G?tz von Berlichingen - фон Гёте Иоганн Вольфганг. Страница 5
Weislingen . Wozu soll das alles?
Gotz . Wollte Gott, ich konnt's vergessen, oder es war anders! Bist du nicht ebenso frei, so edel geboren als einer in Deutschland, unabhangig, nur dem Kaiser untertan, und du schmiegst dich unter Vasallen? Was hast du von dem Bischof? Weil er dein Nachbar ist? dich necken konnte? Hast du nicht Arme und Freunde, ihn wieder zu necken? Verkennst den Wert eines freien Rittersmanns, der nur abhangt von Gott, seinem Kaiser und sich selbst! Verkriechst dich zum ersten Hofschranzen eines eigensinnigen neidischen Pfaffen!
Weislingen . La?t mich reden.
Gotz . Was hast du zu sagen?
Weislingen . Du siehst die Fursten an, wie der Wolf den Hirten. Und doch, darfst du sie schelten, da? sie ihrer Leut und Lander Bestes wahren? Sind sie denn einen Augenblick vor den ungerechten Rittern sicher, die ihre Untertanen auf allen Stra?en anfallen, ihre Dorfer und Schlosser verheeren? Wenn nun auf der andern Seite unsers teuern Kaisers Lander der Gewalt des Erbfeindes ausgesetzt sind, er von den Standen Hulfe begehrt, und sie sich kaum ihres Lebens erwehren: ist's nicht ein guter Geist, der ihnen einrat, auf Mittel zu denken, Deutschland zu beruhigen, Recht und Gerechtigkeit zu handhaben, um einen jeden, Gro?en und Kleinen, die Vorteile des Friedens genie?en zu machen? Und uns verdenkst du's, Berlichingen, da? wir uns in ihren Schutz begeben, deren Hulfe uns nah ist, statt da? die entfernte Majestat sich selbst nicht beschutzen kann.
Gotz . Ja! ja! Ich versteh! Weislingen, waren die Fursten, wie Ihr sie schildert, wir hatten alle, was wir begehren. Ruh und Frieden! Ich glaub's wohl! Den wunscht jeder Raubvogel, die Beute nach Bequemlichkeit zu verzehren. Wohlsein eines jeden! Da? sie sich nur darum graue Haare wachsen lie?en! Und mit unserm Kaiser spielen sie auf eine unanstandige Art. Er meint's gut und mocht gern bessern. Da kommt denn alle Tage ein neuer Pfannenflicker und meint so und so. Und weil der Herr geschwind etwas begreift, und nur reden darf, um tausend Hande in Bewegung zu setzen, so denkt er, es war auch alles so geschwind und leicht ausgefuhrt. Nun ergehn Verordnungen uber Verordnungen, und wird eine uber die andere vergessen; und was den Fursten in ihren Kram dient, da sind sie hinterher, und gloriieren von Ruh und Sicherheit des Reichs, bis sie die Kleinen unterm Fu? haben. Ich will darauf schworen, es dankt mancher in seinem Herzen Gott, da? der Turk dem Kaiser die Waage halt.
Weislingen . Ihr seht's von Eurer Seite.
Gotz . Das tut jeder. Es ist die Frage, auf welcher Licht und Recht ist, und eure Gange scheuen wenigstens den Tag.
Weislingen . Ihr durft reden, ich bin der Gefangne.
Gotz . Wenn Euer Gewissen rein ist, so seid Ihr frei. Aber wie war's um den Landfrieden? Ich wei? noch, als ein Bub von sechzehn Jahren war ich mit dem Markgrafen auf dem Reichstag. Was die Fursten da fur weite Mauler machten, und die Geistlichen am argsten. Euer Bischof larmte dem Kaiser die Ohren voll, als wenn ihm wunder wie! die Gerechtigkeit ans Herz gewachsen ware; und jetzt wirft er mir selbst einen Buben nieder, zur Zeit da unsere Handel vertragen sind, ich an nichts Boses denke. Ist nicht alles zwischen uns geschlichtet? Was hat er mit dem Buben?
Weislingen . Es geschah ohne sein Wissen.
Gotz . Warum gibt er ihn nicht wieder los?
