Der Stolz der Flotte: Flaggkapitan Bolitho vor der Barbareskenkuste - Kent Alexander. Страница 11

«Das alles gefallt mir nicht, Captain«, knurrte Allday.

«Es mu? Ihnen auch nicht gerade gefallen. «Bolitho sah ihn an. Er hatte Allday in den Grundzugen gesagt, worum es ging, aber nicht mehr. Gerade so viel, damit er sich in Sicherheit bringen konnte, falls etwas schiefging.»Sie haben doch hoffentlich nicht vergessen. «Er brach ab und packte Allday am Arm.»Was war das?»

Allday stellte sich in die Steigbugel.»Ein Hase vielleicht?»

Der Anruf kam so plotzlich wie ein Schu?.»Stehenbleiben! Und die Hande so hoch, da? wir sie sehen konnen!»

«Bei Gott, ein verdammter Hinterhalt!«Allday griff nach seinem Entersabel.

«La? das!«Bolitho ri? sein Pferd herum und schlug Allday die Hand vom Sabelgriff.»Genau das habe ich erwartet, Mann!»

«Sachte, Kapt'n!«sprach die Stimme von vorhin.»Wir wollen Ihnen ja nichts tun, aber.»

Eine andere Stimme, harter und gespannter, fuhr dazwischen:»Wir haben keine Zeit zu verlieren! Entwaffne sie, und zwar schnell!»

Es schienen etwa drei Mann zu sein. Eine schattenhafte Gestalt griff an Alldays Seite und befreite ihn von seinem Entersabel. Bolitho horte, wie der Stahl klirrend auf den steinigen Weg fiel. Neben ihm tauchte ein anderer Mann aus dem Dunkel auf.»Und Sie auch, Sir. Sie haben doch bestimmt Pistolen mit?»

Bolitho reichte sie ihm zusammen mit dem Sabel hinunter und sagte kaltblutig:»Ich habe ja gehort, da? es eine Vertrauenssache ist, aber ich wu?te nicht, da? das Vertrauen einseitig sein soll.»

Der Mann zogerte.»Wir riskieren eine ganze Menge, Kapt'n. Sie hatten ja Miliz mitbringen konnen. «Er schien etwas Angst zu haben.

Der andere, der sich noch nicht hatte sehen lassen, rief dazwischen:»Nehmt die Pferde beim Kopf und fuhrt sie!«Und nach einer kurzen Pause:»Ich bleibe achtern. Eine falsche Bewegung, und ich schie?e ohne langes Palaver!»

«So eine Frechheit«, murmelte Allday.»Den Saukerl schnappe ich mir noch.»

Bolitho blieb stumm und lie? den Mann das Pferd fuhren. Er hatte es nicht anders erwartet. Nur ein Dummkopf hatte bei einem solchen Treffen die elementarsten Vorsichtsma?regeln au?er acht gelassen.

Wahrscheinlich war man ihnen schon wahrend der letzten paar Minuten gefolgt. Der Hufschlag ihrer Pferde hatte die Gerausche wohl uberdeckt.

An der Wegbiegung leuchtete ein einzelnes Licht auf, und er sah die wei?lichen Umrisse des Gasthofes. Ein kleines schabiges Bauwerk, das im Lauf der Jahre mehrfach um- und ausgebaut worden war — offenbar ohne viel Sinn fur architektonische Schonheit.

Der Mond schien nicht, und die Sterne sahen ganz winzig aus. Es war auch kalter geworden; die See lag nicht weit entfernt, wie Bolitho wu?te. Ein rauher, gefahrlicher Pfad von etwa einer halben Meile fuhrte zum Fu? der Klippen. Kein Wunder, da? der Gasthof bei den Schmugglern als sicherer Ort galt.

«Absitzen!»

Vom Hause her kamen noch zwei Gestalten, und als Bolitho sich aus dem Sattel schwang, sah er Metall glitzern.»Mir nach!»

Im Gastzimmer mit dem niedrigen Gebalk brannte nur eine Laterne, aber nach dem stockfinsteren Feldweg wirkte sie wie ein Leuchtturm. Der Raum stank nach Bier und Tabak, Speck und Dreck.

Der Wirt trat ins Lampenlicht, sich die Hande an einer langen schmutzigen Schurze reibend. Er sah genauso aus, wie Allday es beschrieben hatte: sein eines Auge schielte so stark, als wolle es aus der Hohle fallen.

«Hab nichts mit zu tun, Sir«, winselte er dunn.»Bitte vergessen Sie das nich'!«Er richtete sein gesundes Auge auf Bolitho und jammerte weiter:»Ich hab Ihren Vater gekannt, Sir, ein feiner Mann!»

«Halt's Maul!«blaffte die Stimme dazwischen.»Ich hang' dich an deinen eigenen Deckenbalken auf, wenn du nicht mit diesem Gewinsel aufhorst!»

Der Gastwirt kroch wieder in den Schatten zuruck, und Bolitho wandte sich langsam um. Der Sprecher war etwa drei?ig; sein Gesicht war rot, aber nicht so gegerbt, wie man es bei einem Seemann erwartet hatte. Er war recht gut gekleidet: einfacher blauer Rock und frischgewaschenes Hemd. Ein intelligentes, hartes Gesicht. Ein Mann, der wahrscheinlich zu Wutausbruchen neigte.

«Ich sehe Taylor nicht.»

