Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen - Kent Alexander. Страница 48

Yovell, Bolithos Schreiber, kam mit weiteren Papieren, die unterschrieben werden mu?ten, in die Kajute. Unterstutzt von Herricks eigenem Schreiber, war Yovell ein Turm im Papierkrieg der letzten Tage gewesen. Er hatte geholfen, Formulierungen zu finden, an denen kein Verpflegungsamt und kein Schiffslieferant herumdeuteln konnten. Herrick war diese Arbeit wie nichts sonst verha?t, darum fragte er verzweifelt:»Noch mehr?»

Yovell lachelte.»Ein paar, Sir. Und ein Brief ist dabei fur den Kurier nach London.»

Herrick warf einen gequalten Blick darauf. Er konnte sich nur schwer daran gewohnen, auch fur die anderen Schiffe mitdenken zu mussen. Sein eigenes Schiff in Gang zu halten, war schon schwer genug. Aber als Flaggkapitan mu?te er sich um das gesamte Geschwader kummern, die Relentless eingeschlossen.

Kapitan Peel hatte gemeldet, da? seinem Dritten Offizier, der im Gefecht mit dem feindlichen Geschwader verwundet worden war, das Bein amputiert werden mu?te, und da? er nun im Marinehospital von Haslar lag. Peel forderte unverzuglichen Ersatz an, da noch keiner seiner eigenen Fahnriche das Alter und die Eignung zur Beforderung besa?. Er hoffte, ohne unnotige Verzogerung wieder Anker lichten und zum Geschwader zuruckkehren zu konnen. Herrick dachte sofort an Pascoe, lie? den Gedanken aber gleich wieder fallen. Es konnte Tage, ja Wochen dauern, bis Bolitho zuruckkam. Da ware es unfair gewesen, den Jungen inzwischen wegzuschicken.

Yovell beobachtete ihn ungeduldig.»Soll ich einen Brief an den Ha-fenadmiral vorbereiten, Sir?»

Herrick rieb sich das Kinn. Es lagen mehrere Kriegsschiffe zur Reparatur im Hafen. Sicher hatte eines von ihnen einen Ersatzmann, einen jungen Offizier, der mit Begeisterung zu Kapitan Peel gehen wurde.

«Ich denke daruber nach.»

Er wu?te, da? Yovell mi?billigend den Kopf schuttelte, aber er wollte erst einmal mit Peel sprechen. Am besten lud er ihn zum Essen mit Dulcie ein. Herrick strahlte plotzlich uber diese blendende Idee. Dulcie wu?te sicher, was er tun sollte. Sie hatte ihm schon so viel Selbstvertrauen gegeben, da? er es kaum glauben konnte.

Herrick stand auf und ging ans seitliche Kajutfenster. Er wischte den feuchten Niederschlag von der Scheibe und blickte auf den Hafen hinaus. Es war Nachmittag, aber schon fast dunkel. Er konnte kaum die beiden machtigen Dreidecker ausmachen, die querab von ihnen vor Anker lagen, aber auf dem Wasser entdeckte er zahlreiche auf-und abhupfende Lichter: Laternen von Booten, die wie Kafer zwischen Schiffen und Ufer hin- und herfuhren.

Nur noch ein Tag, und dann wurde er den wichtigsten aller Satze unter seinen letzten Bericht schreiben:»Melde gehorsamst: Schiff ist seeklar!»

Nach dieser Liegezeit im Hafen wurde es sie hart ankommen. Es klopfte, und Speke, der Zweite Offizier, trat uber das Sull. Seine Augen schimmerten im Lampenlicht.»Was ist?»

Speke warf einen schnellen Blick auf den Schreiber; Herrick verstand und sagte:»Wir machen spater weiter, Yovell. «Spekes Gesichtsausdruck lie? auf schlimme Neuigkeiten schlie?en.

«Ich glaube, Mr. Pascoe ist in Schwierigkeiten, Sir.»

«Was fur Schwierigkeiten?«Herrick starrte ihn an.»Spucken Sie es aus, Mann!»

«Er war wachhabender Offizier, Sir. Ich loste ihn ab, als er um Erlaubnis bat, an Land gehen zu durfen. Er sagte, es sei dringend. «Spe-ke zuckte die Achseln.»Mr. Pascoe ist zwar jung, aber erfahrener als mancher Altere. Ich habe ihn nicht nach seinen Grunden gefragt.»

«Fahren Sie fort. «Herrick zwang sich, sich hinzusetzen und so ruhig zu erscheinen, wie er es oft von Bolitho gesehen hatte.

«Wir hatten fast den ganzen Tag einen Frischwasserprahm langsseit, Sir. Nachdem er abgelegt hatte, bemerkten wir, da? ein Mann des Arbeitskommandos mitgefahren sein mu?te: desertiert. Midshipman Penels hatte das Kommando bei der Gruppe. Es waren alles zum Dienst gepre?te Landratten. Als ich sie antreten lie?, entdeckte ich,

da? der fehlende Mann Babbage war, dessen Bestrafung Sie kurzlich unterbrochen haben, Sir.»

