Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen - Kent Alexander. Страница 4

Wolfe bremste ab und beruhrte kurz seinen Hut. Er holte mehrmals tief Luft, als konne er seine Energie, die nicht unbetrachtlich war, nur auf diese Weise zugeln.

«Alles klar, Sir!«Er hatte eine rauhe, tonlose Stimme, die den nahe dabeistehenden Midshipman zusammenzucken lie?.»Ich habe alles an seinen Ort gebracht und fur alles auch einen Platz gefunden. Geben Sie uns noch ein paar Leute, und wir werden mit jedem Wetter fertig.»

«Wieviel mehr?«fragte Herrick.

«Zwanzig gute Seeleute oder funfzig Idioten!»

Herrick hakte da ein.»Sind die Leute, die gestern von den Pre?kommandos gebracht wurden, brauchbar?»

Wolfe rieb sich das Kinn und beobachtete einen Matrosen, der an einem Backstag herunterglitt.

«Das ubliche, Sir. Ein paar Lummel und ein paar Galgenvogel, aber auch einige gute Leute. Sie werden hineinpassen, wenn der Bootsmann sie sich erst vorgenommen hat.»

Eine Talje quietschte, und einige in Segeltuch eingeschlagene Kisten wurden angehievt und uber die Laufbrucke an Deck geschwenkt. Herrick sah, wie Ozzard, Bolithos Diener, die Kisten in Empfang nahm und mit Hilfe einiger Seeleute nach achtern brachte.

Wolfe folgte seinem Blick und bemerkte:»Keine Bange, Sir. Die Benbow wird Sie nicht enttauschen. «In seiner unverblumten Art setzte er hinzu:»Es ist fur mich was Neues, unter einer Admiralsflagge zu fahren, Sir. Ich nehme gern jeden Rat an, den Sie fur angebracht halten.»

Herrick musterte ihn ruhig und sagte nur:»Admiral Bolitho duldet keine Nachlassigkeiten, Mr. Wolfe, genausowenig wie ich. Aber ein anstandigerer Mann ist mir nie begegnet, und auch kein tapferer. «Er ging wieder nach achtern und fugte in anderem Ton hinzu:»Rufen Sie mich bitte, sowie Sie das Admiralsboot sichten.»

Wolfe blickte ihm nach und bemerkte zu sich selber:»Und es gibt auch keinen besseren Freund fur dich, mochte ich wetten.»

Herrick begab sich in seine Kajute und registrierte auf dem Weg dahin viele geschaftige Gestalten, wie auch Essensdufte und den starken Geruch nach jungem Holz, Teer, frischen Farben und neuem Tauwerk. Alles war neu auf diesem Schiff, vom Kiel bis zu den Mastspitzen. Und es war seines.

Vor dem Turvorhang hielt er kurz an und beobachtete seine Frau, die am Tisch in der Kajute sa?. Sie hatte ein angenehmes, ebenma?iges Gesicht und Haare im gleichen Braun wie er selber. Sie war Mitte Drei?ig, aber Herrick hatte ihr sein Herz geschenkt wie ein Jungling einem Engel.

Der Offizier, mit dem sie gerade gesprochen hatte, stand auf und schaute zur Tur.

Herrick nickte ihm zu.»Keine Eile, Adam, Sie werden jetzt noch nicht an Deck benotigt.»

Adam Pascoe, Dritter Offizier der Benbow, war froh uber die Unterbrechung. Nicht, da? es ihm unangenehm gewesen ware, mit der Frau seines Kommandanten zu plaudern, ganz und gar nicht. Aber er war sich, genau wie Herrick, an diesem Tage besonders bewu?t, was es fur ihn und sie alle heute und in Zukunft bedeutete, wenn die Flagge seines Onkels hier an Bord gesetzt wurde.

Pascoe hatte schon auf der Lysander unter Herrick gedient. Er hatte als Unterleutnant angefangen und war dann, durch Beforderung oder Tod seiner Vorgesetzten, zum Vierten Offizier aufgestiegen. Jetzt, als Dritter Offizier der Benbow, war er immer noch sehr jung, gerade zwanzig. Innerlich war er hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, bei Richard Bolitho zu bleiben oder sich auf ein kleineres, unabhangiges Schiff, eine Fregatte oder Korvette, versetzen zu lassen.

Herrick beobachtete ihn und erriet, was Pascoe dachte.

Ein gutaussehender Junge, dachte er selbst, schlank und sehr dunkel, Bolitho ahnlich, mit der Unruhe eines noch nicht eingerittenen Jungpferdes. Sein Vater, wenn er noch lebte, ware stolz auf ihn gewesen.

Pascoe sagte:»Ich gehe jetzt lieber zu meiner Division, Sir. Ich mochte nicht, da? heute was schieflauft. «Er verbeugte sich leicht zu der Dame hin.»Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen, Ma'am.»

Allein mit seiner Frau, sagte Herrick nachdenklich:»Ich mache mir manchmal Sorgen um ihn. Er ist noch ein Knabe und hat doch schon mehr Blutvergie?en und Scheu?lichkeiten gesehen als die meisten in diesem Geschwader.»

Sie antwortete:»Wir sprachen gerade uber seinen Onkel. Er halt sehr viel von ihm.»

