Donner unter der Kimm: Admiral Bolitho und das Tribunal von Malta - Kent Alexander. Страница 58

Tuson sah ihm nach.»Denken Sie lieber an sich selber«, murmelte er.

Gefolgt von einem schnaufenden Hickling, erklomm Bo-litho eine Leiter nach der anderen, bis er auf dem Achterdeck stand. Es war noch dunkel, nur vereinzelte Schaumkronen trennten das Meer vom Himmel. Aber die Sterne waren bereits blasser geworden, und eine muffige Feuchtigkeit kundigte den Morgen an.

Keen wartete an der Reling.»Der Wind hat abgeflaut, Sir, ist aber noch frisch genug, um ihnen Arbeit zu machen. «Da? Hickling Bolitho gefunden hatte, schien ihn zu erleichtern. Noch nie hatte er erlebt, da? Bolitho allein einen Rundgang durchs Schiff machte. Nicht einmal Alldays Begleitung hatte der Admiral geduldet.

Nun hangte ihm der Bootsfuhrer den Degen an den Gurtel, und Ozzard reichte ihm den Hut, ehe er hinunter in den Laderaum huschte, wo er bleiben wurde, bis die Schlacht gewonnen oder verloren war.

Bolitho sah den Wirrwarr der Flaggen an Deck, die Vorbereitungen des Signalfahnrichs und seiner Helfer. Auch Stayt war zur Stelle, vermutlich nachdem er sich Zeit zum Laden und Reinigen seiner prachtigen Pistole genommen hatte.

«Jetzt brauchen wir nur noch abzuwarten, Val. «Bolitho dachte an die Schlacht von St. Vincent, in der er seine erste Fregatte befehligt hatte. Damals schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis sich die Flotten einander auf Schu?weite genahert hatten. Den ganzen Tag uber, oder so war es ihm vorgekommen, hatten sie dem gewaltigen Aufmarsch franzosischer Masten am Horizont zugesehen: wie Ritter auf dem Schlachtfeld. Der Anblick war schrecklich und furchteinflo?end gewesen, doch sie hatten die Schlacht gewonnen — wenngleich zu spat, um den Krieg zu entscheiden.

Keen stand neben ihm und prufte stumm seine Gedanken auf Schwachen. Das sporadische Feuer war ein klarer Hinweis gewesen, da? der Geleitzug vor ihnen angegriffen wurde. Lie? sich Bolitho Uberraschung oder Zufriedenheit anmerken, weil er recht behalten, den Feind gefunden hatte? Jeder ehrliche Mann mu?te eingestehen, da? er an der Urteilsfahigkeit des Admirals gezweifelt hatte, als dieser nur auf die Meldung von Rapid hin sein Patrouillengebiet verlie?. Doch in der Finsternis sah Keen bei Bolitho lediglich ruhige Entschlossenheit.

Es wurde also zum Gefecht kommen. Die Kanonade hatte nicht so geklungen, als waren viele Schiffe beteiligt. Er dachte an Inch, der unten im Orlop den Kampflarm horen wurde, unfahig, seinen Freunden zu helfen. Keen hatte ihn besucht, ehe er zu seinen Leutnants in den Batteriedecks ging. Inch war sehr schwach und litt nach den beiden Amputationen gro?e Schmerzen.

Keen brach der kalte Schwei? aus. Er war schon einmal verwundet worden und spurte die Narbe noch immer. Wie konnte es jemand ertragen, auf dem Operationstisch zu liegen und abzuwarten, bis er an die Reihe kam? Erst das Messer, dann die Knochensage, und vorher der Lederknebel, um die Schreie zu ersticken. Ihm fiel wieder ein, was er zu Zenoria gesagt hatte: Das ist mein Beruf. Jetzt klang es ihm wie Hohn.

Luke Fallowfield, der Sailing Master, klatschte frierend in die Hande, und bei dem Gerausch fuhren mehrere Manner in der Nahe erschreckt zusammen. Wir sind alle nervos, dachte Keen. Das Krafteverhaltnis ist bei dieser Abrechnung Nebensache.

Bolitho sah den ersten schwachen Schein am ostlichen Horizont. Viele Augen wurden nun auf ihm ruhen, sich ihre Chancen ausrechnen, den Unterschied zwischen Leben und Tod.

Keen schritt zum Kompa?.»Hoher an den Wind, Mr. Fal-lowfield. Ruder zwei Strich nach Steuerbord.»

Manner reagierten in der Dunkelheit wie emsige Schatten, und Bolitho war dankbar, da? er den aufmerksamen Keen zum Kapitan hatte. Denn falls sie zu weit nach Osten gerieten, konnten sie nicht mehr rechtzeitig wenden, um den Geleitzug bei Tagesanbruch zu erreichen. Er ballte die Fauste. Sie brauchten das Licht, aber viele furchteten den Anblick, der sich ihnen bieten wurde.

Der Ruderganger rief:»Neuer Kurs Sudsudwest, Sir! Voll und bei!»

Bolitho horte das Gro?bramsegel gereizt schlagen, als Argonaute mit hart angebra?ten Rahen hoher an den Wind ging. Bald, sehr bald… Fast hatte er es laut ausgesprochen. Keen befahl weitere Ausguckposten in die Toppen, einen davon mit einem Teleskop. Als Bolitho aufschaute, glaubte er, schon die wei?en Brustriemen der Seesoldaten in den Marsen ausmachen zu konnen. Ein Mann streckte sich und gahnte. Diesmal nicht vor Mudigkeit, dachte er. Gahnen war oft das erste Anzeichen von Angst.

