Harry Potter und der Gefangene von Askaban - Rowling Joanne Kathleen. Страница 28

»Es ist ein Gestaltwandler«, sagte sie.»Er kann die Gestalt dessen annehmen, wovor wir, wie er spurt, am meisten Angst haben.«

»Das hatte ich selber nicht besser ausdrucken konnen«, sagte Professor Lupin, und Hermine strahlte.»Der Irrwicht sitzt also in der Dunkelheit herum und hat noch keine Gestalt angenommen. Er wei? noch nicht, was der Person auf der anderen Seite der Tur Angst macht. Keiner wei?, wie ein Irrwicht aussieht, wenn er allein ist, doch wenn wir ihn herauslassen, wird er sich sofort in das verwandeln, was wir am meisten furchten.

Und das hei?t«, fuhr Professor Lupin fort, ohne Nevilles leises entsetztes Keuchen zu beachten,»da? wir von Anfang an gewaltig im Vorteil sind. Kannst du dir denken, warum, Harry?«

Eine Antwort zu versuchen, wahrend Hermine neben ihm auf den Fu?ballen auf- und abhupfte und die Hand in die Luft streckte, war ziemlich lastig, doch Harry hatte einen Einfall.

»Ahm – weil wir so viele sind und er nicht wei?, welche Gestalt er annehmen soll?«

»Genau«, sagte Professor Lupin und Hermine lie? ein wenig enttauscht die Hand sinken.»Man sollte nie allein sein, wenn man es mit einem Irrwicht aufnehmen will. Das bringt ihn durcheinander. Was soll er denn werden, eine kopflose Leiche oder eine Fleisch fressende Schnecke? Ich hab mal einen Irrwicht gesehen, der diesen Fehler gemacht hat – wollte zwei Leute auf einmal erschrecken und hat sich in eine halbe Schnecke verwandelt. Einfach lacherlich.

Der Zauber, der einen Irrwicht vertreibt, ist einfach, aber er verlangt geistige Anstrengung. Was einem Irrwicht wirklich den Garaus macht, ist namlich Gelachter. Ihr mu?t versuchen ihn zu zwingen, eine Gestalt anzunehmen, die ihr komisch findet.

Wir uben den Zauber erst mal ohne Zauberstab. Nach mir, bitte… Riddikulus!«

»Riddikulus!«, sagte die Klasse wie aus einem Mund.

»Gut«, sagte Professor Lupin.»Sehr gut. Aber das war leider nur der leichte Teil. Denn das Wort allein genugt nicht. Und jetzt bist du dran, Neville.«

Der Schrank fing wieder an zu zittern, allerdings nicht so heftig wie Neville, der einige Schritte vortrat, als ob es zum Galgen ginge.

»Schon, Neville«, sagte Professor Lupin.»Das Wichtigste zuerst: Was, wurdest du sagen, ist es, das dir am meisten auf der Welt Angst macht?«

Nevilles Lippen bewegten sich, doch kein Wort kam heraus.

»Verzeihung, Neville, ich hab dich nicht verstanden«, sagte Professor Lupin gut gelaunt.

Neville sah sich mit panischem Blick um, als ob er jemanden bitten wollte, ihm zu helfen, dann sagte er, kaum vernehmlich flusternd:

»Professor Snape.«

Fast alle lachten. Selbst Neville grinste peinlich verlegen. Professor Lupin jedoch war nachdenklich geworden.

»Professor Snape… hmmm… Neville, stimmt es, da? du bei deiner Gro?mutter lebst?«

»Ahm – ja«, sagte Neville nervos.»Aber ich will nicht, da? der Irrwicht sich in sie verwandelt.«

»Nein, nein, du verstehst mich falsch«, sagte Professor Lupin und lachelte jetzt.»Ich frage mich – konntest du uns sagen, was fur Kleider deine Gro?mutter normalerweise tragt?«

Neville wirkte verdutzt, doch er antwortete:

»Na ja… immer denselben Hut. Einen hohen mit einem ausgestopften Geier drauf, Und ein langes Kleid… meist grun… und manchmal einen Schal aus Fuchsfell.«

»Und eine Handtasche?«, half Professor Lupin nach.

»Eine gro?e rote«, sagte Neville.

»Sehr schon«, sagte Professor Lupin.»Kannst du dir diese Kleidung ganz genau vorstellen, Neville? Kannst du sie vor deinem geistigen Auge sehen?«

»Ja«, sagte Neville unsicher, sich offensichtlich fragend, was als Nachstes kommen wurde.

»Wenn der Irrwicht aus diesem Schrank fahrt und dich sieht, Neville, wird er die Gestalt von Professor Snape annehmen«, sagte Lupin.»Und du hebst deinen Zauberstab – so – und rufst >Riddikulus< – und denkst ganz fest an die Kleider deiner Gro?mutter. Wenn alles gut geht, wird Professor Irrwicht Snape gezwungen sein, mit diesem Geierhut, dem grunen Kleid und der gro?en roten Handtasche aufzutreten.«

Die Klasse lachte laut auf Der Schrank zitterte noch heftiger.

