Fieber an Bord: Fregattenkapitan Bolitho in Polynesien - Kent Alexander. Страница 33

Herrick beobachtete ihn besorgt, als er sich abermals fur eine Uberfahrt vorbereitete, diesmal in seiner eigenen Gig. Bolitho zog sich saubere Breeches an und schilderte dabei de Barras und die Tyrannei an Bord der Narval. Er nahm an, da? Herrick de Barras mit dem Kapitan der Phalarope verglich, auf der sie sich kennengelernt hatten. War das erst vor sieben Jahren gewesen? Es schien kaum moglich. Sie hatten so vieles zusammen gesehen und erlebt. Herrick sagte schlie?lich:»Abscheulich, auch nur davon zu horen. Ich jedenfalls werde mich sehr viel wohler fuhlen, wenn seine Obersegel unter dem Horizont verschwinden.»

«Ich mochte wetten, da? Sie diesbezuglich enttauscht werden, Thomas.»

Bolitho nahm von Noddall ein Glas Wein entgegen. Er wollte damit ebensosehr den Nachgeschmack des Franzosen herunterspulen wie das Salz, das ihm in der Kehle sa?. Herrick sah ihn uberrascht an.»Aber Sie sagten doch, die Narval wolle nach Neusudwales segeln. «Bolitho schob sein Halstuch zurecht und lachelte grimmig.»Sie wollte. Ich vermute, da? de Barras auf gluhenden Kohlen sitzt, bis er diesen geheimnisvollen Franzosen wieder eingefangen hat. Dafur sieht er in uns einen Bundesgenossen. Vielleicht hat er recht. «Er griff nach seinem Hut.»Nun?»

Herrick seufzte.»Schon gut, Sir. «Weitere Warnungen schienen keinen Sinn zu haben, denn Bolithos Augen leuchteten heller als seit langer Zeit. Er folgte Bolitho zur Einstiegspforte und stand neben ihm uber der dumpelnden Gig. Ein schneller Blick nach achtern verriet Herrick, da? Keen und Lakey und selbst der junge Midshipman Swift auf der Lauer lagen und wie eingeweihte Verschworer grinsten. Es deprimierte ihn. Sie verstanden nicht, da? es hier nicht nur um ein Wiedersehen ging, sondern auch um eine Karriere.

Borlase stand an der Pforte der Eurotas, um Bolitho zu begru?en; seine kindlichen Gesichtszuge waren bemuht ausdruckslos.

Bolitho blickte sich auf dem Hauptdeck um und bemerkte dankbar, da? unter dem Ersatz fur die Getoteten oder Verletzten eine ganze Anzahl fahiger und erfahrener Seeleute war. In jedem abgelegenen Hafen, selbst einem so jungen wie Sydney, schien es immer einige zuruckgebliebene Matrosen zu geben, die bereit waren, es noch einmal mit einem unbekannten Schiff zu versuchen. Nur dieses eine Mal noch. Alle Seeleute sagten das.»Wie geht es den Gefangenen, Mr. Borlase?«»Ich habe sie entsprechend Ihrer Anregung in kleinen Gruppen zur Arbeit eingesetzt, Sir. «Da schwang Mi?billigung mit.»Gut.»

Vielleicht druckte Borlase die Verantwortung fur die Sicherheit. Oder vielleicht meinte er, die Straflinge sollten eingepfercht werden wie bisher. Doch sobald sie an Land kamen, benotigten sie ihre volle Gesundheit und Beweglichkeit, um am Leben zu bleiben. Sie traten in den Schatten des Huttendecks und gingen nach achtern zur Kapitanskajute.

Raymond wartete am Schreibtisch, seine Gestalt hob sich nur als Silhouette vor dem Sonnenglast ab, der durch die hohen Fenster hereinstromte.

Er sagte schroff:»Sie bleiben anwesend, Mr. Borlase. «Bolitho wartete unbewegt. Raymond hielt den Leutnant als Schutz oder als Zeugen zuruck — oder als beides.»Nun, Captain?«Raymond lehnte sich zuruck, die Fingerspitzen gegeneinander gepre?t.»Vielleicht sind Sie jetzt so freundlich, mich uber Ihre Zusammenkunft mit dem Kapitan der Narval zu unterrichten.«»Ich hatte Ihnen einen schriftlichen Bericht vorgelegt.«»Davon bin ich uberzeugt. «Es klang sarkastisch.»Aber schildern Sie mir jetzt schon das Wichtigste. «Borlase schien seinem Kommandanten einen Sessel bereitstellen zu wollen, aber nach einem Blick auf Raymond gab er diese Absicht auf.

Merkwurdigerweise fuhlte Bolitho sich durch Raymonds Verhalten erleichtert. Da blieb kein Raum fur Vorspiegelungen, fur eine Anderung ihrer Beziehungen. Er lauschte seiner eigenen Stimme, als er kurz darlegte, was zwischen ihm und dem Franzosen vorgegangen war: nuchtern, ohne Emotion, wie eine Aussage vor dem Kriegsgericht.

Raymond schob das Kielholen beiseite als» eine Angelegenheit, uber die jedes Land selbst entscheiden mu?».

