Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander. Страница 59

Bolitho ging in seinen Schlafraum und packte das Fu?brett seiner Koje, in der Allday beinahe gestorben ware. Dann wartete er ab, bis das Deck sich wieder zu heben begann, und hievte sich voll angekleidet auf sein Lager.

Es war ihm verha?t, so am Rande des Geschehens bleiben zu mussen, wenn das Schiff seinen Kampf mit dem naturgegebenen Feind austrug. Sich bei dieser Gelegenheit kaum wichtiger als ein Passagier zu fuhlen, war ein Aspekt seines Admiralsranges, mit dem er sich nur schwer abfand.

Trotzdem blieb er angekleidet und lie? nur die Schuhe zu Boden poltern. Den Schatten, die in einem makabren Tanz uber Schotten und Decke huschten, zog er eine Grimasse. Ob nun Passagier oder nicht, wenn das Schiff unterging, sollte die Besatzung ihren Admiral nicht in Unterhosen sehen.

Aber in dieser Nacht verausgabte der Sturm seine Kraft; gegen Morgen drehte der Wind, obwohl immer noch sehr stark, nach Suden, so da? Keen mehr Segel setzen lassen konnte und seine Manner sich an die Beseitigung der Sturmschaden machten. In den Zwischendecks wurde gepumpt, getrocknet und aufgeklart, und als zum Fruhstuck gepfiffen wurde, stie? der Kombusenschornstein wieder seine ublichen, fettig schwarzen Ru?wolken aus.

Bolitho sa? am Tisch, trank dampfenden Kaffee und kaute auf dunnen Schweinefleischscheiben, die in Zwiebackkrumeln hellbraun gerostet waren. Auf See war das eines seiner Lieblingsgerichte, und niemand konnte es besser zubereiten als Ozzard.

Trotz des ungunstigen Wetters und ihrer dadurch bedingten Verzogerung sollten sie Kap Lizard, die Sudwestspitze Englands, in vierzehn Tagen in Sicht bekommen.

Es uberraschte ihn selbst, da? er sich bei diesem Gedanken so unsicher, so nervos fuhlte. Voraus lag alles, wonach er sich gesehnt, was er sich erhofft hatte, und trotzdem war ihm zumute wie einem schuchternen Seekadetten.

Er erhob sich und trat vor den Spiegel, der uber seinem Schreibpult hing. Schlie?lich war er um ein Jahr alter geworden. Die Strahne, die uber sein rechtes Auge fiel und die tiefe Narbe verdeckte, war zwar noch rabenschwarz, aber trotzdem argwohnte er, da? irgendwo graue Haare sein mu?ten. Er zuckte die Schultern. Immerhin war er der jungste Vizeadmiral der britischen Marine — wenn man von Old Nel absah, naturlich.

Aber auch das war ihm kein Trost. Er hatte 46 Jahre auf dem Buckel und eine um zehn Jahre jungere Frau. Angenommen.

Fast dankbar fuhr Bolitho herum, als Keens Eintreten ihn aus seinen Gedanken ri?.

«Nehmen Sie sich Kaffee, Val, wenn. «Jetzt fiel ihm Keens grimmige Miene auf, und er fragte:»Probleme?»

Keen nickte.»Der Ausguck hat Wrackteile gesichtet, Sir, in Nordost«, berichtete er.»Wahrscheinlich ein Opfer des letzten Sturms.»

«Moglich. «Bolitho schlupfte in seinen ausgeblichenen Dienstrock.»Doch nicht die Kurierbrigg, die vor uns ausgelaufen ist?»

«Nein, Sir. So weit konnte sie nicht getrieben sein. «Gespannt beobachtete Keen seinen Admiral.»Wenn wir uber Stag gehen, um die Wrackteile zu untersuchen, verlieren wir wertvolle Zeit, Sir.»

Bolitho bi? sich auf die Lippen. Er hatte schon einmal ein treibendes Boot gefunden, in dem nur noch ein Mann am Leben gewesen war, umgeben von lauter Leichen. Auch dachte er an den kleinen Evans in seinem Kutter, mit Verwundeten und Toten als Bordkameraden. Wie fuhlte man sich als letzter Uberlebender?

Er sagte:»Es gibt immer noch eine Hoffnung, Val. Andern Sie Kurs und lassen Sie ein Boot aussetzen, wenn wir nahe genug sind.»

Eine Stunde spater, als Achates unter verringerter Segelflache unruhig hoch am Wind lag, pullte das gro?e Seitenboot hastig auf die Stelle zu, wo ein Teppich dunkler Wrackteile im Wasser trieb.

Bolitho stand mit einem Teleskop auf dem Huttendeck und studierte die klaglichen Uberreste, auf die Achates' Bugspriet zeigte. Ein gro?es Schiff konnte es nicht gewesen sein, uberlegte er. Wahrscheinlich hatte eine von achtern kommende Monstersee sein ungeschutztes Heck so unter Wassermassen begraben, da? es sich nicht mehr aufrichten konnte.

