Zerfetzte Flaggen: Leutnant Richard Bolitho in der Karibik - Kent Alexander. Страница 58

Bolitho nickte wie in Zustimmung. Das Schiff drehte zunachst nur ein paar Strich, wahrend die Bramsegel von den Rahen fielen und sich dann strafften.

Er beobachtete die Argonaute, seine Augen brannten vor Rauch. Zwischen ihnen lag das blaue Wasser wie eine ungeheuer gro?e Pfeilspitze, beide Schiffe schienen demselben unsichtbaren Ziel zuzustreben, das sie am Ende zusammenbringen wurde.

«Feuer!»

Die Seeleute sprangen beiseite, als ihre Kanonen wieder binnenbords schnellten, griffen halb blind vor Qualm nach den Schwammen, um die Mundungen auszuwischen, bevor sie die nachste Ladung hineinrammten.

Bolitho merkte am Beben des Schiffsrumpfes, da? auch der Feind

wieder gefeuert hatte. Er sah einen Teil des Fallreeps wie unter den Hieben einer unsichtbaren Axt zersplittern. Ein Seemann rannte schreiend und stolpernd hinter seine Gefahrten, die Hande vors Gesicht geschlagen.

Ein Marineinfanterist schob ihn an den Rand einer Luke, andere griffen zu und zogen ihn herab.

Bolitho sah Quinn wurgen. Aus dem Auge des Seemannes hatte ein Holzsplitter von der Gro?e eines Marlspiekers geragt.

Der hartere Knall der Neunpfunder sagte ihm, da? deren Bedienung endlich auch ihre Heckgeschutze zum Einsatz bringen konnte.

Der Larm schwoll an, als die beiden Schiffe unerbittlich aufeinander zutrieben. Holzsplitter, Bruchstucke der Takelage und ein weiterer Leichnam vermehrten das Gewirr auf den Netzen, und von unten horte man einen Mann schreien wie ein gemartertes Tier.

Wieder ein rascher Blick nach achtern. Pears stand noch unbeweglich, mit grimmigem Gesicht, den Blick dem Feind zugewandt.

Coutts, anscheinend ungeruhrt von dem Kampfgetose, einen Fu? auf einem Poller, zeigte Ackerman etwas auf dem Deck des Franzosen.

«Feuer!»

Die Kanonen schossen jetzt ungleichma?iger, denn die Bedienungsmannschaften waren erschopft, betaubt vom standigen Donner der Detonationen.

Bolitho ging uber das Deck, buckte sich und blickte in jede der Stuckpforten, wahrend die Manner ihre Kanonen schu?fertig machten. Sie waren Vierecke verqualmten Lichts, durch die jede Mannschaft nur ein winziges Stuck des Feindes sehen konnte.

Er fuhlte sich unsicher auf den Beinen, sein Gang war ruckartig, als er wieder hinter die Leute zurucktrat. Sein Gesicht war gezeichnet von der Anstrengung, und er hatte das Gefuhl, da? er halb grinsend, halb schielend dreinsah.

Stockdale erblickte ihn und nickte ihm zu; ein anderer Mann, es war Moffitt, winkte und rief:»Hei?e Arbeit, Sir!»

Weitere schwere Einschlage krachten unten in die Bordwand, dann stieg eine schwarze Rauchsaule aus einer der Luken und loste sofort einen Chor von Alarmrufen aus. Der Schwelbrand wurde jedoch schnell unter Kontrolle gebracht, die Leute hatten so etwas oft genug geubt.

«Feuer einstellen!»

Als die Bedienungsmannschaften von ihren rauchenden Geschutzen zurucktraten, empfand Bolitho die Stille fast so schmerzhaft wie den vorherigen Larm. Der Feind hatte sich weiter vor ihren Bug geschoben, so da? sie ihn nicht mehr treffen konnten. Cairns rief:»Schickt ein paar Leute nach Backbord!«Er winkte auffordernd mit seinem Sprachrohr.»Wir feuern, wenn wir sein Heck passieren!»

Bolitho sah, wie die Unteroffiziere ein paar der benommenen Leute zur Backbordseite hinuberschoben, um den erschopften Mannschaften dort zu helfen. Pears hatte es zeitlich gut abgepa?t. Mit einer weiteren Kursanderung und mehr Segelflache wurde die Trojan des Feindes Kielwasser kreuzen und dann eine Breitseite im Einzelfeuer in sein Heck jagen konnen. Selbst wenn er noch nicht entmastet war, wurde ihn das so schwachen, da? er das nachste Aufeinandertreffen nicht uberstehen konnte.

Er rief:»Fertig, James!«Wieder hatte er das Gefuhl, als sei sein Unterkiefer in einem wilden Grinsen erstarrt.»Diesmal hast du die Ehre!»

