Donner unter der Kimm: Admiral Bolitho und das Tribunal von Malta - Kent Alexander. Страница 33
Bolitho war unruhig, weil er nicht richtig sehen konnte. Er nahm Stayt ein Teleskop ab und stutzte es auf die Finknetze. Nun erkannte er die Korvette, deren rot-gelbe Flagge steif auswehte, als sie an den Wind ging, um zu wenden. Tuson wurde ihn zurechtweisen, weil er das gute Auge uberanstrengte. Doch der Arzt war im Krankenrevier und wartete auf die nachste Ernte.
Fallowfield grollte:»Guter Gott, der Wind springt um!»
Manner eilten wieder an Brassen, Schoten und Halsen, und Keen sagte:»Auf Sudwest, schatze ich, Sir.»
Bolitho nickte und stellte sich die Seekarte vor. Der Wind schlug um. Fortuna, wie Herrick sich ausgedruckt hatte, stand ihnen bei.
«Klar zum Aufgeien der Breitfock, Mr. Paget!«rief Keen.
Von der Korvette wehte ein dunner Ruf heruber.
«Winken Sie ihnen mit dem Hut zu!«sagte Bolitho.
Keen und Stayt winkten zum Spanier hinuber, der rasch nach Backbord abgetrieben wurde.
Noch eine Meile. Bolitho packte die Reling und spahte zwischen dem Tauwerk und den Vorsegeln nach vorn. Er konnte den Feind schrag an Backbord liegen sehen, so wie Keen es beschrieben hatte.
Keen warf Paget einen Blick zu.»Bitte lassen Sie laden.»
Der Befehl wurde sofort an das untere Deck weitergegeben, und Bolitho konnte sich die Bedienungen vorstellen, die sich mit bereits schwei?nassen Rucken im Halbdunkel hinter noch verschlossenen Stuckpforten mit Kugeln und Kartuschen abplagten. Seit seinem zwolften Lebensjahr kannte er das: Die Manner an den Kanonen, die rotgestrichenen Bordwande, damit das Blut nicht so auffiel, und hier und da eine Autoritatsperson in Blau und Wei?, ein Leutnant oder Decksoffizier.
Es schien nicht lange zu dauern, bis beide Decks» klar «gemeldet hatten.
Bolitho horte Hauptmann Bouteiller von den Royal Marines mit seinem Leutnant Orde flustern. Wie die anderen Seesoldaten duckte er sich hinters Schanzkleid, um noch nicht vom Feind gesehen zu werden. Der Anblick eines einzigen roten Rockes hatte gewirkt wie ein Stich ins Hornissennest.
«Breitfock festmachen!«Es mu?te den Anschein haben, als verkurzten sie Segel und schickten sich zum Ankern an.
Bolitho trat von der Reling zuruck und verschrankte die Hande auf dem Rucken. Nun konnte es nicht mehr lange dauern. Fest stand jedenfalls, da? Jobert nicht druben an Bord war. Er hatte sofort gefechtsklar gemacht, wenn er im Licht der Morgendammerung sein altes Flaggschiff erkannt hatte.
«Funf Kabellangen, Sir!»
Bolitho spurte, wie ihm der Schwei? ausbrach. Noch eine halbe Meile.
«Der Franzose hat ein Signal gesetzt, Sir!»
Nun war es soweit. Beim Ausbleiben einer Antwort wurde man sie auf der Stelle als Feinde erkennen.
«Halt, Mr. Paget, belege den letzten Befehl!«schrie Keen.»Setzt Bramsegel!»
Pfeifen trillerten, und hoch uber Deck huschten die Toppgasten wie Affen hinaus auf die Rahen, um die zusatzlichen Segel zu losen.
«Drei Kabellangen, Sir!»
Uber dem Singen des Windes in der Tagelage horten sie das schwache Schmettern einer Trompete. Nun war es mit dem Versteckspiel vorbei. Als die Scharfschutzen der Royal Marines mit ihren Musketen hoch oben in den Gefechtsmarsen die Drehbassen bemannten, ging der Rest der Truppe an den Finknetzen in Stellung und legte die Musketen an.
Keen schatzte den richtigen Augenblick ab, wu?te, da? Paget bereit war, auf jeden Befehl sofort zu reagieren.»Stuckpforten auf.»
In der Bordwand hoben sich die Pfortendeckel wie schlafrige Augenlider.
«Sie kappen das Ankertau, Sir!»
Keen bi? sich auf die Lippen. Zu spat.»Ausrennen!»
Rumpelnd und quietschend reckten sich die Rohre der schweren Kanonen wie Russel aus den Pforten. Die Mundungen der gro?en Zweiunddrei?igpfunder im unteren Batteriedeck hoben und senkten sich bereits, als die Geschutzfuhrer ihr Ziel suchten.
