Donner unter der Kimm: Admiral Bolitho und das Tribunal von Malta - Kent Alexander. Страница 47

Herrick erklarte knapp:»Die Sitzung des Untersuchungsausschusses der Admiralitat ist hiermit eroffnet. Wer schriftlich vom Gegenstand der Ermittlungen in Kenntnis gesetzt wurde, wird hier Fragen zu beantworten haben. Es werden zwar auch schriftliche Aussagen verwandt, doch der Ausschu? ist vorwiegend zusammengetreten, um personlich das Verhalten von Kapitan Valentine Keen von Seiner Britannischen Majestat Linienschiff Argonaute zu den erwahnten Zeiten zu klaren.»

Nun schaute er zum ersten Mal Keen an.»Bitte nehmen Sie Platz. Sie stehen hier nicht vor Gericht.»

Bolitho schaute zu Kapitan Jerram hinuber. Dessen Miene sagte eindeutig: noch nicht.

Jerram wandte sich den Zuschauern zu, einige Akten lose in den knochigen Fingern. Ubertrieben laut beschrieb er das Auslaufen des Geschwaders von Spithead und sein spateres Zusammentreffen mit dem Straflingsschiff Orontes.

«Angeblich wurde mehrmals der Versuch unternommen, dieses Schiff, das nicht steuerfahig war, in Schlepp zu nehmen. Aus unerfindlichen Grunden beschlo? man schlie?lich auf dem Flaggschiff des Geschwaders, das beschadigte Schiff zu kontrollieren, obwohl die Helicon«- er schaute schnell in sein Konzept —»unter Kapitan Inch bereits erfolgreich Hilfe geleistet hatte.»

«Der Grund dafur war. «begann Keen.

Herrick klopfte auf den Tisch.»Spater, Kapitan Keen.»

Bolitho musterte Herrick. Er fuhlte sich in seiner Rolle unwohl, aber sein Tonfall verriet das nicht.

«Kurz darauf begab sich Kapitan Keen personlich auf die Orontes.«Jerram sah Keen scharf an, als erwartete er Widerspruch.»Und nun wird das Verhalten des Kapitans zum Gegenstand dieses Verfahrens, wenn nicht spater sogar ein Fall furs Kriegsgericht.»

In der Kajute hatte man eine Stecknadel fallen horen konnen. Selbst das Schiff war ungewohnlich still; man vernahm nur das Achzen der Balken und das Lecken des Wassers unterm Heck.

Der Ehrenwerte Sir Hedworth Jerram erklarte auf seine prazise Art:»Denn der — Kapitan Keen entfernte eine Frau, die nach New South Wales in die Verbannung gebracht werden sollte, von diesem Schiff.»

Bolitho ballte die Fauste. Fast hatte Jerram Keen als» den Angeklagten «bezeichnet.

«Der Schiffsarzt der Argonaute ist anwesend. Bitte erheben Sie sich.»

Tuson, dessen wei?es Haar im starken Kontrast zu seinem einfarbig blauen Rock stand, uberragte alle anderen.

«Wurde die fragliche Frau bestraft?«fragte Jerram.

Tuson musterte ihn duster.»Jawohl, Sir, sie wurde geschlagen. Ausgepeitscht, Sir.»

«Bestraft«, schnappte Jerram.»Wie schwer waren ihre Verletzungen?»

Tuson beschrieb in seinem ublichen gelassenen Tonfall die Wunde auf dem Rucken des Madchens. Wer in ihm einen durchschnittlichen Schiffsdoktor erwartet hatte, wurde bald eines besseren belehrt werden.

«In Lebensgefahr schwebte sie aber nicht?«beharrte Jer-ram.

Tuson starrte ihn an.»Wenn man sie auf dieses Schiff zuruckgebracht hatte…«»Bitte beantworten Sie meine Frage.«»Nein, Sir, aber.»

«Setzen Sie sich. «Jerram tupfte sich mit einem Taschentuch den Mund ab.

Bolitho sah sich Keens Profil an. Der Mann wirkte unter der Sonnenbraune bleich. Und verbittert.

Als nachster wurde Stayt aufgerufen. Da es sich nur um einen Untersuchungsausschu? und kein Gericht handelte, konnte Jerram fragen, was er wollte. Ein Kreuzverhor war nicht zugelassen.

«Was geschah, als Sie die Orontes betraten, Leutnant Stayt?»

Stayt begann:»Die Mannschaft war undiszipliniert und betrunken.«»Wer sagte das?»

«Zu dieser Schlu?folgerung gelangte ich selbst.»

«Ich will uber Ihre Impertinenz hinweggehen. «Jerram fugte hinzu:»Anscheinend lief gerade eine Bestrafung ab. «Ehe Stayt antworten konnte, sagte er scharf:»Und Sie erhielten Befehl, den Ausfuhrenden zu erschie?en, wenn er weitermachte? Ist das korrekt?»

«Die Situation war gefahrlich, Sir Hedworth«, sagte Stayt hitzig.»Wir waren ohne Unterstutzung.»

«Und, wie es den Anschein hat, auch ohne zuverlassige Zeugen, oder?«Nickend gab sich Jerram selbst die Antwort.»Setzen Sie sich.»

Er schaute kurz in seine Unterlagen, doch Bolitho hatte das Gefuhl, da? er jede Einzelheit auswendig wu?te.

