Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander. Страница 31

Manner eilten an die Brassen, die Stiefel der Seesoldaten knallten im perfekten Gleichschritt auf die Planken, wahrend sie die Besan-rahen verholten; die Segel schlugen sekundenlang leer, fullten sich dann wieder, und das Schiff legte sich auf den anderen Bug.

Bolitho hob das Glas und glich mit gespreizten Beinen die Schraglage aus. Er horte das Befehlsgebrull nicht mehr, nicht das Donnern der Segel hoch oben, sondern konzentrierte sich auf die kleine stille Welt der Teleskoplinse. Ein Schatten glitt uber die Vorsegel des vordersten Schiffes, es schopfte neue Kraft, indem es leicht abfiel und den Wind jetzt besser ausnutzen konnte.

«Kurs Sudost liegt an, Sir!»

«Mr. Luce«, rief Gilchrist scharf,»was ist mit den anderen?»

Luces Antwort kam ebenso scharf; er spurte die Spannung zwischen seinen Vorgesetzten. »Harebell und Prise auf Stationen, Sir!»

Bolitho schob nachdenklich die Lippen vor und beobachtete die beiden feindlichen Schiffe. Sie wurden mit jeder Minute gro?er, er konnte die bunten Trikoloren in den Toppen erkennen, die blitzenden Sonnenreflexe auf Teleskopen und Geschutzen. Sie ihrerseits mu?ten seinen langen Kommodorewimpel bereits gesehen haben. Fette Beute, wurden sie denken, die gerechte Strafe fur sein unverschamtes Auftreten.

Herrick war neben ihn getreten.»Sie fallen beide einen Strich ab. Unser Kurswechsel kommt ihnen zustatten. Wenn wir zu weit abdrehen, konnten sie uns den Windvorteil nehmen.»

«Deswegen mussen wir aufpassen, da? sie es nicht tun. Ich habe ihnen eine Chance gegeben, Thomas. Wenn wir auf diesem Kurs bleiben, sind wir in einer halben Stunde auf gleicher Hohe mit dem vordersten Franzosen. Dann konnte der andere versuchen, unsere offene Seite zu beschie?en.»

Major Leroux wandte sich ihm zu und sagte lachelnd:»Aber auf keinen Fall konnen sie gegen den Wind ankreuzen, wenn wir so dicht beieinander sind. Dann sitzen sie fest.»

Herrick war immer noch nicht uberzeugt.»Ich wei?. Aber vorlaufig brauchen sie sich deshalb noch keine Sorgen zu machen.»

«Sprechen Sie mit dem Master und dem Ersten«, sagte Bolitho.»In zehn Minuten will ich halsen. «Er sah den stummen Protest in

Herricks Augen, fuhr jedoch fort:»Dann gehen wir auf denselben Bug wie vorher und steuern Nordost.»

Als brache die Sonne durch die Wolken, leuchtete Herricks Gesicht bei diesen Worten begreifend auf. Langsam sagte er:»Bei Gott, entweder kollidieren wir dann mit einem von ihnen, oder…»

«Oder wir segeln genau zwischen ihnen durch. Anluven konnen sie nicht weiter, dabei wurden sie nur entmastet. Wenn sie wenden und vor dem Wind segeln, zerschie?en wir ihnen die Hecks. Wenn sie bleiben, wie sie sind, beharken wir sie beim Durchbruch mit den Backbord- und Steuerbordbatterien. «Er hielt Herricks Blick stand.»Und was danach kommt — das wei? ich auch nicht besser als Sie! Jetzt leiten Sie das Manover ein! Mit den Leuten werde ich sprechen.»

Er schritt zur Achterdecksreling und wartete, bis die meisten Matrosen zu ihm aufsahen. Leutnant Veitch stand mit hangenden Armen da, den Rucken zum Feind; sein Entersabel blinkte in der Sonne, denn er hatte bereits blankgezogen. Neben ihm standen zwei Midshipmen und ein Stuckmeistersmaat. Das gehorte alles zur Routine, ebenso wie die rotrockigen Marine-Infanteristen an den Niedergangen, die jeden Mann, der Angst bekam, daran hindern wurden, unter Deck zu fliehen. Und hinter jeder Bordwand, halb verborgen unter den Laufbrucken, die Vorderschiff und Achterdeck miteinander verbanden, warteten die Manner, die den Feind nur durch ihre Stuckpforten sehen konnten. Die aber unter allen Umstanden klaren Kopf behalten mu?ten, sonst waren sie verloren.

«Da vorn, Jungs«, sagte Bolitho,»sind zwei feine franzosische Gentlemen. «Er sah das starre Grinsen der Alteren, das nervose Kopfwenden der Jungeren, als ob der Feind schon im nachsten Moment an Bord kommen wurde.»Fur die meisten von euch ist es das erste Mal. Solange ihr eurem Vaterland dient, wird es nicht das letzte Mal sein. Vor ein paar Tagen habt ihr eure Sache sehr gut gemacht: eine Prise genommen, ein weiteres Schiff mit diesen Achtzehnpfundern hier versenkt.»

