Reineke Fuchs - Goethe Johann Wolfgang. Страница 25

Elfter Gesang

Isegrim klagte, der Wolf, und sprach: Ihr werdet verstehen!

Reineke, gnadiger Konig, so wie er immer ein Schalk war,

Bleibt er es auch und steht und redet schandliche Dinge,

Mein Geschlecht zu beschimpfen und mich. So hat er mir immer,

Meinem Weibe noch mehr, empfindliche Schande bereitet.

So bewog er sie einst, in einem Teiche zu waten

Durch den Morast und hatte versprochen, sie solle des Tages

Viele Fische gewinnen; sie habe den Schwanz nur ins Wasser

Einzutauchen und hangen zu lassen: es wurden die Fische

Fest sich bei?en, sie konne selbviert nicht alle verzehren.

Watend kam sie darauf und schwimmend gegen das Ende,

Gegen den Zapfen; da hatte das Wasser sich tiefer gesammelt,

Und er hie? sie den Schwanz ins Wasser hangen. Die Kalte

Gegen Abend war gro?, und grimmig begann es zu frieren,

Da? sie fast nicht langer sich hielt; so war auch in kurzem

Ihr der Schwanz ins Eis gefroren, sie konnt ihn nicht regen,

Glaubte, die Fische waren so schwer, es ware gelungen.

Reineke merkt' es, der schandliche Dieb, und was er getrieben,

Darf ich nicht sagen, er kam und ubermannte sie leider.

Von der Stelle soll er mir nicht! es kostet der Frevel

Einen von beiden, wie Ihr uns seht, noch heute das Leben.

Denn er schwatzt sich nicht durch; ich hab ihn selber betroffen

Uber der Tat, mich fuhrte der Zufall am Hugel den Weg her.

Laut um Hilfe hort ich sie schreien, die arme Betrogne,

Fest im Eise stand sie gefangen und konnt ihm nicht wehren,

Und ich kam und mu?te mit eignen Augen das alles

Sehen! Ein Wunder furwahr, da? mir das Herz nicht gebrochen.

Reineke! rief ich: was tust du? Er horte mich kommen und eilte

Seine Stra?e. Da ging ich hinzu mit traurigem Herzen,

Mu?te waten und frieren im kalten Wasser und konnte

Nur mit Muhe das Eis zerbrechen, mein Weib zu erlosen.

Ach, es ging nicht glucklich vonstatten! sie zerrte gewaltig,

Und es blieb ihr ein Viertel des Schwanzes im Eise gefangen.

Jammernd klagte sie laut und viel, das horten die Bauern,

Kamen hervor und spurten uns aus und riefen einander.

Hitzig liefen sie uber den Damm mit Piken und Axten,

Mit dem Rocken kamen die Weiber und larmten gewaltig:

Fangt sie! schlagt nur und werft! so riefen sie gegeneinander.

Angst wie damals empfand ich noch nie, das gleiche bekennet

Gieremund auch, wir retteten kaum mit Muhe das Leben,

Liefen, es rauchte das Fell. Da kam ein Bube gelaufen,

Ein vertrackter Geselle, mit einer Pike bewaffnet;

Leicht zu Fu?e, stach er nach uns und drangt' uns gewaltig.

Ware die Nacht nicht gekommen, wir hatten das Leben gelassen.

Und die Weiber riefen noch immer, die Hexen, wir hatten

Ihre Schafe gefressen. Sie hatten uns gerne getroffen,

Schimpften und schmahten hinter uns drein. Wir wandten uns aber

Von dem Lande wieder zum Wasser und schlupften behende

Zwischen die Binsen; da trauten die Bauern nicht weiter zu folgen,

Denn es war dunkel geworden, sie machten sich wieder nach Hause.

Knapp entkamen wir so. Ihr sehet, gnadiger Konig,

Uberwaltigung, Mord und Verrat, von solchen Verbrechen

Ist die Rede; die werdet Ihr streng, mein Konig, bestrafen.

Als der Konig die Klage vernommen, versetzt' er: Es werde

Rechtlich hieruber erkannt, doch la?t uns Reineken horen.

