Donner unter der Kimm: Admiral Bolitho und das Tribunal von Malta - Kent Alexander. Страница 42

Er hat mir uberhaupt nicht zugehort, dachte Bolitho.

Laforey ruhrte sich.»Tja, dann kommen wir mal zu dieser Untersuchung.»

«Mein Flaggkapitan wird angeklagt…»

Laforey wackelte mit einem breiten Zeigefinger.»Nein, mein Bester, niemand klagt ihn hier an! Das werden womoglich andere zu tun haben. Aber das Ganze ist doch nur eine Formsache. Die Einzelheiten habe ich zwar nicht gelesen, doch mein Flaggkapitan und dieser Mr. Pullen aus London versichern mir, da? das Verfahren nur Stunden, nicht Tage, dauern wird.»

Bolitho sagte gelassen:»Kapitan Keen ist der wahrscheinlich beste Offizier, der je unter mir gedient hat, Sir Marcus. Er hat seinen Mut und sein Konnen unzahlige Male unter Beweis gestellt. Meiner Auffassung nach hat er das Zeug zum Admiral.»

Laforey hob wieder die Lider. Die kleinen Augen darunter waren kalt und mitleidslos.

«Bi?chen jung. Wir haben heutzutage manchen unerfahrenen Springinsfeld, nicht?«Er warf einen Blick auf seinen verbundenen Fu?.»Wenn ich meine Flagge uber der Kanalflotte hissen konnte statt hier in diesem, diesem. «Er sah argerlich in die Runde,»dann kamen diesen Muttersohnchen bald die Tranen!«Er wollte sich vorbeugen, doch sein Schmerbauch hinderte ihn daran.»So, Bolitho, was ist nun eigentlich wirklich passiert?«Er sah Bolitho forschend an.»Er hat eine Frau notig gehabt, stimmt's?»

Bolitho stand auf.»Ich weigere mich, in diesem Ton uber meine Offiziere zu sprechen, Sir Marcus.»

Laforey wirkte uberraschenderweise erfreut.»Wie Sie wollen. Das Tribunal tritt morgen zusammen. Wenn Kapitan Keen Vernunft beweist, werden Sie ohne weitere Verzogerung wieder auslaufen konnen. Wir erwarten einen Geleitzug, und ich kann Unfahigkeit wie alles, was das Leben hier noch unertraglicher macht, nicht ausstehen. «Er sah zu, wie Bolitho aufstand.»Wie ich hore, sind Sie verwundet worden, Sir Richard. «Weiter lie? er sich dazu nicht aus.»Aber das gehort wohl zu unserem Dienst.»

«In der Tat, Sir. «Bolitho konnte sich den ironischen Ton kaum verkneifen.»Und es wird noch sehr viel mehr Verwundete geben, wenn es den Franzosen gelingt, ihre Flotten zu vereinigen.»

Laforey zuckte die Achseln.»Ich furchte, ich mu? die Unterhaltung mit Ihnen beenden. Mein Tag ist zu ausgefullt. Manchmal frage ich mich, ob man sich bei der Admiralitat und in Whitehall des Ausma?es meiner Verantwortung uberhaupt bewu?t ist.»

Die Besprechung war voruber.

Bolitho ging durch den Korridor und sah einen Lakai mit einem Tablett, auf dem zwei Karaffen und nur ein Glas standen, zu dem Raum schreiten, den er gerade verlassen hatte. Der Admiral war im Begriff, seine Verantwortung voll wahrzunehmen, dachte er bitter.

Stayt erwartete ihn in der Empfangshalle. Als er sah, wie Bolitho hinaus uber den Hafen schaute, sagte er:»Sie erkundigten sich nach der Benbow, Sir. Sie ist hier von Grund auf uberholt worden.»

«Und wessen Flagge hat sie gehi?t?»

«Ich dachte, Sie wu?ten es, Sir: Sie ist Konteradmiral Herricks Flaggschiff.»

Bolitho wandte sich ab, um seine Gefuhle nicht zu verraten. Nun war das Muster komplett. Er ahnte, was kommen wurde, noch ehe Stayt sagte:»Konteradmiral Herrick wird im Untersuchungsausschu? den Vorsitz fuhren, Sir.»

«Ich werde ihn aufsuchen.»

«Das ware vielleicht unklug, Sir. «Stayts tiefliegende Augen beobachteten ihn ruhig.»Es konnte falsch ausgelegt werden.»

Von Thomas Herrick, seinem besten Freund, der mehr als einmal sein Leben fur ihn gewagt hatte? Er konnte Herricks Augen vor sich sehen, klar und blau, gelegentlich trotzig, zu leicht verletzt, aber stets ehrlich. Ehrlich? Das Wort kam ihm bei dieser Intrige wie Hohn vor.

«Wie ich horte, Sir, erwartet Sie an Bord ein Schreiben«, sagte Stayt.»Sie brauchen bei dem Verfahren nicht zugegen zu sein, Ihre schriftliche Aussage genugt.»