Der Mann, offenbar der Anfuhrer, erwiderte kalt:»Er ist bei den Booten.»

Bolitho sah sich die anderen an: vier, und drau?en waren wahrscheinlich noch zwei. Lauter Matrosen. Sie schienen sich au?erordentlich unbehaglich zu fuhlen und blickten mit einer Mischung aus Angst und Resignation ihren Sprecher an.

«Setzen Sie sich bitte, Captain. Ich habe Ale bestellt. «Er lachelte hohnisch.»Aber vielleicht mochte ein Gentleman wie Sie lieber Brandy?»

Der Mann wollte offensichtlich provozieren.»Ale ist mir sehr willkommen«, antwortete Bolitho gelassen, knopfte sich den Mantel auf und lie? sich in einen Stuhl fallen.»Ihr seid der gewahlte Delegierte?»

«Bin ich. «Mit wachsender Nervositat sah er zu, wie der Wirt einen schaumenden Tonkrug mit Ale und ein paar Humpen anbrachte.»Du bleibst in deiner Kuche!»

Etwas ruhiger fuhr er fort:»Nun, Captain, haben Sie sich entschlossen, unsere Bedingungen anzunehmen?»

«Ich wu?te nicht, da? wir irgend etwas abgesprochen hatten. «Bo-litho hob den Humpen und merkte mit Befriedigung, da? seine Hand noch ruhig war.»Ihr habt ein Schiff in eure Gewalt gebracht. Das ist Meuterei, und wenn ihr weiter auf eurem Plan beharrt, auch noch Hochverrat.»

Seltsamerweise schien der Mann eher befriedigt als zornig zu sein.»Da hort ihr's, Jungs! Mit solchen Leuten ist nicht zu verhandeln. Statt Zeit zu vergeuden, hattet ihr gleich auf mich horen sollen!»

Ein grauhaariger Deckoffizier fuhr dazwischen:»Sachte! Vielleicht erzahlst du ihm erst mal das andere, woruber wir uns geeinigt haben?»

«Du Narr!«Der Sprecher wandte sich wieder an Bolitho.»Ich wu?te, da? es so kommen wurde. Die Jungs in Spithead haben gewonnen, weil sie zusammengehalten haben. Nachstes Mal lassen wir uns durch keine verdammten Versprechungen auseinanderbringen!»

Der Deckoffizier sagte rauh:»Wurden Sie sich bitte dieses Buch ansehen, Sir. «Er schob es uber den Tisch und blickte Bolitho dabei fest ins Gesicht.»Drei?ig Jahre fahre ich zur See, als Junge und als Mann, und ich war noch nie an so einer Geschichte beteiligt, bei Gott nicht,

Sir.»

«Deswegen hangen sie dich doch, du Narr«, sagte der Sprecher verachtlich.»Aber zeig's ihm ruhig, wenn dir davon besser wird.»

Bolitho schlug das leinengebundene Buch auf und durchblatterte die Seiten. Es war das Strafbuch der Fregatte; und als er die saubergeschriebenen Eintragungen uberflog, drehte sich ihm vor Abscheu der Magen um.

Keiner der Manner konnte wissen, was das Buch fur ihn bedeutete. Sie versuchten nur, ihm zu zeigen, was sie durchgemacht hatten. Aber grundsatzlich sah sich Bolitho bei jedem Schiff, das er ubernahm, zuerst das Strafbuch an. Er war uberzeugt, da? es besser als alles andere zeigte, was der vorherige Kommandant fur ein Mensch war.

Er wu?te, da? sie ihn beobachteten, und spurte die Spannung im Raum wie etwas Korperliches. Die meisten der aufgefuhrten Vergehen waren banal und ziemlich typisch: ungebuhrliches Betragen, Ungehorsam, mangelnde Sorgfalt im Dienst, Unverschamtheit. Er wu?te aus Erfahrung, da? sie gro?tenteils nicht viel mehr bedeuteten als Unwissenheit des Betreffenden.

Aber die Strafen waren furchtbar. Allein in einer Woche, in der die Auriga Patrouille vor Le Havre gefahren war, hatte der Kommandant insgesamt tausend Peitschenhiebe verhangt. Zwei Mann waren in dieser Woche zweimal ausgepeitscht worden; einer war daran gestorben.

Er klappte das Buch zu und sah hoch. Es gab dazu viele Fragen. Warum hatte der Erste Offizier nichts unternommen, um dieser Brutalitat Einhalt zu gebieten? Aber das war naturlich Unsinn. Was hatte zum Beispiel Keverne dagegen tun konnen, wenn sein Kommandant solche Strafen verhangt hatte? Bei dieser Vorstellung stieg plotzliche Wut in Bolitho hoch. Er hatte oft genug bemerkt, wie die Leute ihn ansahen, wenn etwas nicht klappte. Und das kam gar nicht so selten vor, denn die Bedienung eines Linienschiffes war eine komplizierte, schwere Arbeit. Manchmal lag wildes Entsetzen in diesen Blicken, und das machte ihn jedesmal ganz krank. Der Kommandant, jeder Kommandant, kam gleich nach Gott, soweit es die Mannschaft betraf: ein hoheres Wesen, das mit einer Hand Beforderungen und mit der anderen die schlimmsten Strafen austeilen konnte. Der Gedanke, da? manche, wie der Kommandant der Auriga, diese Macht mi?brauchten, war abscheulich.