Donner unter der Kimm: Admiral Bolitho und das Tribunal von Malta - Kent Alexander. Страница 2

Es war Ebbe, und er sah einen alten Mann am Kiesstrand Treibholz sammeln. Der Mann schaute auf und die beiden Offiziere direkt an. Sie hatten in der Tat Bruder sein konnen mit ihrem schwarzen Haar und dem festen Blick ihrer grauen Augen. Adam trug die Haare nach neuer Mode kurz, Bolitho hatte den Zopf beibehalten.

Der Mann am Strand deutete einen Salut an, und Bolitho nickte. Ein letztes Lebewohl.

«Tu jeden Schritt mit Bedacht, Adam«, sagte er.»Wenn du diesmal nicht in Schwierigkeiten kommst, gibt man dir als nachstes eine Fregatte.»

Adam lachelte.»Ich segle mit deinen Depeschen nach Gibraltar, Onkel. Danach hange ich sowieso an den Schurzenbandern der Flotte.»

Bolitho erwiderte sein Lacheln. Ihm war, als sahe er sich selbst als jungen Draufganger.»Schurzenbander sind dehnbar. «Er druckte ihn an sich, ohne sich um die strammstehenden Seesoldaten und zusehenden Bootsgasten zu kummern. Wie zu sich selbst sagte er:»Gott sei mit dir.»

Und dann, als Adam seinen neuen, goldbetre?ten Hut abnahm und sich das rabenschwarze Haar vom Wind zausen lie?, hastete Bolitho die Stufen hinunter. Er nickte dem Leutnant im Boot zu. Das war ein Gesicht aus der jungeren Vergangenheit, fruher Midshipman auf der Achates.

«Guten Tag, Mr. Valancey. Bei diesem Wind werden sich die Manner tuchtig in die Riemen legen mussen.»

Er sah den jungen Mann vor Freude erroten, weil er seinen Namen nicht vergessen hatte. Jedes Bindeglied war nutzlich.

Noch einmal winkte er Adam zu, als seine elegante grune Barkasse, deren Riemen sich hoben und senkten wie Flugel, vom Ufer ablegte.

Mit ungebuhrlicher Hast hielt nun die kleine Gig auf die Stufen zu; als sie um das Heck eines verankerten Truppentransporters bogen, kam der Kai au?er Sicht.

Drau?en lagen viele Schiffe vor Anker, deren schwarze, gelbbraun abgesetzte Rumpfe in Regen und Gischt stumpf schimmerten. Die Isle of Wight jenseits von ihnen war kaum mehr als ein dunstiger Hocker.

Der Leutnant hustete nervos.»Die Fregatte dort druben ist die Barracouta, Sir. «Er zuckte zusammen, als Bolithos Blick ihn streifte. Die Fregatte mu?te erst morgens vor Anker gegangen sein, denn man hatte ihn uber ihr Eintreffen noch nicht informiert. Sie sollte unter Jeremy Lapish zu seinem neuen Geschwader gehoren. Es war vernunftig von dem Leutnant, ihn darauf aufmerksam zu machen.

«Ihre Dienststellung?«fragte Bolitho.

«Sechster Offizier, Sir. «Also gerade eine Stufe uber dem Kadettenlogis.

Hogg stie? einen unterdruckten Fluch aus und fauchte:»Halt!«Die Ruderblatter schwebten triefend uber dem Wasser, wahrend Hogg sich gegen die Pinne stemmte. Eine Barkasse lief ihnen direkt vor den Bug, so mit Menschen uberladen, da? sie fast uberspult wurde.

Hogg sah den jungen Leutnant an und legte, als der stumm blieb, die Hande um den Mund und brullte:»Platz da fur einen Offizier des Konigs!»

Jemand winkte, und die Barkasse drehte in Richtung einiger Truppentransporter ab.

Bolitho fiel unter den Passagieren eine junge Frau auf, deren Kopf und Schultern Wind und Gischt ungeschutzt ausgesetzt waren. Sie drehte sich nach dem Rufer um, und Bolithos Blick traf den ihren uber funfzehn Meter aufgewuhltes Wasser hinweg. Dann fiel sein Blick auf ihre Hand, die das Dollbord packte. Sie war angekettet.

«Wer sind diese Leute?«fragte er leise.

Hogg gab behutsam dem Druck der Pinne nach, noch immer aufgebracht, da? so etwas unter den Augen seines Admirals geschehen konnte.

«Straflinge, Sir«, erwiderte er rauh.

Bolitho sah weg. Vermutlich auf dem Weg zur Strafkolo — nie Botany Bay in Australien. Was hatte sie wohl verbrochen?

«Klar zum Einhaken, Buggast!«Hogg schatzte die letzte Kabellange sehr sorgfaltig ab.

