Donner unter der Kimm: Admiral Bolitho und das Tribunal von Malta - Kent Alexander. Страница 10

«Sie sagt keinen Ton, jedenfalls nicht zu mir. Sie ist jung, unter zwanzig, hat reine Haut und ihren Handen nach zu urteilen keine Feldarbeit verrichtet. «Er senkte die Stimme.

«Sie hat mehrere Blutergusse. Ich furchte, sie ist vergewaltigt oder sexuell schwer mi?handelt worden. «Er seufzte.»Unter den gegebenen Umstanden mochte ich eine genauere Untersuchung nicht riskieren.»

Keen nickte. Das Madchen war plotzlich zu einer Person geworden, mehr als nur ein Opfer.

Der Arzt beobachtete ihn aufmerksam.»Hier kann sie nicht bleiben, Sir.»

Keen wich aus.»Ich werde mit ihr reden. Es sei denn, Sie raten mir davon ab?»

«Keineswegs. «Der Arzt ging voran zum Krankenrevier.»Sie wei?, wo sie ist. Aber haben Sie bitte Geduld mit ihr.»

Keen trat ein und sah die junge Frau bauchlings unter einem Laken liegen. Sie schien zu schlafen, aber Keen merkte an ihren raschen Atemzugen, da? sie nur so tat. Als der Arzt das Laken wegzog, sah er, wie sich ihre Ruckenmuskulatur spannte.

Tuson meinte leise:»Die Wunde heilt, aber. «Er hob den losen Verband an, und Keen sah den tiefen Einschnitt, den die Peitsche hinterlassen hatte. Im Schein der Laterne wirkte die Narbe schwarz.

Tuson wies auf ihr langes, dunkelbraunes Haar; es war wirr und verfilzt, und als der Arzt es beruhrte, versteifte sie sich wieder.»Sie braucht ein Bad und frische Kleider«, sagte er.

«Sobald wir vor Anker gehen, schicke ich einen Leutnant hinuber zur Orontes. Irgendwelche Habseligkeiten mu? sie dort noch haben«, erwiderte Keen.

Seine Worte schienen sie wie ein Peitschenhieb zu treffen, denn sie drehte sich ruckartig um, bedeckte ihre Bruste mit dem Laken und schien die Blutstropfen, die unter dem Wundschorf hervortraten, nicht zu gewahren.

«Nein, bitte nicht! Bitte, bitte, nicht zuruck auf dieses Schiff!»

Keen reagierte verdutzt auf den Ausbruch. Diese junge Frau war trotz der Blutergusse und ihres zotteligen Haars fast eine Schonheit. Sie hatte kleine, wohlgeformte Hande und gro?e Augen, aus denen sie ihn flehend ansah.

«Nur ruhig, Kleine«, sagte er und streckte die Hand nach ihr aus, aber Tuson schuttelte rasch den Kopf.

«Das ist der Kapitan«, sagte der Arzt.»Er hat Sie vor der Auspeitschung bewahrt.»

Sie schaute in Keens besorgtes Gesicht und fragte:»Sie, Sir?«Es war kaum mehr als ein Flustern.»Sie waren das?»

Sie sprach mit weichem westenglischem Akzent. Keen konnte sich nicht vorstellen, weshalb sie vor Gericht gestellt und dann auf diesem schmutzigen Schiff mit anderen Straflingen in die Verbannung geschickt worden war.

«Ja. «Um ihn herum achzte und stohnte das Schiff, gelegentlich unterbrochen von einem lauten Krachen, wenn der Kiel in ein Wellental tauchte. Doch Keen war sich nur ihres Schweigens bewu?t, als stunde plotzlich die Zeit still.

Er horte sich fragen:»Wie hei?en Sie?»

Sie warf dem Arzt einen raschen Blick zu. Er nickte ermunternd.

«Carwithen. «Sie zog das Laken enger um sich, als Tuson den Verband wieder auflegte.»Woher stammen Sie?»

«Aus Lyme, Sir, in Dorset. «Sie hob das zierliche Kinn; Keen sah, da? es zitterte.»Aber geboren wurde ich in Corn-wall.»

«Dacht' ich mir's doch«, grunzte Tuson. Er richtete sich auf.»So, jetzt liegen Sie still, damit die Wunde nicht wieder aufplatzt. Ich lasse Ihnen was zu essen bringen. «Er wandte sich zur Tur und gab seinem wartenden Assistenten einen Wink.

Das Madchen schaute immer noch Keen an und flusterte heiser:»Sind Sie wirklich der Kapitan, Sir?«Keen merkte, da? sie im Begriff war, die Beherrschung zu verlieren. Er war mit zwei jungeren Schwestern aufgewachsen und kannte die Anzeichen. Bei Gott, sie hatte ja auch genug gelitten.

«Ja. «Er ging zur Tur und blieb stehen, als der Rumpf wegsackte und dann widerwillig seine achtzehnhundert Tonnen der nachsten Welle entgegenhob.

