Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander. Страница 4

Bolitho griff nach Inchs Arm und zog ihn beiseite.»Der Wind hat um einen Strich gedreht. «Er sah vielsagend zum Wimpel im Masttopp auf.»Lassen Sie sofort Anker lichten, und schicken Sie Leute nach oben. «Seine Worte losten auf Inchs Gesicht Erschrek-ken aus, deshalb fugte er ruhig hinzu:»Es ist besser, die neuen Leute jetzt nach oben zu schicken und auf den Rahen zu verteilen, ehe Sie weitere Befehle geben. Wir wollen doch nicht, da? die Halfte von oben kommt, so lange der Hafenadmiral uns noch durchs Fernrohr beobachtet, oder?«Er lachelte uber Inchs Nicken.

Bolitho wandte sich ab, wahrend Inch zur Achterdecksreling eilte und sein Sprachrohr schwenkte. Er hatte Inch gern geholfen, wu?te aber, wenn dieser nicht von einem weiten und gefahrlosen Ankerplatz auslaufen konnte, wurde er spater nie das Selbstvertrauen aufbringen, selbstandig zu handeln.

«Ankerspill bemannen!»

Gossett trat an Bolithos Seite und sagte gelassen:»Wir bekommen Schnee, ehe die Woche vorbei ist, Sir. «Er knurrte ungehalten, als einer der Manner im Vorschiff ausglitt und mit Armen und Beinen um sich schlagend hinsturzte. Ein Unteroffizier schlug mit seinem Tampen zu, und Bolitho sah, da? der verantwortliche Leutnant sich verlegen abwandte.

Er legte die Hande an den Mund.»Mr. Beauclerk! Die Leute halten viel besser Takt, wenn Sie ihnen einen Shanty vorspielen lassen.»

Gossett unterdruckte ein Grinsen.»Arme Kerle. Das mu? ihnen alles sehr fremd sein, Sir.»

Bolitho atmete gepre?t aus. Inch hatte fruher daran denken sollen. Bei den rund sechzehnhundert Tonnen der Hyperion, die am Ankerkabel zerrten, gehorte mehr als nur Muskelkraft dazu, das Ankerspill zu drehen. Die klagenden Tone der Fidel gingen im Wind fast verloren, doch als die Sperrklinke am Spill klickend fa?te, rief Tomlin drohnend:»Recht so, Leute! Wir wollen den Schlappschwanzen in Plymouth mal was zeigen, das sie so bald nicht vergessen sollen!»

Er warf den Kopf zuruck und offnete den Mund so weit, da? einer der dabeistehenden Midshipmen vor Schreck verstort keuchte, und stimmte dann ein wohlerprobtes Shanty an.

Bolitho blickte nach oben, um die Manner zu beobachten, die sich auf den dicken Rahen verteilten und sich schwarz und winzig wie Affchen vom Himmel abhoben.

Er nahm von Gascoigne, dem fur die Signale zustandigen Mids-hipman, ein Glas entgegen und richtete es aufs Ufer. Er spurte einen Klo? in der Kehle, als er in der Ferne ihren grunen Mantel erkannte und einen Flecken Wei?, mit dem sie dem Schiff zuwinkte. In Gedanken hatte er das Bild vor Augen, das Cheney sah: der Zweidecker, der an der bereits kurzer werdenden Ankertrosse schwojte, die Gestalten, die sich an die Rahen klammerten, die rege Tatigkeit auf dem Vorschiff, wo schon weitere Leute bei den Vorsegeln bereitstanden.

«Anker kurzstag, Sir.»

Bolitho fing Inchs Blick auf und nickte. Inch hob sein Sprachrohr.»Vorsegel setzen!»

Ein schneller Blick zu Gossett, aber dort gab es keinen Grund zur Sorge. Der Steuermann stand bei dem gro?en Doppelrad. Seine Augen wanderten zwischen den Rudergangern und den ersten Streifen Leinwand, die bereits im Wind knatterten, hin und her.

«Setzen Sie einen Kurs unter der Landzunge ab, Mr. Gossett. Wir wollen so hoch am Wind bleiben, wie es geht — fur den Fall, da? er wieder umspringt.»

«Auf und nieder, Sir. «Der Zuruf ging im Wind beinahe unter.

Inch nickte und murmelte vor sich hin, wahrend er auf dem Achterdeck hin und her ging.»Marssegel setzen!«rief er gellend.

Die gro?en Segel blahten sich und donnerten wild, als vom Vorschiff der Ruf kam:»Anker ist los, Sir.»

Bolitho suchte Halt an einer Drehbasse, als die Hyperion, vom Land befreit, wie trunken durch ein tiefes Wellental glitt. Von oben ertonten angstliche Schreie, aber keiner fiel herab.

«Achtung bei Leebrassen!«Das war Stepkynes Stimme, die muhelos das Brausen des Windes und Rauschen der Segel ubertonte.»Der Mann da, halten Sie sich ran!«Er deutete wutend.»Notieren Sie seinen Namen.»

