Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander. Страница 16

Ein leichtes Klopfen an der Lamellentur kundigte Keen an, dem beim Eintreten Bolithos unberuhrter Teller nicht entging.

«Die amerikanischen Fregatten gehen ankerauf, Sir.»

Bolitho nickte.»Ja. Nur die Franzosen bleiben noch hier.»

Keen zogerte.»Meiner Ansicht nach, Sir«, sagte er dann,»sollte uns ein weiteres Kurierschiff zur Verfugung gestellt werden.»

«Sie machen sich also auch Gedanken wegen Sparrowhawk

Keen zog die Schultern hoch.»Ja, allerdings. Da wir nicht einmal uber eine kleine Brigg verfugen, sind wir taub und blind fur alles, was sich au?erhalb dieses Hafens abspielt.»

Yovell, der Sekretar, stand unschlussig im Turrahmen.»Verzeihung, Sir, aber diese Papiere benotigen Ihre Unterschrift.»

Bolitho mu?te plotzlich an seinen Neffen denken. Adam hatte um Erlaubnis ersucht, Chases Nichte Robina nach Newburyport begleiten zu durfen. Jetzt beneidete er ihn um seine Freiheit; Adam wenigstens blieben dieses endlose Warten und die nagende Ungewi?heit erspart. In den letzten Tagen hatten er wie auch Allday unter Bolithos Gereiztheit zu leiden gehabt.

Schnell uberflog er, was Yovell geschrieben hatte, und setzte seine Unterschrift darunter. Kein Wunder, da? uber den Papierberg in der Admiralitat bittere Witze gerissen wurden. Wer konnte diese Flut von Berichten auch jemals lesen?

Bolitho fa?te einen Entschlu?.»Ich unternehme noch einen letzten Versuch, die Angelegenheit San Felipe mit den Amerikanern zu besprechen. Danach brechen wir auf und segeln zu der Insel, ob die Sparrowhawk nun eingetroffen ist oder nicht. Falls Sie den Kapitan eines Handelsschiffes uberreden konnen, senden Sie bitte diskret mit ihm Nachricht nach Antigua. Dort sollte der Admiral von English Harbour uber unser Vorhaben unterrichtet werden. Und wenn ich Ihrer Depesche ein, zwei Satze hinzufuge, schaffen wir es vielleicht, ihm eine Brigg abzuluchsen.»

Ozzard trat ein und raumte wortlos das Tablett ab; nur ein vorwurfsvoller Blick verriet, was er uber diese Verschwendung dachte.

«Erwarten Sie etwa, da? uns die Amerikaner einen Strich durch die Rechnung machen, Sir?«fragte Keen.

Bolitho schuttelte den Kopf.»Sie meinen, mit diesen Fregatten? Nein, das ware unklug. Sie werden Mi?billigung au?ern, sich aber mit der Zuschauerrolle begnugen.»

Der Erste Offizier trat mit eingezogenem Kopf uber die Schwelle.»Bitte um Vergebung wegen der Storung, Sir, aber Mr. Chases Barkasse halt auf uns zu. Er hat auch den anderen Gentleman dabei.»

Bolitho und Keen wechselten Blicke.

Dann sagte Bolitho leise:»Endlich beehrt uns Mr. Fane, der Gesandte des Prasidenten, in eigener Person. Nun konnen wir vielleicht reinen Tisch machen.»

Grinsend griff Keen nach seinem Hut.»Ehrenwache vollzahlig antreten lassen, Mr. Quantock! Wenn es Zunder gibt, dann soll's nicht an uns liegen.»

Allday kam aus dem Nebenraum getrottet und warf einen Blick zum Schott, wo Bolithos Sabel hingen. Nach kurzem Zogern nahm er die goldglanzende Prunkwaffe herunter, die Bolitho nach der Schlacht bei Abukir verliehen worden war. Dem alten, abgewetzten Familiensabel gab er einen liebevollen Klaps und murmelte:»Du kommst auch noch dran — spater.»

Bolitho hob die Arme, damit Allday den glitzernden Ehrensabel an seinen Gurtel schnallen konnte. Allday hatte recht. Der alte Sabel war fur die Schlacht, das Prunkstuck furs Reprasentieren.

Rund zwolfhundert Meilen sudlich der Stelle, wo Bolitho mit muhsam beherrschter Ungeduld Mr. Samuel Fanes Besuch erwartete, lag Seiner Britannischen Majestat Fregatte Sparrowhawk reglos unter der blendenden Sonne. Vor ihrem Bug muhten sich zwei ihrer Boote lustlos ab, das Mutterschiff an Schleppleinen in Fahrt zu bringen, damit wenigstens Ruderwirkung erhalten blieb, wenn sie schon jede Hoffnung auf Wind verloren hatten.

Seit drei Tagen lagen sie in einer Totenflaute, die sie festhielt, nachdem sie San Felipe verlassen hatten. Ihr Auftrag dort war nur zum Teil erfullt.

