Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander. Страница 9
Quantocks scharfe Stimme schnitt in seine Uberlegungen.»Standard, das ist am wichtigsten, ein hoher Standard. Ich werde nicht zulassen, da? die Schiffsfuhrung durch Laxheit leidet.»
Rooke sah den neuen Kommandanten uber Deck herankommen. Einen anderen Offizier hatte er wahrscheinlich gewarnt, aber Quantock verubelte er immer noch seine Unbeherrschtheit.
«Obendrein.»
«Mr. Quantock. «Keen wartete, bis der Erste zu ihm trat, damit sie von den Wachgangern nicht gehort werden konnten.»Ich bewundere Ihre Pflichttreue. Trotzdem ware es mir lieber, wenn Sie Ihre Ansichten in Zukunft mir gegenuber au?ern wurden und nicht vor der ganzen Mannschaft!»
Bolitho hatte von der Poop aus das meiste mitbekommen und den
Rest erraten. Machte es wirklich einen so gro?en Unterschied, da? sie unter Admiralsflagge segelten? Selbst Keen schien gereizt zu sein; vielleicht bedauerte er schon seine Beforderung, die ihn in eine Sackgasse gefuhrt haben mochte.
Nein, daran lag es nicht, entschied Bolitho. Die Ungewi?heit war schuld. Das Vakuum, das der Friede fur die Marine bedeutete. Sie hatten sich zu sehr an den Kampf gewohnt, rechneten ungeduldig damit, und sein Ausbleiben wirkte wie ein Dampfer.
«An Deck! Segel in Luv voraus!»
Keen blickte nach oben und wandte sich dann mit fragender Miene zu Bolitho um. Ihr Verfolger blieb ihnen also weiter auf den Fersen, lauerte wie ein Attentater knapp au?er Sicht.
Vielleicht, dachte Bolitho, bekamen sie alle noch mehr Pulverrauch zu schmecken, als ihnen lieb war, obwohl die Unterschriften unter dem Friedensvertrag noch nicht lange getrocknet sein konnten. Mit neuer Zielstrebigkeit nahm er seinen Spaziergang wieder auf, als wolle er uberschussige Kraft verbrauchen.
Er machte sich Vorwurfe, da? seine Phantasie mit ihm durchgegangen war. Nicht die Mannschaft, er selbst gierte nach Abwechslung, nach einem Zwischenfall, der ihn davon ablenken konnte, da? erbarmungslos ein Tag nach dem anderen verstrich.
Achates wurde immer noch Richtung Boston unterwegs sein, wenn Belindas schwere Stunde nahte. Er kam sich vor wie in einer Falle, so hilflos.
Dann fiel sein Blick auf Adam, der sich weiter vorn auf dem Batteriedeck mit dem jungen Marineleutnant Hawtayne unterhielt.
Ich bin auch nicht besser als Admiral Sheaffe, dachte Bolitho. Neidisch, aber nicht auf den Erfolg, sondern auf die Jugend.
Zum Gluck hatte er Belinda, die zehn Jahre junger war als er. Blo? da? er jetzt, da sie ihn brauchte, hier drau?en festhing wie Prometheus an seinem Felsen.
>Warum gerade du?< Er konnte immer noch ihre Stimme in der Dunkelheit ihres Schlafzimmers horen. Ja, warum gerade er?
Er verhielt den Schritt und lie? seinen Korper mit den Bewegungen des Schiffes schwingen, das souveran durch den Schwell des Atlantiks ritt. Vielleicht war es eine Art Besessenheit bei ihm. Die Gefangenschaft in Frankreich, seine Flucht, die hohen Verluste der letzten
Schlacht gegen Remonds Geschwader waren zu viel gewesen und zu bald nach seiner schweren Verwundung gekommen. Wie zum Hohn wuhlte der alte Schmerz wieder in seinem Schenkel. Er versuchte, sich an Belindas Beruhrung zu erinnern, aber es gelang ihm nicht.
Er rief:»Kapitan Keen, wenn es dunkelt, loschen wir alle Lichter und gehen uber Stag. Neuer Kurs Nordwest. Bis zum Morgen will ich dieses fremde Schiff in unserem Lee sehen, damit wir es stellen konnen.»
Schon offnete Keen den Mund zum Protest, tippte dann aber gehorsam an den Hut.»Ich lasse jeden Fetzen Tuch setzen, Sir«, versprach er.
Bolitho verschwand im Schatten unter dem Huttendeck und begab sich nach achtern in sein Quartier.
War sein Entschlu? uberhastet, vielleicht sogar kindisch? Achates segelte allein, und dennoch hing so viel von ihr ab wie von einem Geschwader oder sogar von einer ganzen Flotte. Seine Leute hatten sich diese Mission nicht ausgesucht. Keen, der verbitterte Erste Offizier Quantock, sogar der Bootsmannsgehilfe Christy, der uber sein gutes Gedachtnis so geruhrt gewesen war, sie alle konnten Besseres von ihrem Admiral erwarten.
