Kanonenfutter - Leutnant Bolithos Handstreich in Rio - Kent Alexander. Страница 19
Dann schaute er uber das Deck der Brigantine, auf die verwundeten Manner, die leise stohnten oder wie kranke Tiere wegzukriechen versuchten.
Einige wurden sich nie mehr bewegen.
Als das Tageslicht weiter zunahm, prufte Bolitho den Degen, den Jury ihm zu seiner Rettung zugeworfen hatte. In dem schwachen Licht sah das Blut auf dem Griff und auf seinem Handgelenk wie schwarze Farbe aus.
Little kam wieder nach achtern. Der neue Dritte Offizier schien ihm noch sehr jung. Im nachsten Augenblick wurde er die Waffe in einer Aufwallung des Ekels daruber, was er mit ihr angerichtet hatte, uber Bord werfen. Das ware ein Jammer. Spater wurde ihm einfallen, da? er sie seinem Vater oder seiner Braut hatte schenken sollen.
Little sagte:»Geben Sie her, Sir, ich werde sie fur Sie reinigen. «Er sah, da? Bolitho zogerte, und fugte warm hinzu:»Sie war ein guter Kamerad fur Sie, und zu seinen Kameraden soll man halten, das sagt Ihnen Josh Little, Sir.»
Bolitho gab ihm die Waffe.»Ich glaube, Sie haben recht. «Er richtete sich straff auf, obwohl ihn jeder Muskel und jede Sehne schmerzten.
«Lebhaft, Leute! Wir haben noch viel zu tun. «Er rief sich die Worte des Kommandanten in Erinnerung:»Nichts geschieht von allein.»
Vom Fu? des Fockmastes aus, neben dem ein Haufen herabgefallener Takelage lag, beobachtete ihn Stockdale. Er nickte befriedigt. Wieder war ein Kampf voruber.
Bolitho wartete mude neben Dumaresqs Tisch in der Kajute der De-stiny. Er war so erschopft, da? seine Glieder nicht mehr automatisch die Schlingerbewegungen der Fregatte auffingen. Im truben Morgenlicht hatten sie lesen konnen, da? die Brigantine Heloise hie?, von
Bridport in der Grafschaft Dorset kam und in die Karibik kommandiert war. Unterwegs hatte sie in Madeira eine Ladung Wein ubernehmen sollen.
Als Dumaresq das Logbuch der Brigantine durchgeblattert hatte, warf er Bolitho einen Blick zu.
«Setzen Sie sich, Mr. Bolitho, bevor Sie umfallen!»
Er erhob sich und ging zu den achteren Seitenfenstern, pre?te sein Gesicht gegen das dicke Glas und schaute auf die Brigantine, die in Lee der Destiny lag. Palliser und ein frisches Prisenkommando hatten vor einiger Zeit ubergesetzt, und die Erfahrung des Ersten Offiziers war jetzt auch notig, um die Schaden auszubessern und das Schiff baldmoglichst wieder flott zu machen.
Dumaresq sagte:»Sie haben sich gut gehalten. Au?erordentlich gut. Fur einen so jungen Offizier mit so geringer Erfahrung in der Fuhrung von Leuten haben Sie mehr erreicht, als ich zu hoffen wagte. «Er verschrankte die Hande unter den Rockscho?en, als musse er Arger unterdrucken.»Aber sieben unserer Leute sind tot, weitere schwer verwundet. «Er griff nach oben und druckte mit dem Handrucken das Oberlicht auf.»Mr. Rhodes, versuchen Sie, herauszufinden, wo sich der verdammte Doktor herumtreibt!»
Bolitho verga? seine Mudigkeit, seine Enttauschung daruber, da? er das Kommando uber die Prise an den Ersten Offizier hatte abgeben mussen. Es faszinierte ihn zu beobachten, wie der Zorn in Dumaresq hochstieg: wie eine glimmende Zundschnur, deren Feuer sich dem Pulverfa? naherte. Sie hatte bewirkt, da? der arme Rhodes oben, als er die Stimme seines Kommandanten unter seinen Fu?en horte, aufsprang.
Dumaresq wandte sich wieder Bolitho zu.»Gute Manner haben ihr Leben verloren — durch Piraten und Morder, niemand anderen!«Von der falschen Berechnung, die beide Schiffe fast zu Wracks gemacht, aufjeden Fall aber schwer beschadigt hatte, kein Wort. Dagegen:»Ich wu?te, da? sie etwas vorhatten. Es wurde mir in Funchal klar, da? es daheim zu viele Augen und Ohren gegeben hatte. «Er zahlte die Argumente an seinen dicken Fingern ab:»Erst mein Schreiber, nur wegen des hhalts der Tasche. Dann die Brigantine, die England zur gleichen Zeit verlie?, als wir aus Plymouth ausliefen, und die dann >zufallig< zur gleichen Zeit mit uns in Madeira lag. Ihr Kapitan mu? gewu?t haben, da? ich nicht gegen den Wind aufkreuzen und ihn jagen konnte. So lange er sich in gebuhrender Entfernung hielt, war er sicher.»