Das Madchen wandte den Blick nicht von seinem Gesicht.»Was werden Sie mit mir machen, Sir?«Ihre Augen glanzten. Wenn sie in Tranen ausbrach, durfte er nicht mehr da sein.

So fragte er rundheraus:»Wie hei?en Sie mit Vornamen?»

Das schien sie abzulenken.»Zenoria.»

Er wich zuruck.»Gut, Zenoria, folgen Sie den Anweisungen des Arztes. Ich werde dafur sorgen, da? Ihnen kein Leid geschieht.»

Er ging an dem Posten vorbei, ohne ihn eines Blickes zu wurdigen. Was hatte er da getan? Wie kam er dazu, ihr Versprechungen zu machen? Er kannte sie doch nicht einmal!

Als er die Stufen des ersten Niedergangs hocheilte, wu?te er die Antwort auf die beiden Fragen bereits: Es war der reine Wahnsinn. Ich bin wohl nicht bei Trost, dachte er.

Plotzlich war er froh, wieder den Himmel zu sehen.

Leutnant Hector Stayt beugte sich uber den Tisch und legte Bolitho eine weitere Ausfertigung seiner Befehle zur Unterschrift vor. Wenn sie endlich auf der Reede von Gibraltar vor Anker gingen, wurden die Dokumente an alle anderen Kommandanten weitergereicht werden. Das mochte noch zwei Tage dauern, wenn der Wind gunstig blieb, oder auch langer. Seit dem Vorfall auf der Orontes war eine lange, ereignislose Woche vergangen, doch nun steuerte das Geschwader nach Sudosten, und die spanische Kuste zwischen Cadiz und Algeciras war fur die scharfaugigsten Ausguckposten gerade noch sichtbar.

Bolitho uberflog Yovells runde Handschrift, ehe er seinen Namen daruntersetzte. Es waren gleichlautende Befehle, aber jeder Kommandant wurde sie bei der Lekture anders interpretieren.

Er dachte an Keen und ihren unerwarteten Passagier. Die franzosischen Schiffbauer hatten hinter der Kapitanskajute Platz fur einen zusatzlichen Kartenraum gelassen, der nun fur Zenoria Carwithen so behaglich wie moglich eingerichtet worden war. Eine Koje, ein Spiegel und saubere Laken aus der Messe hatten ihn verwandelt. Ozzard hatte sogar eine Kommode im Laderaum entdeckt und fur Zenoria aufgestellt. Wir durfen uns nicht zu sehr an ihre Anwesenheit gewohnen, dachte Bolitho. In Gibraltar mu? sie von Bord.

«Ich habe etwas uber dieses Madchen erfahren, Sir Richard«, sagte Stayt.

Es hatte nicht zum ersten Mal den Anschein, als habe der Flaggleutnant Bolithos Gedanken gelesen. Bolitho fand das enervierend.

«Ja?«Er schaute vom Kartentisch auf.

«Sie war an Krawallen beteiligt, die sich nicht weit vom Besitz meines Vaters ereigneten. Jemand wurde ermordet, ehe das Militar eintraf. «Er lachelte dunn.»Wie ublich zu spat.»

Bolitho schaute an ihm vorbei auf die beiden Degen am Schott. Einer so schimmernd und glanzend, der andere im Vergleich fast schabig.

Stayt interpretierte sein Schweigen als Interesse.»Ihr Vater wurde gehangt.»

Bolitho zog seine Taschenuhr hervor und klappte sie auf.»Zeit fur die Signalubung, Mr. Stayt. Ich komme gleich an Deck.»

Stayt ging. Er hatte einen federnden Gang, der gro?es Selbstvertrauen verriet. Bolitho runzelte die Stirn. Eingebildeter Fatzke.

Yovell trat an den Tisch und sammelte die Papiere ein. Dabei warf er Bolitho uber seine kleine Goldbrille hinweg einen Blick zu und sagte:»Ganz so hat es sich aber nicht ereignet, Sir Richard.»

Bolitho schaute ihn an.»Dann sagen Sie mir, wie es war.»

Yovell lachelte betrubt.»Carwithen war Drucker, Sir, ein guter sogar, wie ich horte. Einige Landarbeiter lie?en ihn Flugblatter drucken, Protestaufrufe gegen zwei Gutsbesitzer, die ihnen vorenthielten, was ihnen an Geld und Naturalien zustand. Dem Vernehmen nach war Carwithen ein Feuerkopf, der seine Meinung frei heraussagte, besonders wenn anderen Unrecht geschah. «Er wurde rot, aber Bolitho nickte.

«Keine Angst, Mann, sprechen Sie.»

Seltsam, da? ausgerechnet Yovell Bescheid wu?te. Wenn er an Land war, wohnte er in Bolithos Haus, aber da er aus Devon stammte, galt er bei den Einheimischen als Zugereister. Trotzdem schien er immer zu wissen, was vorging.

«Da Carwithens Frau kurz zuvor gestorben war, schickte man das Madchen nach seinem Tod aus der Grafschaft weg.»