Reineke sprach: Verhielt' es sich also, wurde die Sache

Wenig Ehre mir bringen, und Gott bewahre mich gnadig,

Da? man es fande, wie er erzahlt! Doch will ich nicht leugnen,

Da? ich sie Fische fangen gelehrt und auch ihr die beste

Stra?e, zu Wasser zu kommen, und sie zu dem Teiche gewiesen.

Aber sie lief so gierig darnach, sobald sie nur Fische

Nennen gehort, und Weg und Ma? und Lehre verga? sie.

Blieb sie fest im Eise befroren, so hatte sie freilich

Viel zu lange gesessen; denn hatte sie zeitig gezogen,

Hatte sie Fische genug zum kostlichen Mahle gefangen.

Allzu gro?e Begierde wird immer schadlich. Gewohnt sich

Ungenugsam das Herz, so mu? es vieles vermissen;

Wer den Geist der Gierigkeit hat, er lebt nur in Sorgen,

Niemand sattiget ihn. Frau Gieremund hat es erfahren,

Da sie im Eise befror. Sie dankt nun meiner Bemuhung

Schlecht. Das hab ich davon, da? ich ihr redlich geholfen!

Denn ich schob und wollte mit allen Kraften sie heben,

Doch sie war mir zu schwer, und uber dieser Bemuhung

Traf mich Isegrim an, der langs dem Ufer daherging,

Stand da droben und rief und fluchte grimmig herunter.

Ja furwahr, ich erschrak, den schonen Segen zu horen.

Eins und zwei- und dreimal warf er die gra?lichsten Fluche

Uber mich her und schrie, von wildem Zorne getrieben,

Und ich dachte: du machst dich davon und wartest nicht langer;

Besser laufen, als faulen. Ich hatt es eben getroffen,

Denn er hatte mich damals zerrissen. Und wenn es begegnet,

Da? zwei Hunde sich bei?en um Einen Knochen, da mu? wohl

Einer verlieren. So schien mir auch da das Beste geraten,

Seinem Zorn zu entweichen und seinem verworrnen Gemute.

Grimmig war er und bleibt es, wie kann ers leugnen? Befraget

Seine Frau; was hab ich mit ihm, dem Lugner, zu schaffen?

Denn sobald er sein Weib im Eise befroren bemerkte,

Flucht' und schalt er gewaltig und kam und half ihr entkommen.

Machten die Bauern sich hinter sie her, so war es zum besten;

Denn so kam ihr Blut in Bewegung, sie froren nicht langer.

Was ist weiter zu sagen? Es ist ein schlechtes Benehmen,

Wer sein eigenes Weib mit solchen Lugen beschimpfet.

Fragt sie selber, da steht sie, und hatt er die Wahrheit gesprochen,

Wurde sie selber zu klagen nicht fehlen. Indessen erbitt ich

Eine Woche mir Frist, mit meinen Freunden zu sprechen,

Was fur Antwort dem Wolf und seiner Klage gebuhret.

Gieremund sagte darauf: In Eurem Treiben und Wesen

Ist nur Schalkheit, wir wissen es wohl, und Lugen und Trugen,

Buberei, Tauschung und Trotz. Wer Euren verfanglichen Reden

Glaubt, wird sicher am Ende beschadigt. Immer gebraucht Ihr

Lose verworrene Worte. So hab ichs am Borne gefunden.

Denn zwei Eimer hingen daran, Ihr hattet in einen,

Wei? ich, warum? Euch gesetzt und wart herniedergefahren;

Nun vermochtet Ihr nicht, Euch selber wieder zu heben,

Und Ihr klagtet gewaltig. Des Morgens kam ich zum Brunnen,

Fragte: Wer bracht Euch herein? Ihr sagtet: Kommt Ihr doch eben,

Liebe Gevatterin, recht! ich gonn Euch jeglichen Vorteil;

Steigt in den Eimer da droben, so fahrt Ihr hernieder und esset

Hier an Fischen Euch satt. Ich war zum Ungluck gekommen,

Denn ich glaubt es, Ihr schwurt noch dazu: Ihr hattet so viele

Fische verzehrt, es schmerz Euch der Leib. Ich lie? mich betoren,

Dumm, wie ich war, und stieg in den Eimer; da ging er hernieder

Und der andere wieder herauf, Ihr kamt mir entgegen.