Klank, klank, klank ging das Ankerspill. Der noch unsichtbare Anker mu?te unter der Wasseroberflache wie ein Pendel hin und her schwingen. Aber die Hyperion schien das Durcheinander und die wilden Bemuhungen an Deck und in den Rahen nicht zu beachten. Sie zeigte einen Streifen blankes Kupfer, als sie im rauhen Seegang stark krangte, und schleuderte Gischt so hoch ubers Vordeck, da? der funkelnde Titan aus der See selbst aufzutauchen schien.

Inch kam nach achtern und wischte sich das Gesicht.»Sir?»

Bolitho sah ihn ernst an.»Bringen Sie das Schiff auf Kurs. «Er blickte zu dem Wimpel auf, der steif wie eine Lanze fast querab wehte.»Wir werden die Bramsegel voll setzen, sobald wir Rame Head hinter uns haben.»

Der Ruderganger intonierte:»Sudwest zu Sud, voll und bei, Sir!»

Bolitho spurte, wie das Deck sich stark neigte, als das alte Schiff den Wind voll aufnahm. Jetzt mu? die Hyperion einen schonen Anblick bieten, ging es ihm fluchtig durch den Kopf: Marssegel und Gro?segel prall gefullt im truben Licht, die Rahen rundgebra?t, um den Wind, der das verschwommene Grun der Halbinsel aufwuhlte, mit gro?tmoglichem Vorteil zu nutzen. Der Anker war jetzt aus dem Wasser und wurde bereits zum Kranbalken gehievt. Die Manner am Spill sangen noch immer; manche blickten uber die Schulter zum Land zuruck, das jetzt schnell im Dunst verschwand.

Wie viele Seeleute hatten schon so gesungen, wahrend ihre Schiffe in den Kanal hinausglitten, wie viele an Land hatten ihnen nachgesehen, mit feuchten Augen oder hoffnungsvoll oder einfach nur dankbar, da? ihnen ein gleiches Geschick erspart geblieben war.

Als Bolitho sein Glas wieder aufs Land richtete, hatte es jede Individualitat verloren. Wie Erinnerung und Hoffnung, die ihm galten, war es jetzt fern, so gut wie unerreichbar. Er sah einige der jungeren Leute zum Ufer zuruckstarren, einer winkte sogar, obwohl das Schiff von Land aus jetzt nahezu unsichtbar sein mu?te.

Plotzlich dachte er an Herrick, der sein Erster Offizier auf der kleinen Fregatte Phalarope gewesen war. Bolitho runzelte die Stirn. Wann war das gewesen? Vor zehn, nein vor zwolf Jahren. Langsam schritt er an der Luvseite entlang, wahrend seine Gedanken uber die Jahre zuruckwanderten. Thomas Herrick, der beste Untergebene, den er je gehabt hatte, und der beste Freund. Damals hatte er sich mehr als alles andere ein eigenes Kommando erhofft — bis es Wirklichkeit geworden war. Bolitho lachelte bei der Erinnerung, und zwei Midshipmen, die ihn beobachteten, tauschten einen erstaunten Blick, weil ihr Kommandant anscheinend achtlos oder gleichgultig gegenuber Larm und Hast auf- und abschritt.

Jetzt kommandierte Herrick sein eigenes Schiff. Besser spat als nie, und mehr als reichlich verdient, obwohl es nur die alte Impulsive mit vierundsechzig Geschutzen war. Auch Herrick sollte zu dem Geschwader sto?en, sobald sein Schiff in Portsmouth uberholt worden war.

Bolitho horte Inch schimpfen, als ein neuer Mann mit dem Fu? an einem Lukensull hangenblieb, gegen einen Steuermannsmaat taumelte und krachend auf das schwankende Deck sturzte.

Es fiel ihm schwer, sich vorzustellen, da? alles anders sein wurde, wenn er Herrick wiedertraf. Dann waren sie zwei Kapitane mit eigenen Problemen und ohne die verbindende Aufgabe, ein Schiff gemeinsam am Leben zu erhalten. Herrick hatte immer einen forschenden Verstand und ein intuitives Verstandnis fur Bolitho besessen.

Dieser schob die Gedanken nun von sich. Es war pure Selbstsucht, zu wunschen, da? Herrick bei ihm ware. Er sah Inch an und fragte mild:»Sind Sie zufrieden?»

Inch blickte besorgt.»Ich — ich glaube schon, Sir.»

«Gut. Nun setzen Sie mehr Leute ein, um die Boote festzuzurren.

Ich will verhindern, da? sie sich jammernd am Schanzkleid herumdrucken, so lange England noch in Sicht ist.»

Inch nickte und grinste verlegen.»Es hat doch nicht schlecht geklappt, Sir, oder?«Unter Bolithos Blick schlug er die Augen nieder.»Ich — ich meine…»