Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander. Страница 37

Bolitho lachelte trube.»Ich wei?, welche Uberwindung es Sie gekostet hat. Um die Wahrheit zu sagen, ich glaube nicht, da? ein Risiko jemals genau vorherberechnet werden kann. Ich will meine Leute nicht in einen sinnlosen Tod hetzen, ich will auch nicht zwischen den Zangen und Sagen auf dem Tisch eines Schiffsarztes enden. Ich besitze viel, wofur zu leben lohnt — endlich wieder. Aber…»

Grinsend nahm Keen sein nachgefulltes Weinglas von Ozzard entgegen.»Aye, Sir, das gro?e Aber. Es ist nur ein kleines Wort, aber das starkste Argument gegen die bessere Einsicht.»

Bolitho klopfte mit dem Messingzirkel auf die Seekarte.

«Ich bin uberzeugt, dieses Schiff halt sich in der Nahe auf, genau wie Jethro Tyrrell behauptet. Es mu? eine starke Besatzung haben, deshalb braucht es einen Hafen als Basis, um sich zu verstecken, wahrend der Kommandant Auskunfte uber uns einholt. Und da wir rundum von Feinden umgeben sind, durfte er dabei keine Schwierigkeiten haben. «Keen erhob sich und trat an den Kartentisch.

«Falls Tyrrell recht hat«, sagte er,»mu?te sich das fur uns bei einem Krieg erschwerend auswirken. «Er fuhr mit dem Finger an der Inselkette entlang: Puerto Rico, Santo Domingo, Haiti, Kuba.»Die Spanier wurden alle Zufahrtswege in die Karibik und nach Jamaika beherrschen. «Begreifend nickte er.»Und in der Durchfahrt zwischen Kuba und Haiti liegt wie eine Zugbrucke San Felipe. Kein Wunder, da? die Franzosen es unbedingt haben wollen. Sie brauchen zwar Verbundete, aber deshalb trauen sie ihnen noch lange nicht uber den Weg.»

Noch immer standen beide Manner uber die Seekarte gebeugt, als ein Midshipman eintrat und Electras Ankunft meldete. Keen knopfte seinen Rock zu.

«Ich gehe Kapitanleutnant Napier begru?en, Sir. «Und mit einem letzten Blick auf den Kartentisch:»Ganz uberzeugt bin ich noch nicht,

Sir.»

Bolitho lachelte.»Sie werden mir bald recht geben.»

Er lie? sich von Ozzard in seinen Dienstrock helfen, zu Ehren des jungen Kommandanten der Electra.

Bald war er schwei?gebadet und sah sehnsuchtig auf das blaue Wasser hinaus, das sich vor den Heckfenstern sanft hob und senkte; konnte er doch jetzt ein erfrischendes Bad darin nehmen! Und sofort mu?te er wieder an Belinda denken. Er hatte versucht, jeden wachen Augenblick mit Arbeit auszufullen, um sie aus seinen Gedanken zu verbannen, konnte aber nicht ganz verhindern, da? ihr Bild und das Bewu?tsein der gro?en Entfernung, die sie trennte, ihn immer wieder ubermannten.

Drau?en horte er Schritte und gedampfte Stimmen. Er mu?te sich zusammenrei?en, um seinet- wie um ihretwillen.

Bald, vielleicht schon sehr bald, stand ihnen ein Gefecht bevor, diesmal nicht heraufbeschworen durch eine Zufallsbegegnung oder rauberischen Piratenubermut. Das unbekannte Schiff hatte ihnen schon gezeigt, da? es nichts nutzte, im Recht zu sein. Rechtma?igkeit allein war kein Schutz, dafur gab es schon viele tote Zeugen.

Er wandte sich der Tur zu. Wenn im Krieg erst die Kanonen sprachen, dann taten sie das vollig indifferent gegenuber Gut und Bose. Ihre Breitseiten radierten alle aus, ob sie es nun verdienten oder nicht.

Kapitanleutnant Napier trat ein, eine glanzende neue Epaulette auf der linken Schulter, und salutierte.

Bolitho nahm den schweren Briefumschlag aus seiner Hand entgegen und reichte ihn an Yovell weiter.

«Sie hatten eine schnelle Uberfahrt, Kapitanleutnant Napier.»

Aber Bolitho mu?te sich gedulden, bis Napier zu einem Stuhl geleitet und mit einem Glas Wein versorgt worden war.

Dann berichtete er:»In English Harbour auf Antigua liegen kaum noch Schiffe, lediglich zwei Fregatten und ein Linienschiff dritter Klasse, das aber uberholt wird. Der Admiral hat das Geschwader zu den Inseln unter dem Winde verlegt, Sir. «Napier mu?te unter Bo-lithos Blick schlucken.»Er la?t Ihnen durch mich seine Hochachtung ubermitteln und seine besten Wunsche, Sir.»

Bolitho horte, wie Yovell die Siegel auf dem Leinwandumschlag aufbrach, und ware am liebsten hinubergerannt, um ihm die Depeschen aus den Handen zu rei?en. Aber wenn der Admiral sich aus dem

Staub gemacht hatte, war er hilflos. Kommodore Chater war ihm nicht ganz unbekannt, er wu?te genug uber ihn, um keine gro?e tapfere Geste von ihm zu erwarten, die ihm das Mi?fallen seiner Vorgesetzten einbringen konnte.

