Der Piratenfurst: Fregattenkapitan Bolitho in der Java-See - Kent Alexander. Страница 47
Die Undine zerrte an ihrer Ankerkette. Sie war geschwojt, jetzt zeigte ihr Heck auf den langen hellen Strand. Die Sicht war klarer geworden, man erkannte deutlicher, wie gro? der Gebaudekomplex war, der jetzt Conway unterstand. Er war weitlaufiger, als es auf den ersten Blick ausgesehen hatte, und offensichtlich von einem Festungsbaumeister entworfen. Selbst die noch unfertige holzerne Pier machte einen soliden Eindruck, aber wie der ganze Komplex war auch sie sehr vernachlassigt.
Jedesmal wenn Herrick das Achterdeck uberquerte oder uber die Heckreling spahte, sah er Bolitho und ein paar Manner vom Landungskommando irgendwo auf den holzernen Brustwehren; auch im Raum zwischen den Palisaden, welche den Zugang zum Fort und den anderen Gebauden schutzten, hatte er sie beobachtet. Wie tote Fische lagen die Boote auf dem Strand da, wo sie vor vier Stunden gelandet waren. Ein paar Seesoldaten hatten die Drehgeschutze zum Fort geschafft; andere, von dem bulligen Sergeanten Coaker gescheucht, hatten die Brustwehren besetzt oder patrouillierten jetzt auf der Pier. Die wenigen spanischen Soldaten hatten sich ins Innere des Forts zuruckgezogen; und der Feind — oder worauf sie vorhin gefeuert hatten — war nirgends zu sehen.
Schwere Schritte kamen uber die Planken; Herrick wandte sich um und erblickte Soames, der mit der einen Hand seine Augen beschattete und in der anderen ein Stuck Schiffszwieback hielt, an dem er kaute.»Schon ein Signal, Sir?«Soames betrachtete die ferne Ansiedlung ohne sonderliche Begeisterung.»An solch einem Ort sein Leben zu beenden — nein, danke!»
Herrick war besorgt. Inzwischen hatte eigentlich etwas geschehen sein mussen. Es sollten sich etwa dreihundert spanische Soldaten nebst Tro? im Stutzpunkt befinden, und Gott wei? wie viele Eingeborene au?erdem. Aber gesehen hatte er bisher nur ganz wenige. Der alte unheimliche Gedanke fuhr ihm wieder durch den Sinn: die Pest vielleicht? Oder etwas noch Schlimmeres?
«Anscheinend inspizieren sie die inneren Verteidigungsanlagen«, erwiderte er.»Kein Wunder, da? die Dons diesen Posten loswerden wollen. «Er schauderte.»Von hier aus hat man den Eindruck, da? der verdammte Dschungel die Menschen wieder ins Meer drangen will.»
Achselzuckend deutete Soames mit seinem angebissenen Zwieback zum Geschutzdeck.»Soll ich die Geschutzbedienungen wegtreten lassen? Sieht nicht so aus, als ob uns die da druben noch Grund zum Eingreifen geben werden.»
«Nein. Es sind ja nur funf Geschutze bemannt. Lassen Sie die Bedienungen ablosen, und schicken Sie sie unter Deck zum Ausruhen. «Herrick war froh, als Soames ging. Er wollte sich konzentrieren, wollte sich uber Entscheidungen klarwerden, wenn er plotzlich handeln mu?te, ohne da? Bolitho hinter ihm stand. Beim letzten Mal war es anders gewesen. Da war eine wilde Verwegenheit uber ihn gekommen, noch verstarkt durch die Notwendigkeit, Bolitho auf dem schnellsten Wege zu Hilfe zu eilen.
Aber hier gab es keine schreienden Wilden, keine heranflitzenden Kanus, die er mit ein paar Ladungen Hackblei zerschmettern konnte. Nur Schweigen. Deprimierende, unbewegte Stille.
Da rief Midshipman Penn mit seiner schrillen Knabenstimme:»Eins der Boote wird zu Wasser gebracht, Sir!»
Herrick spurte sein Herz klopfen, als der Mann dort druben am Strand die grungestrichene Gig der Undine ins flache Wasser stie?. Dann kam Bolitho — seine schlanke Gestalt war unverkennbar — zum Strand herunter, blieb einen Moment stehen, um Davy etwas zu sagen, und schwang dann die Beine uber das Dollbord.
Endlich. Bald wurde er wissen, was los war. Nur vier Stunden hatte es gedauert, aber sie waren ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen.
«Klar zum Seitepfeifen!»
Als Bolitho durch die Pforte an Bord kam, fiel Herrick auf, wie besorgt und nachdenklich er dreinsah. Sein Rock war voller Sand und Staub, das Gesicht schwei?na?. Blicklos starrte er auf das strammstehende Empfangskommando.
