Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen - Kent Alexander. Страница 16
Bolitho sah sich die Gestalten im reich verzierten Cockpit des Bootes an: zwei danische Seeoffiziere und zwei Zivilisten, einer davon — wenn nicht beide — offenbar Englander. Sie waren eher fur einen Spaziergang im Hydepark angezogen als fur eine Fahrt uber offenes Wasser im Oktober.
«Fallreepsgaste Achtung! Seesoldaten antreten»
Mr. Charles Inskip, der hohe Regierungsbeamte, den in jeder Weise zu unterstutzen Bolitho angewiesen worden war, sa? steif in einem von Kapitan Neales Stuhlen und prufte die erbeuteten franzosischen Papiere. Er hielt sie auf Armeslange von sich ab, und Bolitho schlo? daraus, da? seine Augen nicht mehr so gut waren, wie sie sein sollten. Sein Begleiter, Mr. Alfred Green, offenbar weniger wichtig, stand neben dem Stuhl und las mit, bei jeder gewendeten Seite den Mund spitzend.
Bolitho horte die danischen Seeoffiziere hinter dem Schott lachend erzahlen und nahm an, da? sie — wie es Tradition war — von Neale und einigen seiner Offiziere gastlich bewi rtet wurden. Regierungen konnten aus fast jeder Situation Kriege machen, aber Seeleute, die einander in vertrauter Umgebung trafen, zerstritten sich selten.
Browne blinzelte Bolitho zu, als Inskip den Brief mit dem aufgebrochenen Siegel noch einmal las.
Bolitho fiel auf, da? Inskip nicht mit der Wimper zuckte, wenn uber ihnen Seeleute trampelten, ein schwerer Block oder eine Talje auf die Decksplanken fiel. Er war offenbar ein vielgereister Mann und an Schiffe aller Art gewohnt.
Inskip mu?te etwa funfzig sein, schatzte er. Er war elegant, aber nicht auffallend, in einen grunen Rock mit gleichfarbiger Kniehose gekleidet. Sein Kopf war fast kahl, sein restliches Haar und der unmoderne Zopf hingen wie ein ausgefranstes Tauende uber den Kragen.
Er blickte plotzlich auf.»Das sind schlimme Neuigkeiten, Admi-ral. «Seine Stimme war scharf, ahnlich der von Beauchamp.»Ich danke Gott, da? Sie es fertiggebracht haben, sie abzufangen.»
«Pures Gluck, Sir.»
Ein fluchtiges Lacheln lie? die Zuge des Mannes junger erscheinen.»Wo waren wir ohne dem?»
Der Begleiter sagte:»Sie hatten einen hei?eren Empfang gehabt, Admiral, wenn die Brigg Echo vor Ihnen angekommen ware.»
Inskip runzelte die Stirn uber die Unterbrechung.»Ich habe einige Fortschritte bei der danischen Regierung erzielt. Sie mochte nicht in die vom russischen Zaren vorgeschlagene Allianz eintreten, aber der Druck nimmt zu. Sie mogen gerade zur rechten Zeit gekommen sein. Ich danke Gott, da? Sie so klug waren, mit einem kleinen Kriegsschiff zu kommen und nicht mit einem Dreidecker oder dergleichen. Das ist hier ein Pulverfa?, obgleich die Danen, wie Danen nun einmal sind, es zu ignorieren versuchen. Ich wurde sehr gern einmal in besseren Zeiten hierherkommen.»
Bolitho fragte:»Wunschen Sie, da? ich an Land komme?»
«Ja. Ich werde Ihnen Nachricht geben. Das Wachboot wird Sie zum vorgesehenen Ankerplatz lotsen. «Er warf einen schnellen Blick zur Tur.»Es liegt schon eine franzosische Fregatte im Hafen. Weisen Sie Ihre Leute an, jeden Kontakt mit ihr zu vermeiden.»
Bolitho sah Browne an. Eine weitere Komplikation, und sie hatten noch kaum begonnen.
Inskip tippte auf den Brief.»Jetzt, da ich dies hier gelesen habe, glaube ich den Grund ihrer Anwesenheit zu verstehen. Ich wurde von Seiner Majestat Regierung hergeschickt, um zu verhindern, da? die Danen in die Sache verwickelt werden. Und die Franzosen sind sicher hier, um das Gegenteil zu bewirken. Aber unser kleines Geschwader kann — wenn das Schlimmste eintritt — die Flut nicht aufhalten, bis wir eine ganze Flotte versammelt haben. Und selbst dann: Die Russen und Schweden sollen zusammen sechzig Linienschiffe besitzen, und die Danen haben weitere drei?ig in Bereitschaft.»
Bolitho erwarmte sich allmahlich fur diesen seltsamen Mann. Er wu?te offenbar alles, selbst die Gro?e seines Geschwaders. Die Tatsache, da? er Inskip einige Informationen geliefert hatte, lie? ihn eher bescheiden als uberlegen auftreten.