Bolitho nahm Stayt erneut das Glas ab und richtete es auf das andere Schiff. Er sah, wie sich sein Vor-Marssegel von der Rah loste, wie Manner aufenterten oder sich auf dem Vorschiff ums Ankerspill drangten. Der Wasserleichter lag noch immer langsseits, seine Besatzung stand da und starrte die drohend nahende Argonaute an.
Der Anker wurde gekappt, und der franzosische Zweidek-ker driftete mit killenden Segeln ab. Seine Besatzung war verzweifelt bemuht, das Schiff unter Kontrolle zu bekommen.
«Achtung, Backbordbatterie!»
Keen machte im Sonnenlicht schmale Augen, wartete ab, bis die Trikolore wieder an Deck gefallen war und an ihrer Stelle die britische Seekriegsflagge von der Gaffel wehte. Oben im Topp flatterte Bolithos Flagge jetzt steif im Wind, und Keen horte einen Midshipman einen schrillen Hochruf aussto?en.
Argonautes langer Kluverbaum kreuzte kaum eine Kabellange entfernt den Bug des anderen Schiffes.
Keen hob seinen Degen. Er horte das Knirschen der Handspaken vom Vorschiff und sah, wie die Steuerbordkarronade langsam gerichtet wurde; ihre achtundsechzig Pfund schwere Granate wurde zuerst abgefeuert werden. Die langlaufigen Kanonen sollten schie?en, wenn sie ein Ziel fanden, aber nicht in einer vollen Breitseite, sondern Deck fur Deck, Paar fur Paar.
«Ziel auffassen, Jungs!«Die Klinge des Degens fuhr blitzend herab.
«Feuer!»
X Vergeltung
Ohne zu wenden oder den Kurs um auch nur einen Strich zu andern, rauschte Argonaute an dem treibenden franzosischen Zweidecker vorbei, und bei jedem widerhallenden Abschu? ging ein heftiger Ruck durch ihren Rumpf. Die Geschutzfuhrer waren so gut bei der Sache, da? jedes Kanonenpaar feuerte wie ein einzelnes Stuck.
Bolitho wankte und ware beinahe ausgerutscht, als das Deck unter einem besonders hohen Brecher in Schraglage ging. Seine Nustern blahten sich im bei?enden Rauch, der Kanonendonner lie? seine Ohren singen. Keen wischte sich das Gesicht, als die letzten Geschutze an ihren Taljen binnenbords liefen und die Manner eifrig auswischten und nachluden.
Der Franzose war schwer beschadigt worden; qualmende schwarze Narben in seiner Bordwand zeugten von der Genauigkeit des sorgsam gezielten Feuers. Ein paar franzosische Kanonen erwiderten den Angriff, und eine Kugel schlug dicht uber der Wasserlinie in den Rumpf der Argonaute wie eine gepanzerte Faust.
Keen sah aus schmalen Augen zu, wie der Franzose erst die Breitfock und dann das Gro?marssegel setzte. Seine Mannschaft befolgte zwar die Befehle, aber das Schiff lag fast quer zu Wind und Seegang und war verzweifelt bemuht, dem Angreifer seine Schmalseite zu bieten.
«Achtung! In der Aufwartsbewegung!«rief Keen. Dann schaute er fur den Bruchteil einer Sekunde Bolitho an und sah ihn so, wie er ihn in Erinnerung hatte: kerzengerade, dem Feind zugekehrt, auch wenn er ihn nicht sehen konnte.»Volle Breitseite!«Dies mochte ihre letzte Chance sein. Undeutlich bekam er die spanische Korvette zu sehen, die nun weit achteraus lag, ein hilfloser, verbluffter Zuschauer.
Weitere Kugeln schlugen in ihre Bordwand ein, und irgendwo schrie ein Mann gequalt auf.
Keen hob den Degen. Die Sonne blendete ihn, ihm traten Tranen in die Augen.
«Feuer!»
Als die Pfeifen schrillten und die Bramstengen dippten, donnerte die Breitseite mit solcher Wucht aus dem Rumpf, da? sie das Gefuhl hatten, auf Felsen gelaufen zu sein.
Uberall Rauch und verkohlte Ladepfropfen, aber Keen sah das feindliche Schiff erbeben und in Schraglage gehen, als es von der vollen Salve getroffen wurde. Schanzkleid und Takelage flogen in alle Richtungen, und fallende Trummer und aufschie?ende Gischt hullten den Rumpf ein.
«Zundloch stopfen! Auswischen! Laden!«Pagets Stimme ubertonte den Wind und das Quietschen der Taljen.
Allday sagte in einer plotzlichen Pause:»Wir haben ihn verkruppelt, Sir! Fast alle Segel sind durchschossen!»
Bolitho, der befurchtete, wieder das Gleichgewicht zu verlieren, hielt sich an der Reling fest. Er glaubte, selbst uber diese Entfernung den Einschlag der Breitseite gehort zu haben.