Bolitho fuhr zu ihm herum und sagte scharf:»Werden Sie ebenfalls eine abfassen?»

Stayt hielt seinem Blick stand.»Auch mich hat man als Zeugen vorgeladen, Sir.»

Bolitho war, als sei er in einem Netz gefangen, das stundlich enger zugezogen wurde.

«Ich werde personlich zugegen sein, darauf konnen Sie sich verlassen!»

Stayt folgte ihm hinaus in den staubigen Sonnenschein und blieb auf der Freitreppe uberm Hafen stehen, als Bolitho fragte:»Dachten Sie vielleicht, ich wurde das schweigend hinnehmen?»

«Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, Sir.»

Bolithos Auge brannte, aber das lag am Zorn, nicht an seiner Verletzung.

«Vorerst nicht. Sie konnen abtreten. Kehren Sie an Bord zuruck.»

Er schritt auf den Kai zu, wo Allday bei seiner Barkasse stand. Stayt mochte ein anderes Boot benutzen.

Die Bootsgasten standen auf und legten gru?end die Hande an die Hute, als sie ihn erblickten.

«Zur Benbow, bitte«, sagte Bolitho.

Allday lie? sich keine Uberraschung anmerken. Herrick war hier. Es war normal, da? sich die beiden trafen, ganz gleich, was andere davon halten mochten.

«Platz da!»

Die grune Barkasse glitt durch das belebte Hafenwasser, und andere Boote hoben die Ruder oder wichen aus, um den Flaggoffizier vorbeizulassen.

Bolitho sa? steif im Heck. Nur seine Augen bewegten sich, als er sich auf vertraute Dinge konzentrierte, Masten und Takelwerk, Seevogel und kleine Wolken uber der Festung.

Zur Holle mit Laforey und seiner trunkenen Indolenz, dachte er, und zur Holle mit allen, die ihm diese Sache angehangt hatten. Er sah erst zum Schlagmann und dann in die Reihe gebraunter Gesichter. Sie wu?ten alle Bescheid. Vermutlich wu?te die ganze Flotte Bescheid. Aber Bolitho war das nur recht.

Ihm gingen vage Gedanken durch den Kopf — an Belindas Brief, an Stayts kuhles Verhalten, als er die Vorladung erwahnte, an Inch und die Manner des Geschwaders, die von ihm erwarteten, da? er uber menschliche Regungen erhaben war. Es ware nicht das erste Mal gewesen, da? er sich gegen das Diktat der Obrigkeit auflehnte. Er lachelte verbittert. Der alte Bolitho, der seinen Sohnen immer das strenge Vorbild eines Marineoffiziers gewesen war, hatte sich wahrend einer Belagerung in der Karibik einmal mit dem ranggleichen Kommandeur der Seesoldaten entzweit. Kapitan James Bolitho loste das Problem, indem er den Soldaten wegen Verletzung seiner Dienstpflicht sistieren lie? und dann eine Schlacht begann, die siegreich endete. Hatte er sie verloren, ware die Marinetradition der Familie zu Ende gewesen, dessen war Bolitho sicher.

Allday murmelte:»Stolz sieht sie aus, Sir Richard.»

Die mit vierundsiebzig Geschutzen bestuckte Benbow bot in der Tat einen prachtigen Anblick: frisch getrieben, das geteerte Rigg wie schwarzes Glas, Rahen gekreuzt, Segel sauber aufgetucht. Alle Stuckpforten standen offen, und es fiel Bolitho nicht schwer, sich ihren furchteinflo?enden Donner vor Kopenhagen und spater im Kampf gegen das Eingreifgeschwader der Franzosen vorzustellen. Immer wieder plagte ihn die Erinnerung an seine Kriegsgefangenschaft in Frankreich und seine Flucht. Allday war damals an seiner Seite gewesen und hatte den sterbenden John Neale, dessen Schiff untergegangen war, getragen. Ja, im tiefen Rumpf der Benbow ruhten viele Erinnerungen.

Die Barkasse rauschte in weitem Bogen heran, und er sah, wie die Ehrenwache antrat. Sein unerwartetes Eintreffen mu?te ihnen Beine gemacht haben. Abermals lachelte Bolitho. Falsch — Herrick mu?te eigentlich mit ihm gerechnet haben.

Die Benbow schien bereit zum Auslaufen. Nur noch wenige Hafenboote lagen langsseits, und an nur einer Talje wurde Fracht in schwankenden Netzen zu den Mannern auf dem Seitendeck hochgehievt.

«Halte das Boot klar, Allday«, murmelte Bolitho.»Es wird nicht lange dauern.»

Sein Blick fiel kurz in Alldays sonnenbeschienenes Gesicht, als der Bootsfuhrer die schnittige Barkasse behutsam auf die Gro?rusten zusteuerte. Bolitho sah mit Entsetzen, wie verkniffen die kraftigen Zuge des Mannes waren, und schamte sich, weil er dessen Sorgen um seinen Sohn vergessen hatte.