Als die Barkasse um einen Zweidecker bog, erblickte Bo-litho endlich die hohen Masten der Argonaute. Ein schones Schiff, das mu?te er zugeben, mit glanzendem neuem Anstrich und einer riesigen Kriegsflagge, die ihm zum Willkomm an der Poop flatterte. Sie hatte elegante, anmutige Linien und war, wie Bolitho aus eigener schlimmer Erfahrung wu?te, ein vorzuglicher Segler. Ihr Huttendeck war langer als bei den englischen Linienschiffen, doch sonst unterschied sie sich kaum von den anderen Zweideckern mit vierundsiebzig Geschutzen, die das Ruckgrat der Flotte bildeten.

Doch als sie naherkamen, entdeckte Bolitho kleine Unterschiede: Der vollere Bug mit dem steilen Spriet, die fast extravagant wirkende vergoldete Heckgalerie. Es fiel schwer, sich ihr Deck voller Blutlachen vorzustellen, und doch waren viele gute Leute damals und auch noch auf der Ruckfahrt nach Plymouth gestorben. Die Werft hatte an ihr wahre Wunder bewirkt. Mehrere Male war Bolitho versucht gewesen, sich sein neues Flaggschiff wahrend der Neuausrustung und Reparatur anzusehen, hatte sich aber ferngehalten. Keen hatte sich wohl kaum gefreut, seinen Admiral inmitten des Wirrwarrs an Bord begru?en zu mussen.

Bolitho warf sich den Umhang von den Schultern, wodurch die schimmernden Epauletten mit je zwei silbernen Sternen sichtbar wurden: Vice-Admiral-of-the-Red, {Abteilung der alten britischen Kriegsmarine, mit roter Nationalflagge} abgesehen von Nelson der jungste der Navy. Noch hatte er sich daran nicht gewohnt — auch nicht an den Adelstitel, uber den sich alle so gefreut hatten, der ihm aber eher peinlich war. Weitere Bilder glitten vor seinem inneren Auge vorbei, als er das Schiff beobachtete und den alten Degen zwischen die Knie klemmte: London mit seinen bunten Livreen und dienernden Lakaien. Das plotzliche Schweigen, als er vor Seiner Britannischen Majestat niederkniete, die federleichte Beruhrung des Schwerts auf seiner Schulter: Sir Richard Bolitho of Falmouth. Gewi? doch ein stolzer Augenblick? Belinda hatte so glucklich ausgesehen. Adam und Allday strahlten wie Schulkinder. Und doch…

Er sah eine Gruppe von Gestalten an der Pforte warten, das Blau und Wei? der Offiziere, das Scharlachrot der Seesoldaten. Seine Welt. Man wurde genau auf jede seiner Bewegungen achten. Normalerweise ware Allday zur Hand gewesen, um dafur zu sorgen, da? er nicht das Gleichgewicht verlor oder uber seinen Degen stolperte. Nach allem, was sie gemeinsam durchgestanden hatten, war der Gedanke, jemals ohne Allday fahren zu mussen, unvorstellbar. Aber er wurde an Bord sein, ehe das Schiff Anker lichtete.

Leutnant Valancey trat zur Seite, als Bolitho abwartete, bis die Barkasse an der bauchigen Flanke der Argonaute aufwartsschwang. Dann sprang er hinuber und stieg die Jakobsleiter zur Pforte hoch; Musketen wurden prasentiert, Trommeln ratterten, und die Pfeifen stimmten das» Hearts of Oak«{»Herzen aus Eiche«, alte Marineweise} an.

Da stand der blonde Keen und nahm seinen Hut genau in dem Augenblick ab, als Bolithos Flagge im Vormasttopp gesetzt wurde.

«Willkommen, Sir Richard. «Keen lachelte und merkte nicht, da? die Begru?ung Bolitho unvorbereitet getroffen hatte. Dem Admiral klang es, als sei jemand anderer angeredet worden.

Bolitho nickte den versammelten Offizieren und der Wache zu. Wenn er erwartet hatte, noch Spuren des Gefechts zu sehen, wurde er nun enttauscht: frisch gestrichene Planken, geteerte Takelage, sauberlich aufgetuchte Segel, und die Ketten und Taljen der Achtzehnpfunder des Oberdecks so perfekt ausgerichtet wie zur Parade.

Er schaute das Deck entlang und durch das Kreuzmuster aus stehendem und laufendem Gut in die Hohe. Er sah die wei?e Schulter der Galionsfigur, die einen Knaben aus der Mannschaft von Jasons mythischer Argo darstellen sollte. Erst vor knapp drei Jahren war Argonaute in Brest von Stapel gelaufen; ein vergleichsweise neues Schiff also, mit einer Sollbesatzung von sechshundertzwanzig Offizieren, Matrosen und Seesoldaten. Bolitho bezweifelte indes, da? es selbst dem einfallsreichen Keen gelungen war, so viele Manner zusammenzubringen.

Sie gingen unter dem Huttendeck nach achtern. Die Erbauer hatten es langer als auf vergleichbaren englischen Schiffen gehalten und den Offizieren dadurch geraumigere Unterkunfte gegeben. Vorm Gefecht jedoch machte man wie auf jedem anderen Kriegsschiff die Decks vom Bug bis zum Heck von Zwischenwanden frei, damit jedes Geschutz, gro? oder klein, ungehindert bedient werden konnte.