Weislingen . Er hat sich nicht aufgefuhrt, wie er sollte.
Gotz . Nicht wie er sollte? Bei meinem Eid, er hat getan, wie er sollte, so gewi? er mit Eurer und des Bischofs Kundschaft gefangen ist. Meint Ihr, ich komm erst heut auf die Welt, da? ich nicht sehen soll, wo alles hinaus will?
Weislingen . Ihr seid argwohnisch und tut uns unrecht.
Gotz . Weislingen, soll ich von der Leber weg reden? Ich bin euch ein Dorn in den Augen, so klein ich bin, und der Sickingen und Selbitz nicht weniger, weil wir fest entschlossen sind, zu sterben eh, als jemanden die Luft zu verdanken, au?er Gott, und unsere Treu und Dienst zu leisten, als dem Kaiser. Da ziehen sie nun um mich herum, verschwarzen mich bei Ihro Majestat und ihren Freunden und meinen Nachbarn, und spionieren nach Vorteil uber mich. Aus dem Wege wollen sie mich haben, wie's ware. Darum nahmt ihr meinen Buben gefangen, weil ihr wu?tet, ich hatt' ihn auf Kundschaft ausgeschickt; und darum tat er nicht, was er sollte, weil er mich nicht an euch verriet. Und du, Weislingen, bist ihr Werkzeug!
Weislingen . Berlichingen!
Gotz . Kein Wort mehr davon! Ich bin ein Feind von Explikationen; man betriegt sich oder den andern, und meist beide.
Karl . Zu Tisch, Vater.
Gotz . Frohliche Botschaft! — Kommt! ich hoffe, meine Weibsleute sollen Euch munter machen. Ihr wart sonst ein Liebhaber, die Fraulein wu?ten von Euch zu erzahlen. Kommt! (Ab.)
Im bischoflichen Palaste zu Bamberg
Der Speisesaal
Bischof von Bamberg. Abt von Fulda. Olearius. Liebetraut. Hofleute.
An Tafel. Der Nachtisch und die gro?en Pokale werden aufgetragen.
Bischof . Studieren jetzt viele Deutsche von Adel zu Bologna?
Olearius . Vom Adel- und Burgerstande. Und ohne Ruhm zu melden, tragen sie das gro?te Lob davon. Man pflegt im Sprichwort auf der Akademie zu sagen:»So flei?ig wie ein Deutscher von Adel. «Denn indem die Burgerlichen einen ruhmlichen Flei? anwenden, durch Talente den Mangel der Geburt zu ersetzen, so bestreben sich jene, mit ruhmlicher Wetteiferung, ihre angeborne Wurde durch die glanzendsten Verdienste zu erhohen.
Abt . Ei!
Liebetraut . Sag einer, was man, nicht erlebet. So flei?ig wie ein Deutscher von Adel! Das hab ich mein Tage nicht gehort.
Olearius . Ja, sie sind die Bewunderung der ganzen Akademie. Es werden ehestens einige von den altesten und geschicktesten als Doktores zuruckkommen. Der Kaiser wird glucklich sein, die ersten Stellen damit besetzen zu konnen.
Bischof . Das kann nicht fehlen.
Abt . Kennen Sie nicht zum Exempel einen Junker? — Er ist aus Hessen —
Olearius . Es sind viel Hessen da.
Abt . Er hei?t — er ist — Wei? es keiner von euch? — Seine Mutter war eine von — Oh! Sein Vater hatte nur ein Aug — und war Marschall.
Liebetraut . Von Wildenholz?
Abt . Recht — von Wildenholz.
Olearius . Den kenn ich wohl, ein junger Herr von vielen Fahigkeiten. Besonders ruhmt man ihn wegen seiner Starke im Disputieren.
Abt . Das hat er von seiner Mutter.
Liebetraut . Nur wollte sie ihr Mann niemals drum ruhmen.
Bischof . Wie sagtet Ihr, da? der Kaiser hie?, der Euer» Corpus Juris «geschrieben hat?
Olearius . Justinianus.
Bischof . Ein trefflicher Herr! er soll leben!
Olearius . Sein Andenken!
(Sie trinken.)
Abt . Es mag ein schon Buch sein.
