Kanonenfutter - Leutnant Bolithos Handstreich in Rio - Kent Alexander. Страница 48
Als sie Bolitho und seine Manner kommen sahen, hatten sie sicher geglaubt, er wolle Jagd auf sie machen. Sobald die Boote der Destiny auf den Pistolenschu? und die plotzliche Panik der Kutterbesatzung hin ans Ufer kamen, waren die Sklaven auch auf sie losgegangen. Colpoys hatte die Schwenkgeschutze und die Musketen auf sie gerichtet. Als der Pulverqualm sich verzogen hatte, war niemand mehr am Leben.
Bulkley machte auf der obersten Stufe des Niedergangs halt und lauschte dem Quietschen der Blocke und dem Getrappel der nackten Fu?e, als die Matrosen an Schoten und Brassen holten, um ihr Schiff auf den richtigen Kurs zu bringen.
Fur ein Kriegsschiff war dies nur ein kleines Zwischenspiel. Etwas, das man im Logbuch eintrug — bis zur nachsten Herausforderung, dem nachsten Kampf. Er warf einen Blick auf die hin und her pendelnde Hangelaterne und den rotrockigen Posten darunter.
Und doch, entschied er, gab es einige Dinge, fur die es sich zu leben lohnte.
XII Geheimnisse
Die Tage von Bolithos Genesung vergingen ihm wie ein Traum. Von seinem zwolften Lebensjahr an, seit er als Kadett zur See gegangen war, war er an die standigen Anforderungen des Bordlebens gewohnt. Bei Tag und bei Nacht, jederzeit und unter allen Bedingungen, war er bereit gewesen, mit seinen Kameraden zusammen jeden Befehl zu erfullen, und war sich gleichzeitig stets der Folgen bewu?t gewesen, wenn er seine Pflichten vernachlassigte.
Als aber die Destiny jetzt langsam durch die Karibik nordwarts segelte, war er gezwungen, sich mit seiner Tatenlosigkeit abzufinden, stillzuliegen und auf die vertrauten Gerausche vor der Kajute oder uber seinem Kopf zu lauschen.
Dieser Traum wurde ihm ertraglich durch die Gegenwart Auroras. Selbst die schrecklichen Schmerzen, die ihn plotzlich und erbarmungslos uberfielen, wurden durch sie irgendwie gemildert, gerade weil sie seine kummerlichen Versuche, sie vor ihr zu verbergen, durchschaute.
Sie hielt dann seine Hand oder legte ihm ein feuchtes Tuch auf die Augen. Manchmal, wenn der Schmerz seinen Schadel wie ein gluhendes Eisen zu durchbohren schien, umschlang sie seine Schultern und druckte das Gesicht an seine Brust, wobei sie leise Worte murmelte, als konne sie damit den Anfall besanftigen.
Wenn er sie von seinem Lager aus sehen konnte, beobachtete er jede ihrer Bewegungen. So lange seine Krafte reichten, erklarte er ihr die Schiffsgerausche, nannte ihr die Namen der Seeleute, soweit er sie selber kannte, und machte ihr deutlich, wie sie alle Hand in Hand arbeiten mu?ten, um das Schiff in Bewegung zu halten. Er erzahlte ihr von seinem Zuhause in Falmouth, von seinem Bruder, den beiden Schwestern und der langen Reihe seiner Vorfahren, die zu einem Teil der See selber geworden waren.
Aurora war immer sorgsam darauf bedacht, ihn nicht mit Fragen zu beunruhigen, und lie? ihn erzahlen, so lange ihm danach war. Sie futterte ihn auch, aber so, da? er sich nicht gedemutigt oder wie ein hilfloses Kind vorkam.
Nur wenn es ums Rasieren ging, war es ihr unmoglich, ernst zu bleiben.
«Aber lieber Richard, Sie brauchen doch noch gar keine Rasur!»
Bolitho bekam einen roten Kopf, weil er wu?te, da? sie recht hatte. Er rasierte sich ja auch sonst nur einmal in der Woche.
Schlie?lich sagte sie:»Ich tue es nur Ihnen zuliebe.»
Sie fuhrte das Rasiermesser mit gro?ter Vorsicht, achtete auf jeden Strich und warf gelegentlich einen Blick aus dem Heckfenster, um abzuwarten, bis das Schiff wieder auf ebenem Kiel lag.
Bolitho versuchte, sich zu entspannen, und war froh daruber, da? sie seine Verkrampfung der Angst vor dem Messer zuschrieb. In Wirklichkeit war ihre aufregende Nahe daran schuld, die Beruhrung ihrer Brust, als sie sich uber ihn neigte, und ihrer Hande auf seinem Gesicht und Hals.
«Fertig. «Sie trat zuruck und musterte ihn beifallig.»Sie sehen sehr. «Sie suchte nach einem passenden Wort ihres Vokabulars,». sehr vornehm aus.»