Inskip stand auf, wobei er Ozzard, der mit einem vollen Tablett kam, abwinkte.»Nicht jetzt, danke. Wir brauchen klare Kopfe. «Er lachelte.»Zum Beispiel schlage ich vor, da? Sie Ihrem Kapitan befehlen, den Ankerplatz aufzusuchen. Sie haben schon genug Neugier und Ratselraten ausgelost. Wenn man Sie nun tatsachlich an Land gehen sieht, wurde das dem Klatsch bestimmt neue Nahrung liefern, nicht wahr?«Er ergriff seinen Hut und fugte hinzu:»Tut mir leid, da? Sie ein Zusammentreffen mit einem anderen Reisenden aus England verpa?t haben.»
Bolitho erlaubte Allday, ihm fur diesen offiziellen Anla? seinen glitzernden Ehrensabel anzuschnallen, bemerkte aber den Widerwillen in seinem Blick.
«Oh, wer war das?»
«Rupert Seton. Soviel ich wei?, ist er der Bruder Ihrer verstorbenen Frau.»
Bolitho starrte Allday an, innerlich plotzlich wie erstarrt. Seton — er sah ihn wieder als jungen Midshipman vor sich, bei dem unglucklichen Versuch, Toulon fur die franzosischen Royalisten zuruckzuerobern. Ein schmachtiger Junge, der stotterte. Und er hatte eine Schwester gehabt, so schon, da? Bolitho ihr Bild standig vor Augen stand.
«Seton hat mir naturlich von der Tragodie erzahlt. «Inskip bemerkte den Sturm nicht, den er in Bolithos Seele ausgelost hatte.»Ein vortrefflicher und intelligenter junger Mann. Er hat einen guten Posten bei der Ostindischen Handelsgesellschaft — wo auch ich ware, wenn ich ein bi?chen Verstand besa?e. Bei der Regierung Pitts bekommt man mehr Fu?tritte als Geld.»
Bolitho fragte ruhig:»Sie haben ihn hier gesehen?»
«Ja. Er war auf der Durchreise nach England. Ich riet ihm zur Eile, sonst ware er noch hier. Aber der Krieg kann sich jeden Tag ausweiten, und ich wollte nicht, da? ein Vertreter der Handelsgesellschaft hier interniert wurde.»
Bolitho sagte:»Geleiten Sie bitte die Herren zu Kapitan Neale, Mr. Browne. Meine Empfehlung an den Kommandanten, und sagen Sie ihm, unsere Besprechung sei zu Ende; wir konnten weitersegeln. «Er sah die beiden Herren unbewegt an.»Ich bin sicher, Sie wollen gern noch vor mir an Land.»
Inskip schuttelte ihm herzlich die Hand.»Wir werden uns wiedersehen. «Er senkte seine Stimme.»Tut mir leid, da? ich schmerzliche Erinnerungen wachrief. Ich hatte es gut gemeint.»
Als die Tur sich hinter Browne und den anderen geschlossen hatte, rief Allday verzweifelt aus:»Verdammt noch mal, Sir! Und das nach so langer Zeit. Das ist nicht richtig!«Er zugelte seinen Ausbruch und fugte hinzu:»Soll ich Mr. Pascoe holen, Sir?»
Bolitho setzte sich hin und nahm seinen Sabel ab.»Nein, aber ich wurde es gern sehen, wenn Sie hierblieben. «Er schaute hoch, seine Augen flehten: Wird es denn niemals nachlassen? Ich habe toricht gehandelt, habe sogar Freunde beschamt, immer in der Hoffnung, Frieden zu finden.
Allday ging zum Tisch hinuber und ri? Ozzard fast den Becher aus der Hand.»Hier, Sir, trinken Sie das. Und Tod und Verdammnis dem Krieg und allen, die ihn schuren!»
Bolitho kippte den Brandy hinunter und ware fast erstickt, so brannte er ihm in der Kehle.
Er sah sie wieder, von der Kirchentur umrahmt, eine Hand auf dem
Arm ihres Bruders, gerade so wie Herricks Braut, als sie zum Altar gefuhrt wurde.
Fast zu sich selber sagte er:»Vielleicht war es sogar gut, da? wir einander nicht getroffen haben. Vielleicht gibt Rupert mir die Schuld an Cheneys Tod. Sie war allein, als sie mich brauchte. Seeleute sollten nie heiraten, Allday. Es ist grausam denen gegenuber, die sie zurucklassen.»
Allday machte eine heftige Kopfbewegung zu Ozzard hin, der die Kajute wie hypnotisiert verlie?.»Fur einige mag das richtig sein, Sir. Aber nicht fur die Besonderen.»
Bolitho stand auf und befestigte den Sabel wieder an seiner Hufte.»Und sie war etwas Besonderes!«Er nickte Allday kurz zu.»Vielen Dank. Jetzt bin ich soweit.»
Allday sah ihn sich straffen und dann automatisch bucken, um nicht an den Decksbalken zu sto?en, als er schnellen Schrittes zum Achterdeck hinausging.