Olearius . Man mocht's wohl ein Buch aller Bucher nennen; eine Sammlung aller Gesetze; bei jedem Fall der Urteilsspruch bereit; und was ja noch abgangig oder dunkel ware, ersetzen die Glossen, womit die gelehrtesten Manner das vortrefflichste Werk geschmuckt haben.
Abt . Eine Sammlung aller Gesetze! Potz! Da mussen wohl auch die Zehn Gebote drin sein.
Olearius . Implicite wohl, nicht explicite.
Abt . Das mein ich auch, an und vor sich, ohne weitere Explikation.
Bischof . Und was das Schonste ist, so konnte, wie Ihr sagt, ein Reich in sicherster Ruhe und Frieden leben, wo es vollig eingefuhrt und recht gehandhabt wurde.
Olearius . Ohne Frage.
Bischof . Alle Doctores Juris!
Olearius . Ich werd's zu ruhmen wissen. (Sie trinken.) Wollte Gott, man sprache so in meinem Vaterlande!
Abt . Wo seid Ihr her, hochgelahrter Herr?
Olearius . Von Frankfurt am Main, Ihro Eminenz zu dienen.
Bischof . Steht ihr Herrn da nicht wohl angeschrieben? Wie kommt das?
Olearius . Sonderbar genug. Ich war da, meines Vaters Erbschaft abzuholen; der Pobel hatte mich fast gesteinigt, wie er horte, ich sei ein Jurist.
Abt . Behute Gott!
Olearius . Aber das kommt daher: Der Schoppenstuhl, der in gro?em Ansehn weit umher steht, ist mit lauter Leuten besetzt, die der Romischen Rechte unkundig sind. Man glaubt, es sei genug, durch Alter und Erfahrung sich eine genaue Kenntnis des innern und au?ern Zustandes der Stadt zu erwerben. So werden, nach altem Herkommen und wenigen Statuten, die Burger und die Nachbarschaft gerichtet.
Abt . Das ist wohl gut.
Olearius . Aber lange nicht genug. Der Menschen Leben ist kurz, und in einer Generation kommen nicht alle Kasus vor. Eine Sammlung solcher Falle von vielen Jahrhunderten ist unser Gesetzbuch. Und dann ist der Wille und die Meinung der Menschen schwankend; dem deucht heute das recht, was der andere morgen mi?billiget; und so ist Verwirrung und Ungerechtigkeit unvermeidlich. Das alles bestimmen die Gesetze; und die Gesetze sind unveranderlich.
Abt . Das ist freilich besser.
Olearius . Das erkennt der Pobel nicht, der, so gierig er auf Neuigkeiten ist, das Neue hochst verabscheuet, das ihn aus seinem Gleise leiten will, und wenn er sich noch so sehr dadurch verbessert. Sie halten den Juristen so arg, als einen Verwirrer des Staats, einen Beutelschneider, und sind wie rasend, wenn einer dort sich niederzulassen gedenkt.
Liebetraut . Ihr seid von Frankfurt! Ich bin wohl da bekannt. Bei Kaiser Maximilians Kronung haben wir Euern Brautigams was vorgeschmaust. Euer Name ist Olearius? Ich kenne so niemanden.
Olearius . Mein Vater hie? Ohlmann. Nur, den Mi?stand auf dem Titel meiner lateinischen Schriften zu vermeiden, nenn ich mich, nach dem Beispiel und auf Anraten wurdiger Rechtslehrer, Olearius.
Liebetraut . Ihr tatet wohl, da? Ihr Euch ubersetztet. Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande, es hatt' Euch in Eurer Muttersprache auch so gehen konnen.
Olearius . Es war nicht darum.
Liebetraut . Alle Dinge haben ein paar Ursachen.
Abt . Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande!
Liebetraut . Wi?t Ihr auch warum, hochwurdiger Herr?
Abt . Weil er da geboren und erzogen ist.
Liebetraut . Wohl! Das mag die eine Ursache sein. Die andere ist: Weil, bei einer naheren Bekanntschaft mit den Herrn, der Nimbus von Ehrwurdigkeit und Heiligkeit wegschwindet, den uns eine neblichte Ferne um sie herumlugt; und dann sind sie ganz kleine Stumpfchen Unschlitt.