Das Verfahren wirkte korrekt, doch ohne Erwahnung dessen, was sich zuvor und seitdem zugetragen hatte — Verlust der Supreme, Verwundung des Vizeadmirals —, und ohne Keens Version des Vorfalls ergaben die Aussagen keinen Sinn. Laut Dienstvorschrift sollte der Ausschu? Tatsachen feststellen, doch hier wurden viele Fakten unterdruckt.

Jerram fuhr fort:»Jedenfalls unterblieb der Versuch, die Frau zuruck auf den Transporter zu bringen. Der Kapitan der Orontes wurde vor seiner Mannschaft gedemutigt. «Er ging mit vernehmlichen Schritten ans andere Ende des Tisches.»In Gibraltar wurden die anderen Frauen ausgebootet, doch die Gefangene blieb unter Kapitan Keens >Fursor-ge< an Bord.»

Im Hintergrund kicherte jemand.

«Mehr noch: Eine Negerin wurde an Bord genommen, um der Strafgefangenen als Zofe zu dienen. «Sein goldbetre?ter Armel scho? vor.»Bitte stehen Sie auf, Kapitan Keen! Bestreiten Sie diese Tatsachen? Leugnen Sie, eine Strafgefangene fur Ihre eigenen Zwecke, uber die wir hier nur Vermutungen anstellen konnen, von Orontes entfernt zu haben?»

Keen erwiderte bitter:»Ich holte sie von diesem Schiff, weil sie dort wie ein Tier behandelt wurde!»

«Und das regte Sie, einen Offizier des Konigs, machtig auf!»

Bolitho sprang auf.

Herrick schaute ihn an, nahm anscheinend zum ersten Mal von ihm Notiz.»Ja, Sir Richard?»

«Wie kann es dieser Offizier wagen, meinen Flaggkapitan zu verhohnen? Ich werde keine weitere Beleidigung dulden, ist das klar?»

«Hochst unorthodox«, bemerkte Jerram und warf Laforey einen Blick zu.

Laforey grunzte.»Ach was, machen wir weiter. Sagen Sie Ihren Vers auf, Sir Richard, wenn's unbedingt sein mu?. Wie ich hore, sind Sie ein Hitzkopf.»

Diese Bemerkung, wenngleich unbeabsichtigt, schien der Konfrontation die Scharfe zu nehmen.

Bolitho fuhr ruhiger fort:»Kapitan Keen ist ein guter und tapferer Offizier. «Er drehte sich um und zeigte ihnen den goldenen Orden auf seiner Brust, den auch Nelson mit Stolz trug.»Zu meinem Flaggkapitan wahlte ich ihn wegen seiner Verdienste und weil ich ihn personlich kenne. «Er spurte, wie Jerrams Selbstvertrauen zuruckkehrte. Jerram wurde gleich darauf hinweisen, da? solche Kriterien bei der Wahl eines Flaggkapitans belanglos waren. Sofern er zu Wort kam. Bolitho war ein geschickter Fechter, dafur hatte sein Vater gesorgt. Keine andere Waffe wu?te er so gut zu gebrauchen. Er hatte nun das Gefuhl, ein Duell auszufechten: Lasse den Gegner die Kraft deines Armes prufen, tausche ihn und sto?e zu, wenn er aus dem Gleichgewicht ist.

Laforey sagte:»Wir brauchen die Gefangene doch nur wieder in Gewahrsam zu nehmen. Kapitan Keen kann sich fur sein Verhalten spater verantworten. Immerhin stehen wir im Krieg, Gentlemen.»

Wie in der Schlacht spurte Bolitho einen eiskalten Schauer im Rucken.»Warum befragen Sie mich eigentlich nicht, Sir Hedworth?»

Jerram starrte ihn einige Sekunden lang finster an.»Meinetwegen, Sir Richard. Offenbar mussen wir hier Zeit vergeuden. Wo ist die Gefangene?»

«Vielen Dank, Sir. «Bolithos linkes Auge brannte, und er hoffte, es wurde ihn nicht ausgerechnet jetzt im Stich lassen.»Sie ist unter meinem Schutz nach England zuruckgekehrt. Ich habe ihre Uberfahrt bezahlt und werde die Rechnung vorlegen, falls Sie beabsichtigen, auch mich vor ein Kriegsgericht zu stellen. Kapitan Keen brachte sie auf meinen Befehl hin von der Orontes aufs Flaggschiff. Glauben Sie etwa, ein Flaggkapitan konne ohne Zustimmung seines Ad-mirals handeln?«Er sah Keen kurz ins Gesicht.»Ich gab meine Zustimmung. «Dann sprach er weiter:»Die junge Frau war unschuldig in die Verbannung geschickt worden, und das werde ich auch beweisen, Sir Hedworth, vor einem Gericht, das weit glaubwurdiger ist als diese Scharade hier! Woher wollen Sie wissen, was der Kapitan der Orontes sagte oder nicht sagte? Der Mann ist ja schon auf halbem Weg nach New South Wales!«Sein Ton wurde scharfer.»Sie werden die Wahrheit erfahren, Gentlemen, wenn die Beweise vorgelegt werden, darauf konnen Sie sich verlassen. Dann werden Sie sehen, was neidische, ehrlose Manner aus Rachsucht fertigbringen!»