Mit gerunzelter Stirn sa? Kapitan Duncan an seinem Schreibtisch und fugte einen weiteren Absatz an seinen ohnehin schon langen Brief. Er schrieb an seine Frau — wie die meisten verheirateten Marineoffiziere mit ahnlicher Regelma?igkeit, wie er sein personliches

Logbuch fuhrte. Er wu?te weder, wann er diesen Brief beenden, noch welchem Schiff er ihn mitgeben wurde.

Trotz seiner Schroffheit hing Duncan sehr an seiner Frau und ging zart mit ihr um. Sie waren jetzt zwei Jahre verheiratet, hatten aber insgesamt kaum einen Monat miteinander verbracht. Er haderte deshalb nicht mit dem Schicksal, denn solche Opfer mu?te bringen, wer sich der Kriegsmarine verschrieb. Duncan war gerade erst 27 Jahre geworden und schon Fregattenkapitan. Und wenn er diesen Posten unter Bolitho behielt, konnte nichts — Friede hin oder her — seinen weiteren Aufstieg verhindern.

Wie viele seiner Zeitgenossen glaubte Duncan nicht an einen dauerhaften Frieden. Er hatte sich bereits in drei gro?eren Seeschlachten ausgezeichnet und war auch in kleineren Gefechten erfolgreich gewesen, im Kampf Schiff gegen Schiff, dem ureigensten Element jedes guten Fregattenkapitans.

Bolitho galt seine uneingeschrankte Verehrung. Er bewunderte ihn nicht so sehr wegen seines Mutes und seiner Geschicklichkeit — beides hielt er eher fur selbstverstandlich — , sondern mehr noch fur seine Anteilnahme am Schicksal der ihm Unterstellten. Obwohl er es nicht einmal sich selbst eingestand, versuchte Kapitan Duncan, Bolitho in allem nachzueifern.

Daher auch sein unzufriedenes Stirnrunzeln. Denn sein Besuch in San Felipe war kein Erfolg gewesen. Gouverneur Sir Humphrey Rivers hatte ihn abgefertigt wie einen grunen Rekruten, statt ihn zu behandeln, wie es einem Kriegsschiffkommandanten und Abgesandten Bolithos zukam.

Duncan verstand eben eine Menge von der Seefahrt, aber nichts von Mannern wie Rivers.

Gleich bei ihrer ersten Begegnung hatte Rivers die Beherrschung verloren. Sie standen in seinem mitten in einer bluhenden Plantage gelegenen Herrenhaus, und Rivers schrie Duncan an:»Da drau?en neben dem Hafen liegt ein Friedhof, Kapitan! Er ist voller tapferer Manner, die ihr Leben fur diese Insel gelassen haben! Ich denke nicht daran, ihr Andenken zu verraten und alles hier den Franzosen auszuliefern. Verdammt will ich sein, wenn ich das tue!»

Insgeheim pflichtete Duncan ihm ja bei, aber er war zu sehr daran gewohnt, seinen Befehlen zu gehorchen. Au?erdem war ihm der Mann zuwider, er hielt ihn fur ein arrogantes Schwein.

Bolitho wurde es nicht gerade freuen, da? er mit leeren Handen kam. Wenn Rivers sich weigerte, die zwischen England und Frankreich geschlossene Vereinbarung zu erfullen, mochte er sich unversehens vor der Anklage des Hochverrats oder der Meuterei sehen — oder womit die Regierung sonst unbotma?ige Gouverneure zur Rason brachte. Mit einem erneuten Stirnrunzeln begann Duncan wieder zu schreiben.

Da hob sich das Deck unter seinen Fu?en, und von einem Nebentisch fiel klappernd der Stechzirkel zu Boden.

Als Duncan aufsprang, spurte er, wie das Schiff unter ihm langsam wieder zum Leben erwachte.

Er eilte an Deck, wo sein Erster Offizier und der Segelmeister hoffnungsvoll zu den schlaffen Segeln emporstarrten, mit denen ein erstes zartes Luftchen zu spielen begann.

Duncan wischte sich den Schwei? aus den Augen. Viel war das nicht, aber immerhin.

«Mr. Palmer! Rufen Sie die Boote zuruck und lassen Sie sie wieder einsetzen. Und dann alle Mann an Deck zum Segelmanover!«Er schlug dem Leutnant auf die Schulter und fugte hinzu:»Hol's der Teufel, Mr. Palmer, aber vielleicht haben wir jetzt die langste Zeit hier geschmort.»

Mit ein paar Schritten war Duncan am Schanzkleid und packte den sonnenwarmen Handlauf mit seinen machtigen Pranken. Er sah zu, wie das erste Boot die Schleppleine loswarf und dankbar zum Schiff zuruckpullte, obwohl die erschopften Bootsgasten kaum noch die Riemen heben konnten.