Bolitho verstand. Hatte die Destiny ihren Vorsto? bei Tageslicht unternommen, hatte die Helolse den Vorteil ihrer Position nutzen konnen. Die Fregatte hatte sie zwar in jedem fairen Wettkampf ausgesegelt, doch bevor sie sie erreicht hatte, ware es dunkel geworden, und im Schutz der Dunkelheit konnte die Brigantine, wenn sie gut gefuhrt wurde, muhelos entwischen. Bolitho dachte an den hageren Mann, den er im Kampf niedergestochen hatte. Er tat ihm jetzt beinahe leid. Du-maresq hatte befohlen, da? er herubergebracht wurde, damit Bulkley, der Schiffsarzt, sein Leben rettete, wenn es moglich war.
Dumaresq fugte hinzu:»Wahrhaftig, es pa?t alles zusammen. Wir sind auf der richtigen Fahrte.»
Der Posten drau?en rief:»Der Schiffsarzt, Sir!»
Dumaresq warf dem schwitzenden Doktor einen kurzen Blick zu.»Es wird auch verdammt Zeit, Mann!»
Bulkley zuckte die Achseln, entweder weil ihn Dumaresqs explosives Temperament kalt lie?, oder weil er so daran gewohnt war, da? es ihm nichts mehr ausmachte.
«Der Mann lebt, Sir. Eine schlimme Wunde, aber ohne Verunreinigungen. «Er warf Bolitho einen neugierigen Blick zu.»Au?erdem ist er ein kraftiger Bursche. Ich bin uberrascht und befriedigt, Sie noch in einem Stuck vorzufinden, junger Mann.»
Dumaresq fuhr ungeduldig dazwischen:»Lassen wir das jetzt. Wie darf der Schurke es wagen, ein Schiff des Konigs herauszufordern! Er hat von mir keine Milde zu erwarten, dessen seien Sie sicher.»
Langsam beruhigte er sich. Es war wie nachlassender Seegang, dachte Bolitho.
«Ich mu? so viel wie moglich aus ihm herausholen. Mr. Palliser durchsucht inzwischen die Heloise, aber in Anbetracht dessen, was Mr. Bolitho schon tat, um etwas zu finden, habe ich wenig Hoffnung auf Erfolg. Aus ihrem Logbuch ist zu entnehmen, da? die Heloise im vorigen Jahr von Stapel gelaufen ist und erst vor einem knappen Monat fertiggestellt wurde. Fur ein Handelsschiff, das Gewinn einfahren soll, ist sie aber kaum gro? genug.»
Der Doktor bemerkte:»Mr. Jury geht's leidlich. Ein ha?licher
Schnitt, aber er ist ein gesunder Junge. Es wird sicher nichts davon bleiben.»
Dumaresq mu?te lacheln.»Ich habe mit ihm gesprochen, als er vom Kutter hochgetragen wurde. Da spielt wohl etwas Heldenverehrung mit, nicht wahr, Mr. Bolitho?»
«Er hat mir das Leben gerettet, Sir. Er hatte also keinen Grund, mich zu ruhmen.»
Dumaresq nickte.»Hm, wir werden sehen. «Er wechselte das Thema.»Wir wollen noch vor Anbruch der Dunkelheit gemeinsam lossegeln. Bis dahin mussen alle Mann kraftig zupacken. Mr. Palliser wird auf dem verdammten Piraten einen Ersatzmast aufriggen mussen. «Er schaute Bolitho an.»Informieren Sie das Achterdeck: Der Ausguck im Mast soll stundlich wechseln. Wir werden wegen der uns aufgezwungenen Verzogerung die Augen besonders offenhalten mussen, ob weitere Verfolger hinter uns her sind. Wie die Dinge liegen, haben wir eine nette kleine Prise, und niemand wei? etwas von dem Zwischenfall. Das mag uns in gewisser Weise sogar helfen.»
Bolitho stand mit schweren Beinen auf. Es wurde also keine Ruhepause geben.
Dumaresq sagte:»Lassen Sie die Leute um zwolf Uhr zur Beisetzungsfeier antreten, Mr. Bolitho. Wir werden die armen Burschen auf ihre letzte Reise schicken, solange wir noch beigedreht liegen. «Er zerstreute aufkommende Gefuhle durch den Nachsatz:»Es hat keinen Sinn, damit Zeit zu vertrodeln, wenn wir erst wieder in Fahrt sind.»
Bulkley folgte Bolitho am Posten drau?en vorbei und bis zum Niedergang, der ins Hauptdeck hinunterfuhrte. Der Arzt seufzte.»Er mu? den Bissen erst verdauen. «Bolitho sah ihn an und versuchte, seine Gedanken zu lesen. Aber zwischen den Decks war es zu dunkel, man konnte lediglich die Gerausche und Geruche des Schiffes wahrnehmen.»Sind es die Goldbarren?»