Ein Geschutzfuhrer beruhrte Quinns Arm beim Voruberhasten.»Wir werden es denen zeigen, Sir!«»An die Brassen!»

Bolitho fuhr herum, als er Cairns Stimme vom Achterdeck horte.

Stockdale keuchte:»Der Franzmann luvt an, bei Gott!»

Bolithos Korper war zu Eis erstarrt, als er die Argonaute in den Wind schie?en und mit ihren zerfetzten Segeln ein gro?artiges Wendemanover ausfuhren sah, damit sie dem Feind wieder die Stirn bieten konnte.

Es geschah alles in Minutenschnelle, aber er fand doch Zeit fur die Bewunderung dieser hervorragenden Seemannschaft. Immer weiter drehte sie, und nach dem Manover wurde sie auf dem anderen Bug liegen, wahrend die Trojan dann noch damit zu tun hatte, ihren Fahrtuberschu? zu verringern.

«Enter auf! Bramsegel bergen!»

Masten und Spieren bebten und quietschten, als das Ruder hart ubergelegt wurde; aber es dauerte alles viel zu lange.

Wahrend die Leute wie wild wieder zu den Steuerbordgeschutzen zuruckliefen, sah Bolitho bereits den Feind Rauch und Feuer spe i-en, fuhlte das Schiff taumeln, als eine sorgfaltig gezielte und genau zum richtigen Zeitpunkt abgefeuerte Breitseite einschlug. Sie traf die Trojan vom Bug bis zum Heck. Wegen des spitzen Auftreffwinkels richteten viele Geschosse kaum Schaden an, aber andere, die in die Geschutzpforten einschlugen oder nur auf so schwache Hindernisse wie Fallreepstreppen und Hangemattsnetze stie?en, wirkten verheerend. Drei Geschutze wurden umgeworfen, ihre Bedienungen zerschmettert oder wie Abfall beiseite geschleudert. Bolitho horte es krachen und splittern, als weitere Geschosse neben ihm durch die Boote fegten und einen Hagel von Splitterpfeilen auf die andere Seite schleuderten. Leute fielen oder taumelten uberall, und als er einmal zufallig auf seine Beine blickte, bemerkte er, da? sie uber und uber blutbespritzt waren.

Ein Gewirr von Schreien lie? ihn herumfahren, und er sah die Vorbramstenge erst auf die Back und dann uber Bord sturzen, verfilzte Takelage, Segel, Rahen und zwei schreiende Seeleute mit sich rei?end.

Einen Augenblick au?er Kontrolle geraten, drehte die Trojan wie betrunken vom Feinde weg, wahrend die Argonaute, vom Jubel ihrer Leute begleitet, einen vollen Kreis beschrieben hatte. Dann, als sie auf Parallelkurs und ein wenig vor der Trojan lag, eroffnete sie das Feuer auch mit ihren achteren Geschutzen.

Blind vor Rauch und verzweifelt versuchend, sich aus dem Gewirr von Takelage zu befreien, konnten die vorderen Geschutzmannschaften der Trojan hochstens die Halfte der Schusse beantworten.

Bolitho fand sich auf und ab laufen und zusammenhangloses Zeug schreien, bis er vor Heiserkeit keinen Ton mehr hervorbrachte.

Um ihn herum kampften und starben die Leute oder lagen bereits in der Starrheit des Todes.

Andere hasteten voruber, hinter dem Bootsmann und seinen Maaten her, um mit Axten und Beilen die Trummer zu beseitigen, bevor sie das Schiff bewegungsunfahig machen und damit vollig dem feindlichen Feuer ausliefern konnten.

Achtern stand Pears mit steinerner Miene, beobachtete das alles, gab seine Befehle und wich keine Handbreit zur Seite, als Splitter an ihm vorbeipeitschten und weitere Leute der geduckten Geschutzbedienungen zu Boden rissen.

Fahnrich Huss erschien an Deck, die Augen vor Angst weit aufgerissen. Er sah Bolitho und schrie wild:»Mr. Dalyell ist gefallen, Sir! Ich… Ich kann…«Er drehte sich um die eigene Achse, das Gesicht erstaunt glotzend und dann erstarrend, als er nach vorn taumelte und zu Bolithos Fu?en fiel.

Bolitho rief:»Hinunter, James, ubernimm das Kommando im unteren Batteriedeck!»

Quinn aber starrte wie gebannt auf den Fahnrich. Blut stromte aus einem gro?en Loch in dessen Rucken, eine Hand bewegte sich noch, als wolle sie das entweichende Leben festhalten.

Ein Seemann drehte den Jungen herum und sagte:»Erledigt, Sir.»

«Hast du gehort?«Bolitho ergriff Quinn am Arm, Huss und alles andere vergessend.»Geh hinunter!»

Quinn wandte sich halb um, seine Augen weiteten sich, als noch mehr Schreie aus dem unteren Batteriedeck heraufdrangen.