Wunderlich schien mirs zu sein, ich fragte voller Erstaunen:

Sagt, wie gehet das zu? Ihr aber sagtet dawider:

Auf und ab, so gehts in der Welt, so geht es uns beiden.

Ist es doch also der Lauf. Erniedrigt werden die einen,

Und die andern erhoht, nach eines jeglichen Tugend.

Aus dem Eimer sprangt Ihr und lieft und eiltet von dannen.

Aber ich sa? im Brunnen bekummert und mu?te den Tag lang

Harren und Schlage genug am selbigen Abend erdulden,

Eh ich entkam. Es traten zum Brunnen einige Bauern,

Sie bemerkten mich da. Von grimmigem Hunger gepeinigt,

Sa? ich in Trauer und Angst, erbarmlich war mir zumute.

Untereinander sprachen die Bauern: Da sieh nur, im Eimer

Sitzt da unten der Feind, der unsre Schafe vermindert.

Hol ihn herauf, versetzte der eine: ich halte mich fertig

Und empfang ihn am Rand, er soll uns die Lammer bezahlen!

Wie er mich aber empfing, das war ein Jammer! Es fielen

Schlag auf Schlage mir uber den Pelz, ich hatte mein Leben

Keinen traurigern Tag, und kaum entrann ich dem Tode.

Reineke sagte darauf. Bedenkt genauer die Folgen,

Und Ihr findet gewi?, wie heilsam die Schlage gewesen.

Ich fur meine Person mag lieber dergleichen entbehren,

Und wie die Sache stand, so mu?te wohl eines von beiden

Sich mit den Schlagen beladen, wir konnten zugleich nicht entgehen.

Wenn Ihrs Euch merkt, so nutzt es Euch wohl, und kunftig vertraut Ihr

Keinem so leicht in ahnlichen Fallen. Die Welt ist voll Schalkheit.

Ja, versetzte der Wolf: was braucht es weiter Beweise!

Niemand verletzte mich mehr, als dieser bose Verrater.

Eines erzahlt ich noch nicht, wie er in Sachsen mich einmal

Unter das Affengeschlecht zu Schand und Schaden gefuhret.

Er beredete mich, in eine Hohle zu kriechen,

Und er wu?te voraus, es wurde mir Ubels begegnen.

War ich nicht eilig entflohn, ich war um Augen und Ohren

Dort gekommen. Er sagte vorher mit gleisenden Worten:

Seine Frau Muhme find ich daselbst, er meinte die Affin;

Doch es verdro? ihn, da? ich entkam. Er schickte mich tuckisch

In das abscheuliche Nest, ich dacht, es ware die Holle.

Reineke sagte darauf vor allen Herren des Hofes:

Isegrim redet verwirrt, er scheint nicht vollig bei Sinnen.

Von der Affin will er erzahlen, so sag er es deutlich.

Drittehalb Jahr sinds her, als nach dem Lande zu Sachsen

Er mit gro?em Prassen gezogen, wohin ich ihm folgte.

Das ist wahr, das ubrige lugt er. Es waren nicht Affen,

Meerkatzen warens, von welchen er redet; und nimmermehr werd ich

Diese fur meine Muhmen erkennen. Martin, der Affe,

Und Frau Ruckenau sind mir verwandt; sie ehr ich als Muhme,

Ihn als Vetter, und ruhme mich des. Notarius ist er

Und versteht sich aufs Recht. Doch was von jenen Geschopfen

Isegrim sagt, geschieht mir zum Hohn, ich habe mit ihnen

Nichts zu tun, und nie sinds meine Verwandten gewesen;

Denn sie gleichen dem hollischen Teufel. Und da? ich die Alte

Damals Muhme gehei?en, das tat ich mit gutem Bedachte.

Nichts verlor ich dabei, das will ich gerne gestehen:

Gut gastierte sie mich, sonst hatte sie mogen ersticken.

Seht, Ihr Herren! wir hatten den Weg zur Seite gelassen,

Gingen hinter dem Berg, und eine dustere Hohle,

Tief und lang, bemerkten wir da. Es fuhlte sich aber

Isegrim krank, wie gewohnlich, vor Hunger. Wann hatt ihn auch jemals

Einer so satt gesehen, da? er zufrieden gewesen?