Heiser fugte Napier hinzu:»Ich wurde angewiesen, Electra zu Ihrer Verfugung zu stellen. Als Chater vom Verlust der Sparrowhawk horte, wollte er Ihnen einige Marinesoldaten schicken, um Ihre Mannschaft zu verstarken.»

Bolitho nickte.»Aber auch die Marinesoldaten waren mit dem Geschwader ausgelaufen, habe ich recht?»

«Aye, Sir«, antwortete Napier betreten. Aber dann hellte sich sein Gesicht auf.»Statt ihrer bringe ich Ihnen einen Zug Infanteristen,

Sir.»

«Immerhin etwas«, murmelte Keen, der mit Napier eingetreten war.

Bolitho wandte sich den Fenstern zu, um diese Bruchstucke gedanklich zu verarbeiten.

Unbefangen sprach Napier weiter.»Aber die Soldaten haben Sie sicherlich schon erwartet, Sir. Der Kommodore lie? es Ihnen ja durch die Kurierbrigg mitteilen, die zwei Tage vor mir auslief.»

Bolitho fuhr herum.»Was sagen Sie da?»

Napier wurde bla?.»Ein Kurier, Sir. Mit Depeschen fur den Admi-ral auf Antigua und fur Sie, Sir. «Hilfesuchend sah er zu Keen hinuber.»Depeschen aus England, Sir.»

Keen konnte sich nicht mehr beherrschen.»Sie hatten also doch recht, Sir!«rief er aus.»Die mussen auch die Kurierbrigg abgefangen und versenkt haben.»

Bolitho verschrankte die Hande auf dem Rucken und grub sich die Fingernagel ins Fleisch, bis der Schmerz ihm half, seine Enttauschung zu zugeln.

Depeschen aus England, eine Nachricht von Belinda. Aber jetzt.

Er fixierte Keen.»Sind Sie endlich uberzeugt?»

Ohne die Antwort abzuwarten, fragte er Napier:»Haben Sie einen tuchtigen Ersten Offizier?»

Das alles ging uber Napiers Horizont. Stundenlang hatte er auswendig gelernt, was er Bolitho sagen wollte, hatte sich in seine beste Uniform geworfen. Und jetzt war alles anders gekommen, alles umsonst gewesen. Er kam sich vor wie jemand, der einem Freund die Tur offnen wollte und einem Irren gegenuberstand.

Immerhin brachte er ein Nicken zustande.»Aye, Sir. Er ist verla?lich.»

«Um so besser. «Bolitho wandte sich wieder an Keen.»Bei erster Gelegenheit lichten wir morgen fruh Anker und laufen aus. In der Zwischenzeit werde ich sehen, welchen Honig ich aus den Depeschen saugen kann, die der tapfere Kommodore mir schickt. Aber ehe ich damit beginne«, er schritt zum Tisch hinuber und go? fur Napier ein neues Glas Rheinwein ein,»trinken wir alle einen Toast. Auch du, Allday.»

Allday lie? sich von Ozzard ein Glas reichen, fasziniert von dem plotzlichen Stimmungsumschwung im Raum. Bolitho merkte, da? er grinste.

«Einen Toast«, er hob sein Glas,»auf Mr. Napier, den neuen Gouverneur von San Felipe!»

«Sudwest zu Sud, Sir!«»Recht so.»

Nur mit halbem Ohr horte Bolitho Meldung und Bestatigung, er konzentrierte sich ganz auf den violetten, weit ausladenden Schatten am Backbordhorizont. Es war Nachmittag, und die Sonne brannte immer noch erbarmungslos aufs Deck des nur wenig Fahrt machenden Schiffes. Aber nach der bedruckenden Feindseligkeit auf San Felipe fuhlten sich alle hier drau?en wie neu belebt. Die Stimmung war gut; selbst Mountsteven, der Offizier der Wache, beflei?igte sich eines normalen Tonfalls, wahrend er das Trimmen der Breitfock uberwachte.

Bolitho richtete sein Teleskop auf das ferne Land: Haiti, das etwa funfzehn Seemeilen querab liegen mu?te. Trotz dieser Entfernung ging eine Drohung von ihm aus. Wenn irgend moglich, mieden die Seeleute seine Kusten mit ihrem Hexenzauber und ihren schauerlichen Riten.

Flaute hatte Achates noch einen Tag langer in San Felipe festgehalten, aber jetzt fullte ein stetiger Nordost ihre Segel, und sie strebte auf die Windward Passage zu, als beseele sie ein eigener Wille. Diese Durchfahrt zwischen Kuba und Haiti war an ihrer engsten Stelle kaum siebzig Meilen breit. Wenn San Felipe in Feindbesitz war, konnte ein Konvoi sich nur unter hohen Verlusten hier ein Durchkommen erzwingen. Je langer er daruber nachdachte, desto unbegreiflicher schienen Bolitho die Befehle, die er in London erhalten hatte.