Keen lie? sein Glas sinken.»Dort ist ein Boot, Sir!»

Bolitho schwenkte sein Fernrohr in die angezeigte Richtung und starrte zu dem halb uberspulten, mit Schlagseite im Wasser liegenden Ding hinuber, das einst eine Barkasse gewesen war.

«Mit Uberlebenden«, rief Keen.»Zwei jedenfalls.»

Leutnant Scott, der Achates' Seitenboot befehligte, trieb seine Ruderganger bereits zu noch gro?erer Anstrengung an; auch er hatte die Schiffbruchigen gesichtet.

Bolitho horte Tyrrells Holzbein auf den Planken hinter sich und fragte:»Was halten Sie davon, Jethro?»

Tyrrell mu?te keinen Augenblick uberlegen.»Das ist ein Franzose. Oder war jedenfalls einer.»

Keen richtete sein Glas aus und sagte erregt:»Sie haben recht! Und au?erdem war's kein Handelsschiff.»

Bolitho sah den Arzt Tuson mit seinen Gehilfen an der Eingangspforte warten, wo ein Flaschenzug aufgeriggt worden war, mit dem die Schiffbruchigen an Bord gehievt werden sollten.»Wer spricht von uns am besten franzosisch?«fragte er.

Keen zogerte keinen Augenblick.»Mr. Mansel, der Zahlmeister. Er war vor dem Krieg Weinhandler.»

Bolitho mu?te lacheln. Er hatte es anders im Gedachtnis, namlich da? Mansel Schmuggler gewesen war.

«Gut, er soll sich bereithalten. Vielleicht erfahren wir, was hier passiert ist.»

Insgesamt retteten sie zehn Uberlebende. Der wilde Seegang hatte sie so lange geschunden und herumgesto?en, da? sie — fast blind und halb bewu?tlos — so weit von Land schon jede Hoffnung auf Rettung aufgegeben hatten. Ihr Schiff war die Brigg La Prudente gewesen, unterwegs von Lorient in Richtung Martinique. Eine See hatte ihren Kommandanten uber Bord gerissen; der Erste hatte es zwar noch geschafft, ein Boot auszusetzen, war aber dann von einem herabsturzenden Wrackteil erschlagen worden. Der Tote lag noch im Boot, sein Gesicht leuchtete gespenstisch wei? aus dem Wasser, das schon fast bis zum Dollbord stand.

Der Bootsmann rief:»Soll ich es treiben lassen, Sir?»

Aber Leutnant Scott griff nach einem Bootshaken und zog den toten Leutnant heran.

Die Schiffbruchigen mochten zu benommen und erschopft gewesen sein, als da? sie ihren toten Offizier hatten uber Bord werfen konnen. Bolitho sah zu, wie man sie nun zu einem Niedergang trug oder geleitete; sie schienen immer noch nicht zu begreifen, was mit ihnen geschah.

Keen meldete:»Mr. Scott hat etwas gefunden, Sir.»

Der tote Leutnant wurde gerade uber das Schanzkleid gehievt, Wasser flo? ihm aus Mund und Uniform, als er wie ein Gehenkter am Galgen pendelte, bis er auf das Seitendeck niedersank.

Scott kam nach achtern gelaufen und griff salutierend zum Hut.»Dies hier hatte er um seine Taille gebunden, Sir. Ich konnte es sehen, als das Boot rollte.»

Bolitho sah Keen an und kam sich vor wie ein Leichenfledderer. Arme und Beine gespreizt, lag der franzosische Leutnant auf dem Deck, das eine Augenlid halb geoffnet, als sei ihm das Licht zu hell.

Black Joe Langtry, der Schiffsprofos, breitete ein Stuck Segeltuch uber den Leichnam, zog ihm aber vorher noch eine Pistole aus dem Gurtel.

Keen sah die Adresse des Umschlags.»Wie vermutet: von Lorient nach Martinique«, sagte er.

Bolitho nickte. Er brauchte einige Zeit, bis er den dicken Leinenumschlag aufgerissen und die eindrucksvollen, scharlachroten Siegel erbrochen hatte. Dann reichte er den Inhalt an Mansel weiter.

Die Lippen des Zahlmeisters bewegten sich, wahrend er die gewahlten Wendungen der Depesche las, die an den kommandierenden Ad-miral der westindischen Flotte in Fort de France gerichtet war.

Kein Wunder, da? der Leutnant den Brief unter allen Umstanden hatte retten wollen.

Unter den beobachtenden Blicken wurde es dem Zahlmeister unbehaglich; er blickte auf und sagte:»Soweit ich es verstehe, Sir, steht hier, da? sofort nach Empfang dieser Depesche die Feindseligkeiten gegen England und seine uberseeischen Besitzungen wieder aufzunehmen sind.»