Bolitho fragte:»Darf ich sehen?«Er bemerkte ihr Zogern.»Bitte.»
Sie nahm einen Handspiegel vom Kajutbord und sagte:»Sie sind sehr kraftig. Sie werden wieder ganz gesund.»
Er starrte das Gesicht im Spiegel an. Es schien einem Fremden zu gehoren. Der Arzt hatte das Haar uber der rechten Schlafe wegrasiert und zwischen Haaransatz und Augenbrauen war seine Stirn rot und schwarz angelaufen. Bulkley schien zwar zufrieden, als er den Verband abgenommen hatte, aber fur Bolithos Augen wirkte die noch nicht verheilte Wunde, die noch durch die kreuz und quer laufenden Stiche der zusammenziehenden Naht vergro?ert war, absto?end.
Er sagte leise:»Ich mu? dich anwidern.»
Sie legte den Spiegel weg und sagte:»Nein, ich bin stolz auf dich. Nichts kann dich aus meinem Herzen vertreiben. Seit dem Augenblick, als du hereingetragen wurdest, war ich bei dir. Ich habe uber dich gewacht und kenne deinen Korper wie meinen eigenen. «Sie begegnete seinem fragenden Blick.»Diese Narbe wird bleiben, aber sie ist ein Ehrenzeichen und keine Schande.»
Etwas spater verlie? sie ihn, da Dumaresq sie zu sich gebeten hatte.
Der Kommandantensteward Macmillan erzahlte Bolitho, da? die Destiny am kommenden Tag die Insel Saint Christopher sichten wurde. Es war daher wahrscheinlich, da? der Kommandant die Angaben
Egmonts noch einmal uberprufen und sich vergewissern wollte, da? er auch jetzt dabei blieb.
Die Jagd nach dem verschwundenen Gold war Bolitho unwichtig. Wahrend der Schmerzanfalle und als er dann in Auroras Armen der Genesung entgegenging, hatte er viel Zeit gehabt, uber seine Zukunft nachzudenken. Vielleicht zu viel Zeit.
Der Fortschritt in seinem Befinden zeigte sich auch darin, da? verschiedene Besucher kamen. Rhodes, der vor Freude, ihn wiederzusehen, uber das ganze Gesicht strahlte, war unverfroren wie immer, als er meinte:»Jetzt sehen Sie wirklich wie ein Schreckgespenst aus, Richard. Da werden samtliche Dirnen Rei?aus nehmen, wenn wir in den nachsten Hafen einlaufen. «Im ubrigen war Rhodes sorgsam darauf bedacht, Aurora nicht zu erwahnen.
Auch Palliser erschien, und seine Worte kamen fast einer Entschuldigung nahe:»Wenn ich — wie Colpoys vorschlug — Seesoldaten mitgeschickt hatte, ware das Ganze nicht passiert. «Er zuckte mit den Schultern und sah sich in der Kajute um. Sein Blick blieb auf den weiblichen Kleidungsstucken ruhen, die von der Zofe vor den Heckfenstern zum Trocknen aufgehangt waren.»Aber offenbar hat Ihr Krankenlager auch angenehme Seiten.»
Bulkley und der Schreiber des Kommandanten beaufsichtigten Bo-lithos erste Schritte aus der Kajute. Bolitho geno? es, wie das Schiff unter seinen nackten Fu?en lebte, aber er wu?te auch, da? er noch sehr schwach und schwindlig war, so sehr er das auch zu verbergen suchte.
«Durfte eine schwere Fraktur sein«, sagte Spillane, und Bulkley wunschte ihn und seine medizinischen Kenntnisse dafur zum Teufel. Er antwortete barsch:»Unsinn! Aber immerhin ist es erst ein paar Tage her.»
Bolitho hatte mit dem Tod gerechnet; je weiter seine Genesung fortschritt, desto undenkbarer schien es ihm, einen anderen Weg einschlagen zu mussen: da? er mit dem nachsten Schiff nach Hause geschickt, aus der Marine entlassen und nicht einmal auf Halbsold» zur spateren Verwendung «gesetzt werden wurde.
Gerne hatte er sich bei Stockdale bedankt, aber dem war es trotz seiner guten Beziehungen an Bord bisher nicht gelungen, am Posten Kajute vorbeizukommen. Alle Midshipmen mit der bemerkenswerten Ausnahme von Coldroy hatten ihn besucht und seine schreckliche Narbe mit einem Gemisch aus Mitleid und Ehrfurcht angestarrt. Jury war es unmoglich gewesen, seine Gefuhle zuruckzuhalten.»Und ich habe wegen eines Nadelstichs geheult wie ein Baby!«rief er aus.
Es war schon spater Abend, als Aurora in die Kajute zuruckkehrte. Er spurte eine Veranderung an ihr, bemerkte die Geistesabwesenheit, mit der sie sein Kopfkissen glattstrich und nachschaute, ob seine Wasserkaraffe gefullt war.