Sonderbar, dachte er, wenn ich heute falle, wird man in Falmouth erst nachstes Jahr davon erfahren. Das Weihnachtsfest in dem gro?en Haus unter Pendennis Castle mochte noch ungetrubt sein, mit Sangern aus der Stadt, die zum Entzucken der kleinen Elizabeth ein Standchen brachten.

Er ri? sich zusammen und befahl:»Hei?t Gefechtsflagge!«Die Blocke der Flaggleinen quietschten, als seine rote Flagge eingeholt und die gro?te britische Nationale an Bord gehi?t wurde. Noch wehte sie im Schutz der Dunkelheit, doch nach Sonnenaufgang mu?te Jobert sie sehen. Der Gedanke versetzte Bolitho in eine eigenartige Hochstimmung.

Paget drehte sich um und meldete Vollzug:»Flagge gehi?t, Sir Richard!»

Bolitho nickte. Auch Paget wu?te, das Warten hatte jetzt ein Ende.

«An Deck! Schiff in Lee!»

«Gut gemacht, Val«, sagte Bolitho.»Unsere Position ist perfekt.»

Ein Kanonenschu? hallte ubers Wasser, nur ein einzelner, und Bolitho glaubte, fur einen Sekundenbruchteil den Mundungsblitz gesehen zu haben.

«Geleitzug voraus!«schrie ein anderer Ausguck.

«Signal ans Geschwader. «Bolitho schritt ruhelos ubers Deck und rieb sich das Kinn. Beim nachsten Ruf des Ausgucks schaute er wieder nach oben.

«Zwei Linienschiffe in Lee!»

«Da haben wir's, Val«, meinte Bolitho.»Zwei von diesen Teufeln. «Er warf Stayt einen Blick zu.»Signal ans Geschwader: Feind in Sicht.»

Als er wieder hinuber nach Lee schaute, leuchtete die Kimm wie eine endlose, rosarote Brucke ins Nichts.

Uber den gebra?ten Rahen des Fockmastes wehte hell und riesig die Flagge aus, scheinbar unabhangig von dem Schiff, das noch ein wenig langer im Schatten verweilte.

«Greifen wir an, Sir?«Das war Stayt.

Bolitho offnete den Mund um zu antworten, schlo? ihn aber wieder. Zwei Linienschiffe. Nicht die Anzahl mi?fiel ihm, sondern ihr Kurs. Hier stimmte etwas nicht. Irgendein Instinkt warnte ihn.»Nein. Das Geschwader halt die Formation. «Er drehte sich nicht um, als abermals Geschutzfeuer vom Wind herangetragen wurde.

Einige Seesoldaten in den Toppen stie?en Hochrufe aus. Ihre wilden Stimmen ubertonten den Larm von Wind und Segeln. Bolitho lockerte seinen Degen in der Scheide, ohne uberhaupt zu merken, was er tat. Vor der Schlacht. Alle Ressentiments, alle Entbehrungen wurden bald vergessen sein. So war das bei der Royal Navy.

Wieder fiel ein Kanonenschu?, diesmal aber achteraus, vom eigenen Geschwader.

«Pest noch mal, wer war das?«rief Keen.

«Icarus, Sir«, rief Stayt.

Wahrend das erste Morgenlicht die Masten und Rahen der beiden Schiffe in ihrem Kielwasser streifte, kletterte er in die Wanten.

«Signal von Icarus, Sir: Feind im Nordosten gesichtet.»

Keen starrte unglaubig hinuber.»Das kann doch nicht wahr sein!»

Bolitho trat an die Reling und umklammerte sie fest.»Informieren Sie Barracouta und Rapid.«Als die atemlosen Signalgasten weitere Flaggen setzten, ging er an die Wanten, wo Stayt sich mit gekrummtem Arm festhielt und sein Teleskop ausrichtete.

«Drei Linienschiffe, Sir. «Er bewegte beim Entziffern der Flaggensignale von Icarus die Lippen.»Und zwei andere Schiffe.»

Bolitho fand sich damit ab, obwohl sein Geschwader nun von feindlichen Schiffen in die Zange genommen wurde. Die beiden zuerst gesichteten Fahrzeuge mu?ten zufallig hier eingetroffen oder von einem anderen Admiral aus ihrem Versteck beordert worden sein. Doch Jobert war da, und das Krafteverhaltnis hatte sich plotzlich zu ihren Ungunsten verandert. Drei gegen funf, darunter Joberts schwerbestuckter Dreidecker. Bei den beiden kleineren, noch nicht identifixierten Schiffen mu?te es sich um Fregatten handeln. Englands Chancen standen schlecht, aber er hatte nun keine andere Wahl. Er sah den Rand der Sonnenscheibe uber die Kimm steigen und die Segel von Freund und Feind golden farben. Im Fernrohr erkannte er den dichtgedrangt fahrenden Geleitzug, und beim Anblick des vertrauten Umrisses der Benbow wurde ihm eng ums Herz. Ihre Stuckpforten standen bereits offen.