Herrick sah ihn finster an.»Und Sie glauben, da? Midshipman Pe-nels diesem Babbage bei der Flucht geholfen hat?»

Speke sah ihm selbstgefallig ins Auge.»Ja, Sir. Mr. Penels hat es zugegeben, aber erst, nachdem Mr. Pascoe an Land gegangen war. Er hat sich uber seine Tat derart geschamt, da? er glaubte, sie Mr. Pascoe gestehen zu mussen, der junge Narr. Babbage wird sowieso eingefangen und an der Gro?rah aufgeknupft, aber wie die Dinge liegen…»

«Wie die Dinge liegen, ist der Dritte Offizier an Land gegangen, Mr. Speke, um den Deserteur zu suchen und an Bord zuruckzubringen, bevor jemand entdeckte, da? er fehlt?»

«Richtig, Sir. Aber was Penels betrifft.»

«Holen Sie ihn.»

Herrick ruckte unbehaglich in seinem Stuhl hin und her, wahrend seine Gedanken sich ubersturzten. Das war echt Pascoe, dachte er. Und genau das, was Bolitho getan hatte. Was ich auch getan hatte. Fruher, dachte er.

Speke schob den verschreckten Jungen durch die Tur und sagte argerlich:»Sie konnen Ihren miesen Sternen danken, da? ich es war und nicht der Erste Offizier, der die Sache entdeckt hat. Mr. Wolfe hatte Sie in Stucke gerissen.»

«Langsam!«Herricks Ton brachte Speke zum Schweigen.

«Was haben Sie mit diesem Babbage vereinbart?»

«Ich — ich hatte nur den einen Gedanken, ihm zu helfen, Sir. Nach allem, was er zu Hause fur mich getan hat. «Penels war den Tranen nahe.»Er hatte solche Angst, noch einmal ausgepeitscht zu werden. Ich mu?te ihm helfen, Sir.»

«Wohin wollte er, hat er das gesagt?«Herrick fuhlte seine Geduld schwinden.»Los, Junge, Mr. Pascoe ist vielleicht in Gefahr. Und er wollte Ihnen helfen, denken Sie daran!»

Herrick ha?te es, die Schmach und Verzweiflung des Jungen zu nutzen, aber er wu?te, da? es noch schlimmer kommen wurde.

Mit unsicherer Stimme flusterte Penels:»Er wollte ein Lokal suchen, da? >The Grapes< hei?t. Einer der alteren Leute hat das erzahlt.»

Speke grunzte.»Ein sehr ubles Lokal, Sir. Selbst das Pre?kommando geht da nicht ohne ausreichenden Schutz hin.»

Penels — nur noch ein Haufchen Ungluck — fuhr fort:»Er wollte dort warten, bis ich Geld aufgetrieben hatte. Damit hoffte er, nach Corn-wall zuruckkehren zu konnen.»

Herrick blickte auf die Karaffe. Sie war leer und seine Kehle so trocken wie ein Sandhaufen.

«Meine Empfehlung an Mr. Clinton, und bitten Sie ihn zu mir.»

Speke eilte davon, und Herrick sagte:»Nun, Mr. Penels, wenigstens waren Sie so klug, Mr. Speke zu berichten, was Sie getan haben. Es ist zwar nicht viel, aber es mag helfen.»

Der Major trat ein und fragte:»Kann ich behilflich sein, Sir?»

Clinton verschwendete nicht den kleinsten Blick auf den zusammengesackten Midshipman, und Herrick entnahm daraus, da? Speke ihn schon informiert hatte. Wahrscheinlich wu?te das ganze Schiff Bescheid.

«Mr. Pascoe ist zu den >Grapes< unterwegs, Major. Sagt Ihnen das etwas?»

Clinton nickte.»Eine Menge, Sir. «Er fuhr fort:»Wenn Sie erlauben, gehe ich sofort an Land. Ich nehme Mr. Marston und einige meiner Jungs mit.»

«Vielen Dank, Major Clinton, ich bin Ihnen sehr verbunden.»

Augenblicke spater horte Herrick Pfiffe und Kommandorufe und anschlie?end das Knarren von Taljen, als ein Boot ausgeschwenkt wurde. Dann Getrappel von Stiefeln, als einige ausgesuchte Seesoldaten Clintons unerwarteter Aufforderung folgten.

Herrick beobachtete den schnuffelnden Midshipman einige Sekunden lang und sagte dann:»Ich habe Sie auf Bitten eines alten Freundes an Bord genommen. Ich wei? nicht, wie er oder gar Ihre Mutter diese Geschichte aufnehmen werden. Nun begeben Sie sich nach unten, und melden Sie sich beim altesten Wachtmeistersmaaten.»

Als Penels tranenblind nach der Tur tastete, sagte Herrick sehr ruhig:»Wenn Sie in Ihrer Koje liegen, denken Sie einmal uber folgendes nach: Eines Tages hatten Sie Leute unter sich gehabt, deren Leben von Ihrer Entscheidung abhing. Fragen Sie sich selber, ob das richtig ware.»