Herrick ging hinter ihrem Stuhl vorbei und legte ihr die Hand auf die Schulter. >Gro?er Gott, ich mu? dich bald verlassen<, dachte er. Laut sagte er:»Die Wertschatzung ist gegenseitig, Liebste. Aber im Krieg hat ein Offizier des Konigs seine Pflichten.»

Sie griff nach seiner Hand und druckte sie gegen ihre Wange.

«Unsinn, Thomas! Du sprichst mit mir und nicht mit einem deiner Seeleute!»

Er beugte sich uber sie und fuhlte sich zur gleichen Zeit unbeholfen und als ihr Beschutzer.»Du wirst gut auf dich aufpassen, wenn wir fort sind, nicht wahr, Dulcie?»

Sie nickte kraftig.»Ich gebe auf alles acht. Und ich sehe auch darauf, da? deine Schwester bis zu ihrer Hochzeit mit allem versorgt ist. Wir werden bis zu deiner Ruckkehr eine Menge zu besprechen haben. «Sie stockte.»Wann mag das sein?»

Durch sein neues Kommando und seine unerwartete Heirat hatte Herrick den Kopf so voll gehabt, da? er kaum weiter uber den Tag hinaus gedacht hatte, an dem er sein Schiff von Plymouth nach Spithead zum Treffpunkt mit dem ubrigen Geschwader bringen sollte.

«Es geht nordwarts, glaube ich. Mag ein paar Monate dauern. «Liebevoll druckte er ihre Hand.»Keine Angst, Dulcie, mit der Flagge unseres Dick im Masttopp sind wir in guter Hut.»

Eine Stimme gellte uber ihnen:»Klar Deck uberall! Ehrenwache antreten!»

Pfiffe und Kommandolaute schrillten durch die Decks, und Fu?e stampften uber Holzplanken, als die Seesoldaten nach oben sturzten und sich an der Fallreepspforte aufstellten.

Es klopfte kraftig an die Tur, und Midshipman Aggett meldete atemlos, wahrend seine vom Wind geroteten Augen sich auf das halb aufgegessene Stuck Kuchen auf dem Tisch richteten:»Meldung vom Ersten Offizier, Sir: Das Admiralsboot hat eben von der Pier abgelegt.»

«Sehr gut, ich komme.»

Herrick wartete, bis der Junge gegangen war.»Gleich werden wir mehr wissen, Liebste.»

Er nahm seinen Sabel aus der Wandhalterung und befestigte ihn am Gurtel. Dann stand er auf und marschierte durch die Kajute, wobei er das Halstuch und seinen Rock mit den wei?en Aufschlagen zurecht-zupfte.

«Thomas, Liebster, ich bin stolz auf dich.»

Herrick war kein gro?er Mann, aber als er jetzt die Kajute verlie?, um seinen Admiral zu empfangen, fuhlte er sich wie ein Gigant.

Richard Bolitho sa? kerzengerade auf dem Hecksitz seines Ad-miralsbootes und beobachtete die vor Anker liegenden Schiffe, die mit jedem Schlag der Riemen naher kamen, ohne da? er sich bewu?t wurde, was jetzt auf seinem Flaggschiff oder gar auf dem ubrigen Geschwader vorging.

Als er in das Boot eingestiegen war, hatte er unter den Kuttergasten einige seiner alten Leute von der Lysander wiedererkannt. Fur sie ging es jetzt abermals hinaus, wahrscheinlich hatten sie in der Zwischenzeit nicht einmal Familie und Heimat gesehen.

Allday sa? dicht neben Bolitho und beobachtete aufmerksam, wie die wei? gemalten Riemen sich hoben und senkten wie blankpolierte Spinnenbeine. Ein Leutnant fuhrte das Kommando im Boot, der jungste Offizier der Benbow, und er fuhlte sich unter Alldays kritischem Blick ebenso unbehaglich wie wegen der Anwesenheit des Admirals.

Bolitho war fest in seinen Bootsmantel eingewickelt, der sogar noch seinen Hut umhullte, damit er nicht uber Bord geweht wurde.

Er musterte den an der Spitze liegenden Zweidecker; als das Schiff langsam im uberkommenden Gischt Umri? und Gestalt annahm, rief er sich in Erinnerung, was er von ihm wu?te.

Ein Linienschiff dritter Klasse, {Linienschiffe wurden nach Gro?e und Kanonenzahl in vier Klassen eingeteilt; die schwerste erste Klasse waren Dreidecker von ca. 2800 Tonnen mit uber 100 Kanonen (Anm. d. Ubers.)} etwas gro?er als die Lysander. Sieht blendend aus, dachte er und schatzte, da? Herrick ebenso beeindruckt hatte sein mussen. Er sah die Galionsfigur aus dem Schiffsleib ragen; es schien, als wolle sie mit ihrem erhobenen Sabel seinem Boot ein Zeichen geben. Sie trug den Namen von Vizeadmiral Sir John Benbow, gestorben 1702, nachdem er sein Bein durch ein Kettengescho? verloren hatte, aber nicht eher, bis er der Hinrichtung seiner Kommandanten beigewohnt hatte, die in der Schlacht feige gekniffen hatten. Es war eine schone Galionsfigur, dem toten Admiral sicher ahnlich. Wurdevoll blickend, mit wehendem Haar und einem schimmernden Brustharnisch, wie man ihn zu jener Zeit getragen hatte. Der alte Izod Lambe aus Plymouth, einer der Besten seines Faches, hatte sie geschnitzt, obwohl er — wie es hie? — blind war.