Im unteren Deck, in fast volliger Dunkelheit, warteten noch zwei Reihen von Mannern darauf, da? die Stuckpforten geoffnet und die schweren Zweiunddrei?igpfunder ausgerannt wurden. Die wurden versuchen, ebenfalls zu horen, was er sagte, doch konnten sie es erst von den Schiffsjungen und Midshipmen erfahren, vielleicht in verzerrter Form.

«Aber das hier sind keine kleinen Briggs, Jungs. Auch keine neuerbaute Kustenbatterie. «Er sah, da? seine Worte Eindruck machten.»Es sind zwei Linienschiffe — und gute Schiffe!»

«Von mir aus kann's losgehen, Sir«, horte er Grubb flustern.

Bolitho blickte wieder uber das menschenwimmelnde Deck, das dick mit Sand bestreut war, damit die Leute nachher nicht ausrutschten.»Aber trotzdem haben sie einen Fehler: sie sind mit Franzosen bemannt, nicht mit Englandern! Und das wird ihr Untergang!»

Er wandte sich wieder nach achtern, sah die Manner noch winken und jubeln, die Midshipmen grinsen, als sei Konigs Geburtstag. Doch er war wutend uber sich selbst und sein primitives Gerede.

«Geben Sie bitte Befehl zum Laden«, sagte er scharf zu Herrick.»Dann lassen Sie die Backbordgeschutze ausrennen. Ja, Sie haben richtig gehort: Backbord. Wir mussen sie in Sicherheit wiegen. «Ungeduldig wandte er sich ab.»Und die Leute sollen mit dem Gebrull aufhoren. Sie werden ihren Atem noch brauchen!«Damit schritt er rasch zur anderen Seite.

«Hier, Sir!»

Er hob die Arme, weil Allday ihm den Degen umschnallen wollte. Das sah Allday wieder einmal ahnlich: Er tat es mit voller Absicht, damit Matrosen und Seesoldaten sahen, wie ruhig sie beide waren.

Bolitho warf ihm einen Blick zu und sagte leise:»Wir sind schon ein feines Paar!»

Allday lachelte verstohlen.»Wenigstens sind wir wieder ein Paar, Sir. «Er starrte unbewegt zum Feind hinuber, beobachtete die Schiffe mit professionellem Interesse.»Das wird nicht leicht. Immerhin, ich glaube, die freuen sich nicht gerade auf uns!»

«Backbordbatterie ausrennen!»

Das Signal wurde zum unteren Deck weitergegeben; zogernd, als wollten sie erst einmal die Luft prufen, rumpelten die Rohre der Backbordgeschutze in das Sonnenlicht und glanzten matt wie schwarze Zahne.

«Auch die Franzmanner rennen aus, Sir.»

«Gut.»

Bolitho zog seine Uhr und lie? den Deckel aufschnappen. Sie war noch warm von der Warme seines Oberschenkels. Er klappte sie wieder zu. In kurzer Zeit war sie vielleicht so kalt wie ihr Besitzer.

Ein dumpfer Krach hallte uber die See, und Sekunden spater sprang neben der Lysander eine dunne Saule Spruhwasser hoch. Wutend brullten die Geschutzbedienungen auf, doch Bolitho horte Veitch rufen:»Achtung! Steuerbordgeschutze klar zum Ausrennen!«Er blickte zum Achterdeck auf und sah Herrick nicken.»Beide Seiten feuern unabhangig!»

Ein junger Matrose bei einem Neunpfunder flusterte etwas, und Mariot, der alte Stuckfuhrer, erklarte ihm:»Jede fur sich, meint er. «Er sah Bolithos fluchtiges Lacheln und rief hinauf:»Wir warten schon auf die Strolche, Sir!«Dann trat er einen Schritt von seiner Kanone zuruck und straffte die Rei?leine.»Grad' wie auf der alten Scylla!»

«Feind verringert Segel!«rief Pascoe.

Bolitho nickte — die Bramsegel des vordersten Feindschiffes verschwanden wie durch Zauberei. Es bereitete sich darauf vor, die Herausforderung der Lysander anzunehmen. Wenn sie auf diesem Kurs weitersegelten, mu?ten beide franzosische Kommandanten gute Schu?positionen fur die ersten Breitseiten haben.

Hinter Herrick stand Gilchrist an der Reling, die Sprechtrompete bereits erhoben.

«Also los«, sagte Bolitho.»Jetzt gilt es, Captain Herrick. Eine Halse, und dazwischen!»

«An die Brassen!«schrie Gilchrist. Er sprang von einer Deckseite zur anderen, mit seiner blechernen Stimme feuerte er die Matrosen an:»Hol dicht! Hol dicht!»