«Schiffsarzt mit Sanitatsgasten an Land!«befahl Bolitho.»Soll sich bei Mr. Davy melden. Wenn die anderen Boote kommen, schicken Sie Pulver, Blei und frisches Obst hinuber!«Er spahte nach der vor Anker liegenden Brigg und dem Boot aus, das sich wieder in rascher Fahrt dem Land naherte.»Ich habe die Rosalind aufgefordert, nach besten Kraften zu helfen. «Er warf einen Blick auf Herricks rundes Gesicht und lachelte zum erstenmal.»Beruhigen Sie sich, Thomas — es ist noch nicht das Ende. Nur beinahe. Kommen Sie in meine Kajute, wenn Sie die Befehle weitergegeben haben. Allday hat eine Liste von alldem, was gebraucht wird.»
Als Herrick schlie?lich zu Bolitho in die Kapitanskajute kam, fand er ihn mit entblo?tem Oberkorper vor einem gro?en Krug Zitronenlimonade.
«Setzen Sie sich, Thomas. «Herrick nahm Platz. Er sah, da? Bolitho sich wieder gefa?t hatte. Aber da war noch irgend etwas; seine Gedanken liefen in einer anderen Richtung.
«Bei Kriegsende lag hier eine Garnison von rund dreihundert Mann. «Es war, als zeichne Bolitho ein Bild nach, das jemand fur ihn gemalt hatte.»Der Kommandant, bewahrter Ratgeber des Konigs von Spanien, war Oberst Don Jose Pastor, ein bekannt tuchtiger Soldat und bewandert in der Errichtung derartiger Stutzpunkte. Er verschaffte sich einiges Vertrauen bei den Eingeborenen und konnte durch Tauschgeschafte und andere Uberredungsmittel, nach spanischem Brauch auch durch Gewaltanwendung, eine starke Verteidigungslinie aufbauen und au?erdem ein ziemlich gro?es Stuck Urwald in unmittelbarer Nahe roden. Es gibt sogar eine Art Stra?e, die jetzt allerdings uberwuchert ist. Eine Wildnis.»
«Fieber?«riet Herrick.
«Das naturlich auch, aber nicht schlimmer, als in einer solchen Gegend zu erwarten. «Er sah Herrick ein paar Sekunden aufmerksam ins Gesicht; seine Augen waren sehr grau in dem reflektierten Licht.»Nein, der Stutzpunkt wurde uber ein Jahr lang fast ununterbrochen angegriffen. Zuerst dachten sie, es handle sich um irgendwelche rauberischen Stamme, Dajakpiraten vielleicht, denen der wachsende spanische Einflu? in ihrem Gebiet nicht pa?te. Oberst Pastor hatte nicht weit vom eigentlichen Stutzpunkt eine katholische Mission eingerichtet. Man fand die Monche furchterlich verstummelt und ohne Kopfe. «Er beachtete Herricks entsetzte Miene nicht.»Dann gab es Todesfalle durch Vergiftung der
Zisternen. Die Garnison mu?te mit dem kleinen Bach auskommen, der innerhalb der Palisaden entspringt. Ohne ihn ware schon langst alles aus gewesen. Stellen Sie sich vor, Herrick, Sie waren hier Offizier, mu?ten versuchen, die Moral aufrechtzuerhalten, standig gegen einen unsichtbaren Feind kampfen, und hatten Tag fur Tag ein paar Manner weniger. Jeden Morgen bei Sonnenaufgang suchen Sie die Kimm ab, beten um ein Schiff, irgendein Schiff, das Hilfe bringen konnte. Nur eins kam in der ganzen Zeit, aber der Kapitan lie? niemanden an Land, aus Angst vor der Pest. Er warf nur Depeschen ab und segelte weiter. Ich kann das, wei? Gott, verstehen. Die da druben sehen aus wie lebende Skelette. «Ein Boot legte vom Rumpf ab, und er wandte sich um.»Hoffen wir, da? unser Arzt jetzt weniger an sich selbst denkt und lieber anderen hilft.»
Leise fragte Herrick:»Was gedenkt Admiral Conway zu tun,
Sir?»
Bolitho schlo? die Augen und erinnerte sich an die kleine Konferenz im Turmzimmer des Palisadenforts, wo Puigserver mit bebender Stimme den Bericht des Hauptmanns Vega, des einzigen uberlebenden spanischen Offiziers, ubersetzt hatte.
Die Uberfalle hatten nicht aufgehort. Einmal, als eine Patrouille in einen Hinterhalt geraten war, wurden die Verteidiger im Fort schier verruckt von den furchtbaren Schreien ihrer Kameraden, die in Sichtweite zu Tode gemartert wurden.
«Westlich von uns liegt eine kleine Inselgruppe, die Benuas«, sagte Bolitho. Obwohl Herrick den Zusammenhang nicht verstand, nickte er.»Ja, wir haben sie gestern passiert.»
«Sie beherrscht den Eingang zur Stra?e von Malakka, zwischen Borneo, Sumatra und Java. «Bolithos Stimme klang stahlhart.