Bolitho sagte ruhig:»Frankreich hat daruber schon lange entschieden. Aber hier drau?en verkorpert de Barras sein Land.»

«Das betrifft mich nicht. «Raymonds Fingerspitzen trommelten in einem lautlosen Wirbel gegeneinander.»Aber die Narval geht mich ganz gewi? etwas an.»

«Er wird es nicht wagen…«Bolitho kam nicht weiter, denn Raymond fuhr dazwischen.

«Also wirklich, ihr Seeoffiziere seid einer wie der andere. Wir befinden uns nicht mehr im Krieg mit Frankreich. Sie mussen sich an Ihre neue Rolle gewohnen — oder sie gegen eine andere tauschen. «Seine Stimme wurde lauter und scharfer. Es war, als hatte er fur einen solchen Augenblick geprobt.»Mit franzosischer Hilfe konnen wir alle Moglichkeiten fur den Ostindienhandel und dessen gemeinsame Verteidigung sondieren. Die Beseitigung der Piraterie, zum Beispiel. Die Uberwachung gro?erer Seegebiete im gemeinsamen Interesse. Wenn wir eines Tages gezwungen sein sollten, wieder gegen Frankreich zu kampfen, dann sind wir aufgrund dieser Kooperation in einer besseren Situation. Man mu? die Konkurrenz kennen, jeder Kaufmann wei? das. Ein Jammer, da? die Leute, die mit unserem Schutz betraut sind, sich nicht auch dazu verstehen konnen.»

In der plotzlich eintretenden Stille konnte Bolitho seinen Herzschlag spuren, aber er hielt sich zuruck. An der Art, wie Borlase zwischen ihm und Raymond hin und her blickte, erkannte er, da? der Leutnant seinen Konterschlag erwartete. Das war eine bewu?te Beleidigung gewesen, doppelt schwerwiegend, da Bolithos Leute mit nicht geringem Risiko Raymond das Leben gerettet und ihm seine Freiheit zuruckgewonnen hatten.

Raymond runzelte die Stirn.»Haben Sie nichts zu erwidern?»

«Von Kaufleuten verstehe ich nur wenig, Sir. Aber ich kann einen Freund von einem Feind unterscheiden.»

Borlase wechselte horbar seinen Stand.

Raymond sagte:»Jedenfalls haben Sie die Narval mit frischen Aversionen gegen uns weiterfahren lassen.»

«Ich erwarte, da? de Barras sich in unserer Nahe halten wird, Sir. Er ist entschlossen, seinen Gefangenen zuruckzuholen, und falls wir auf den Piraten Tuke sto?en,

bekommt er eine gute Chance dafur.»

«Richtig. Wenn Tuke gehenkt und dieser Renegat wieder in

Ketten ist, mag dadurch einiges wieder gutgemacht werden. «Er legte eine Pause ein, um abzuwarten, ob Bolitho den Koder aufnehmen wurde. Doch als Bolitho ungeruhrt schwieg, fragte Raymond schroff:»Wann erwarten Sie, Land zu sichten?»

«Wenn der Wind so bleibt, dauert es keine drei Wochen. Andernfalls kann es zwei Monate dauern. «Es war sinnlos, die unterschiedliche Geschwindigkeit der beiden Schiffe hervorzuheben. Aber er durfte auch nicht zu optimistisch sein. Raymond wartete nur auf eine schwache Stelle, einen Fehler.

Raymond zog seine Uhr und sagte zu Borlase:»Sagen Sie meinem Diener, er soll Wein bringen. «Und kuhl zu Bolitho:»Ich bin sicher, da? meine Frau uns gern Gesellschaft leisten will. «Er sah sich in der Kajute um.»Hier ganz bestimmt. «Bolitho wandte sich ab. Er hatte damit rechnen mussen: Raymonds Trumpfkarte war ausgespielt. Fur Borlase mochte es wie eine selbstverstandliche, formale Einladung geklungen haben, auf gutem Brauch oder Hoflichkeit beruhend: der hohe Beamte, der den Kommandanten seiner Eskorte mit Wein bewirtete. Aber die Art, wie Raymond das Wort >hier< hervorgehoben hatte… Bolitho brauchte keinen weiteren Hinweis. Denn hier in der Kajute war Bolitho mit Raymonds Frau zusammengekommen, hatte sie umarmt, um das Entsetzen und die Verzweiflung ihrer Gefangenschaft auf der Eurotas zu lindern; hatte die Brandnarbe auf ihrer Schulter geku?t. Es war der Ort, wo sie sich mit aller Leidenschaft und Einfalt geliebt hatten.

Die Tur ging auf, und Viola trat in die Kajute. Trotz ihrer taglichen Spaziergange an Deck war sie bla? und hatte Ringe unter den Augen, was Bolitho schmerzlich beruhrte.»Ein Gast, meine Liebe. «Raymond erhob sich halb, lie? sich aber gleich wieder zurucksinken. Auch ein rotrockiger Hauptmann der Miliz, der mit seinem Kommando die Straflinge an Bord bewachte, folgte Borlase in die Kajute. Ohne die geringste Ahnung von der dramatischen Situation strahlte er Bolitho und den Wein an: noch ein Zeuge.