»Wenn Neville es gut macht, wird der Irrwicht seine Aufmerksamkeit danach wahrscheinlich uns zuwenden, und zwar einem nach dem andern«, sagte Professor Lupin.»Ich mochte, da? ihr alle mal kurz uberlegt, was euch am meisten Angst macht, und euch vorstellt, wie man es zwingen kann, komisch auszusehen…«

Im Zimmer wurde es still. Harry dachte nach… wovor hatte er am meisten Angst?

Als Erstes fiel ihm Lord Voldemort ein – ein Voldemort, der seine alte Kraft wiedererlangt hatte. Doch bevor er auch nur angefangen hatte, einen moglichen Gegenangriff auf einen Irrwicht-Voldemort zu planen, drang ein schrecklicher Gedanke in sein Bewu?tsein…

Harry schauderte und sah sich um in der Hoffnung, niemand wurde es bemerken. Viele um ihn her hatten die Augen fest geschlossen. Ron murmelte vor sich hin, etwas wie»nimm ihr die Beine weg«. Harry wu?te ziemlich sicher, an was Ron dachte. Die gro?te Angst hatte er vor Spinnen.

»Seid ihr bereit?«, fragte Professor Lupin.

Harry spurte, wie ihm Angst die Kehle zuschnurte. Er war noch nicht bereit. Wie sollte er denn einen Dementor weniger schrecklich aussehen lassen? Doch um Zeit bitten wollte er nicht; alle andern nickten und rollten die Armel hoch.

»Neville, wir gehen ein paar Schritte zuruck«, sagte Professor Lupin.»Dann hast du freie Bahn, klar? Ich rufe dann den Nachsten auf… alle zurucktreten jetzt, damit Neville richtig zielen kann.«

Sie gingen zuruck und lehnten sich gegen die Wand; Neville stand jetzt allein vor dem Schrank. Er sah bla? und verangstigt aus, doch er hatte die Armel seines Umhangs hochgekrempelt und hielt seinen Zauberstab bereit.

»Ich zahle bis drei, Neville«, sagte Professor Lupin und deutete mit seinem Zauberstab auf den Turknopf des Schranks.»Eins – zwei – drei – jetzt!«

Sterne stoben aus der Spitze von Professor Lupins Zauberstab und trafen den Turknopf Die Schrankturen flogen auf. Hakennasig und drohend trat Professor Snape heraus und richtete seine blitzenden Augen auf Neville.

Neville wich zuruck, den Zauberstab erhoben, und bewegte stumm den Mund. Snape griff in seinen Umhang und ging drohend auf ihn zu.

»R – r – riddikulus!«, quiekte Neville.

Es gab einen Knall, ahnlich dem Knall einer Peitsche. Snape stolperte; er trug jetzt ein langes, spitzenbesetztes Kleid, einen turmhohen Hut, auf dessen Spitze ein mottenzerfressener Geier sa?, und an seinem Handgelenk schlenkerte eine enorme rote Handtasche.

Drohnendes Gelachter brach aus; der Irrwicht erstarrte, heillos verwirrt, und Professor Lupin rief:

»Parvati! Du bist dran!«

Parvati trat mit entschlossener Miene nach vorne. Drohend wandte sich Snape ihr zu. Wieder knallte es und wo er gestanden hatte, erschien eine blutbefleckte, bandagierte Mumie; ihr augenloses Antlitz Parvati zugewandt, begann sie trage schlurfend auf das Madchen zuzugehen und hob die Arme.

»Riddikulus!«, schrie Parvati.

Am Fu? der Mumie loste sich eine Bandage; die Mumie verhedderte sich und fiel mit dem Gesicht auf den Boden; der Kopf rollte davon.

»Seamus!«, rief Professor Lupin.

Seamus scho? an Parvati vorbei.

Knall! Wo die Mumie gewesen war, stand eine Frau mit schwarzem Haar, das bis zum Boden reichte, und einem grunlichen, skelettartigen Gesicht – eine Todesfee. Sie machte den Mund weit auf und ein Klang wie nicht von dieser Welt erfullte den Raum, ein lang gezogener, wehklagender Schrei, der Harry die Haare zu Berge stehen lie?.

»Riddikulus!«, rief Seamus.

Die Todesfee machte ein rasselndes Gerausch und griff sich an die Kehle; sie hatte ihre Stimme verloren.

Knall! Die Todesfee verwandelte sich in eine Ratte, die im Kreis herumrasend ihrem eigenen Schwanz nachjagte und dann – knall! – zu einem blutigen Augapfel wurde.

»Er ist durcheinander!«, rief Lupin,»bald haben wir's geschafft! Dean!«