelbe Zungen entgegen.

«Steuerbordbatterie — Feuer!»

«Backbord, zweite Division — Feuer!»

Mit ohrenbetaubendem Donner verschwanden beide Seiten in wirbelndem Rauch; verkohlte Kartuschenreste regneten herab. Das Schiff an Steuerbord wurde auch von Obdurate bekampft,

Bolitho sah ihre Mastspitzen wie Lanzen aus den Pulverdampfwolken ragen. Er fuhlte das Deck ein-, zweimal unter Treffern erbeben.

Parris brullte:»In der Aufwartsbewegung — Feuer!»

Da krachte auch schon die nachste Division fast einstimmig. Bolitho sah den Kreuzmast der Castor wanken, wenige Augenblicke noch von der Takelage gehalten, ehe er krachend uber die Seite kippte.

«Feuer!»

Keen uberquerte mit tranenden Augen das Achterdeck. Die oberen Geschutze ruckten einzeln oder in Paaren in ihre Taljen und Brocktaue zuruck. Sofort sprangen Manner mit Schwamm und Ladestock herbei, um die Rohre auszuwischen und mit der nachsten Kugel zu fullen. Sie taten, was man sie gelehrt hatte, ganz gleich, was um sie herum geschah.

Jenour hustete im Rauch und meldete dann: «Obdurate ist mit einem Spanier kollidiert, Sir Richard!«Er zuckte zusammen, als eine Gewehrkugel dicht neben ihm ins Deck schlug, und fugte hinzu:»Sie ersucht um Unterstutzung.»

Bolitho schuttelte den Kopf. Keen sagte kurz:»Abgelehnt.»

Die Flaggen, die Keens barsches Signal ausdruckten, flogen hoch und verschwanden in einer Rauchdecke, die binnenbords gesaugt wurde, als die untere Batterie nach Steuerbord feuerte.

Parris jubelte:»Wir sind durch, wir sind durch!«Er schwenkte seinen Hut.»Hurra, Jungs, wir haben die Linie durchbrochen!»

Weitere Segel wuchsen wie riesige Geister achteraus empor: Crusader und Redoubtable. Letztere kollidierte beinahe mit einem Spanier, der entweder sein Ruder oder seine Ruderganger verloren hatte.»Klar zur Kursanderung nach Backbord!«Bolitho warf sein Fernglas einem Fahnrich zu.»Das brauche ich jetzt nicht.»

«An Deck!«Irgendeiner hatte dort oben uber dem Rauch und dem Eisenhagel eine klaren Kopf behalten. »Benbow ist durch die Linie!»

Es gab noch mehr Jubel. Die Backbordbatterie feuerte blindlings eine Breitseite durch die Schwaden. Einiges davon traf die Bordwand der Castor, wahrend der Rest das zweite Schiff in der feindlichen Linie eindeckte.

«Legt sie auf Backbordbug, Mr. Penhaligon! Achterwache bemannt die Kreuzbrassen!«Die ausgewahlten Seesoldaten legten ihre Gewehre nieder und rannten zu Hilfe, wahrend andere uber die Hangematten schielten und, den Kolben an die Backe geschmiegt, ein Ziel suchten.

Bolitho sah beschadigtes Tauwerk ellenlang von den Schutznetzen baumeln. Und uber allem Wirrwarr wolbte sich noch immer derselbe friedliche Himmel.

Eine Kanonenkugel schlug an Backbord ein und traf die Bedienung eines vorderen Achtzehnpfunders. Zwei Mann wurden zu blutigen Brocken zermalmt, ein dritter rollte schreiend langs Deck. Sein Bein wurde nur noch von einem Hautfetzen gehalten.

Bolitho bi? die Zahne zusammen und versuchte sich zu konzentrieren. Alle seine Einheiten mu?ten jetzt im Gefecht sein. Der Schlachtenlarm horte sich an, als ob an allen Seiten Schiffe kampften. Ihr eigener Rauch verbarg sie voreinander. Geschutzfeuer grollte wie gigantischer Trommelwirbel auf dem Wasser hin und her.

Bolitho befahl:»Signal an alle: Aufschlie?en zum Flaggschiff, formiert Schlachtlinie!«Wie sie das mit den Flaggen ubermitteln wurden, war ihm selbst nicht klar. Doch schon bald kam Jenour.»Alles bestatigt, Sir Richard.»

Ein abseits stehender spanischer Zweidecker setzte mehr Segel. Sein Kommandant strebte entweder naher zum eigenen Flaggschiff oder wollte einen Zusammensto? mit der bewegungsunfahigen Castor vermeiden.

Bolitho begriff.»Dort, Val! Greift ihn an!»

Keen gellte:»Achtung an Steuerbord!»

Der Spanier schien schneller zu werden, aber es war nur eine durch den Rauch verursachte Illusion. Bolitho erwartete, da? er wenden und den Kurs der Hyperion kreuzen wurde. Er konnte auf seiner Fock das gro?e Kreuz, das rotgoldene Banner Spaniens erkennen.

Keen hob wieder seinen Degen.»Einzelfeuer!»

Das gegnerische Schilf feuerte fast zu gleicher Zeit. Eisenstucke und Holztrummer flogen uber ihr Batteriedeck, wahrend die Segel, so sehr durchlochert, da? sie kaum noch den Wind hielten, kraftlos erschlafften. Bolitho wischte sich ubers Gesicht und sah den Vormast des Gegners fallen. Takelage und Leinwandfetzen verschwanden langsseits.