Aber es gab einen entscheidenden Unterschied. In Keens Gedanken nahm das Schiff mit seiner Besatzung die erste Stelle ein, ihr Auftrag die zweite. Aber fur Bolitho mu?te die Achates ein Werkzeug sein, eine Waffe, um seinen Auftrag notfalls mit Gewalt durchzusetzen. Zum erstenmal wurde ihm die Tragweite seiner neuen Verantwortlichkeit klar, und diese Erkenntnis festigte ihn.
Allday stapfte in die Kajute und hangte den alten Sabel an seinen Platz. Er putzte und polierte ihn gern, auch wenn das bei der alten Waffe nicht viel nutzte; aber so hatte er wenigstens einen Vorwand, nach Belieben kommen und gehen zu durfen.
Mit einem Seitenblick auf Bolitho, der mit windzerzaustem Haar auf der Bank unter den Heckfenstern sa?, stellte er fest, da? der Vizeadmiral wieder die Ruhe selbst war. Der Sturm schien vorbeigezogen zu sein.
«Ich frage mich, Sir.»
Bolitho fuhr herum, er merkte erst jetzt, da? er nicht mehr allein war.»Was?»
«Na ja, Sir, ich meine, wenn Sie Gouverneur dieser Insel waren, die wir jetzt den Musjos in den Scho? werfen, was wurden Sie dann tun?»
Bolitho erhob sich und ging zum Weinkabinett hinuber, wo er zwei Glaser Brandy eingo?.
Eines reichte er dem erstaunten Allday und sagte:»Danke. Das ist genau der Punkt. «Der Brandy brannte auf seinen Lippen.»Was ich tun wurde, Allday? Ich wurde mich wehren, wurde kampfen. Und genau das wird er wahrscheinlich tun.»
Allday atmete auf. Er verstand zwar nicht ganz, was er mit seiner Frage bewirkt hatte, aber es erleichterte ihn, da? sich Bolithos Stirn glattete.
Bolitho sah ihn voll Zuneigung an.»Dir hatten sie einen Sitz im Parlament geben sollen, Allday.»
Allday stellte sein leeres Glas ab. In dieser Stimmung kannte er seinen Admiral noch nicht.»Dafur bin ich zu ehrlich, Sir.»
Lachend wandte sich Bolitho den Fenstern zu und studierte die Wirbel des Kielwassers, das Achates hinter sich herzog.
Nein, fur San Felipe gab es keine einfache Losung.
Vielleicht hatte Sheaffe deshalb einen Mann gebraucht, der nicht nur taktvoll, sondern vor allem tapfer war. Aber da mu?te erst Allday kommen und ihn darauf sto?en.
«Alle Mann auf Stationen, Sir, Schiff klar zum Gefecht.»
Keens Stimme kam aus der Dunkelheit, Bolitho konnte die Gestalt des Kommandanten kaum von den anderen Mannern an der Querreling unterscheiden.
Keens standiges Exerzieren hatte bei der schon von ihrem alten Kommandanten gedrillten Mannschaft gute Fruchte getragen, dachte Bolitho. Das Kommando» Alle Mann!«hatte die Leute fruh alarmiert; sie hatten noch eine warme Mahlzeit bekommen, ehe sie alle Feuer loschten und das Schiff gefechtsklar machten.
Trotzdem gab es kaum Anzeichen fur Nervositat oder Furcht vor drohender Gefahr. Es herrschte doch Friede, weshalb sollten sie sich also angstigen?
«Das ging leise vonstatten«, lobte Bolitho.
Er schauderte kurz in dem kalten, feuchten Wind, der quer uber Deck fauchte. Erst in einer Stunde wurde die Sonne aufgehen und mit ihrer Warme die Planken zum Dampfen und das Pech der Decksnahte zum Schmelzen bringen.»Kurs West zu Nord liegt an, Sir.»
Bolitho nickte. Das war Segelmeister Knockers Stimme gewesen. An Ruder und Kompa? hatte er das Sagen, ein Mann, der nur selten lachelte, hager und hochgewachsen, mit dem asketischen Gesicht eines Monchs. Aber seine Kursberechnungen und Standortbestimmungen waren so zuverlassig, wie sich Bolitho es nicht besser wunschen konnte.
Einige Stuckmannschaften auf dem Batteriedeck flusterten miteinander und stie?en sich an. Ihnen war alles willkommen, was die langweilige Routine unterbrach. Was scherte es sie, wenn ihr Admiral verruckt genug war, wegen irgendeines bloden Fremdlings gefechtsklar zu machen?
Eine andere Stimme meldete:»Es dammert schon, Sir.»
Bolitho wandte sich um und spahte achteraus, wo sich die Kimm allmahlich abzuzeichnen begann. Wie viele Morgendammerungen hatte er so schon erlebt? fragte er sich. Und wie oft hatte er damit gerechnet, da? es sein letzter Tag war, den er da anbrechen sah?