Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander. Страница 45

Scheinbar zusammenhanglos fragte Keen:»Und was wird aus Mr.

Tyrrell, Sir?»

Bolitho bi? sich auf die Lippen. Er hatte Tyrrell gleich nach dem Festmachen auf seine Brigantine geschickt, fast ohne ein Wort mit ihm zu wechseln. Ob er sich aus Trotz oder Schuldbewu?tsein stumm verhielt, lie? sich noch nicht beurteilen.

Er sagte:»Ich mochte ihn so bald wie moglich sprechen, Val. «Keens Uberraschung amusierte ihn.»Ich brauche seine Vivid, sie ist das einzige Schiff, das mir im Augenblick au?er Achates zur Verfugung steht. Und da ich sie ohnehin kaufen will, kann sie auch gleich unter unserer Flagge segeln.«»Wenn Sie das fur klug halten, Sir?»

«Klug? Kann ich im Augenblick noch nicht sagen. Fest steht nur, da? es mehrere Monate dauern wird, ehe mein Flaggschiff wieder voll einsatzfahig ist. Mittlerweile droht uns ein Angriff der Spanier. Niemand kann von mir erwarten, da? ich diese Insel den Franzosen ubergebe, ehe ich die Dinge hier ein fur allemal bereinigt habe. Wenn es in letzter Minute zu einem Konflikt um San Felipe kame, wurden uns die Franzosen nur zu gern die Schuld daran geben und uns vorwerfen, wir hatten einen Zwischenfall provoziert, damit wir ihnen ihr rechtma?iges Eigentum vorenthalten konnten.»

Aber Bolitho konnte Keen am Gesicht ablesen, da? er ihn nicht uberzeugt hatte.

«Ich habe den Verdacht, Val, da? man mich hier bewu?t mit einer unlosbaren Aufgabe betraut hat. Aber wenn ich schon den Sundenbock spielen mu?, dann treffe ich die Entscheidungen nach eigenem Ermessen und lasse sie mir nicht von Leuten vorschreiben, die noch nie einen Schu? gehort oder einen Mann sterben gesehen haben.»

Keen nickte.»Also gut, Sir, ich stehe zu Ihnen, was auch kommt. Aber das wissen Sie bereits.»

Bolitho lie? sich auf der Heckbank nieder und zupfte an seinem klebrigen Hemd, um die schwei?nasse Haut zu kuhlen.

«Wenn Sie erst den Stabsrang erreicht haben, Val, werden Sie sich hoffentlich an all das erinnern. Es ist einfacher, in Gefechtslinie zu segeln und alle Kanonen auf sich gerichtet zu sehen, als sich durch den Pfuhl der Diplomatie zu wuhlen. Ich werde gleich mit Jethro Tyrrell sprechen, einem Mann, der alles verloren hat, obwohl er der Flagge, die er verehrte, fruher aufopfernd diente. Er war ein aufrichtiger Patriot, aber seine eigenen Landsleute haben ihn als Verrater gebrandmarkt. Er ist verbittert wie ein versto?ener Wolf. Doch ein Rest Ehrgefuhl ist ihm geblieben, denn im entscheidenden Augenblick hat er uns zum Feind gefuhrt. Aus seiner Sicht war das Wahnsinn. Denn Ehrenhaftigkeit kann ihn nicht fur sein Opfer entschadigen. Er hielt es ursprunglich fur kluger, uns gar nicht erst in ein Gefecht zu verwickeln, damit wir die Insel nach unserer vergeblichen Suche bei der Ruckkehr bereits in spanischem Besitz vorfinden wurden; dann hatte ich, so rechnete er, weiter nichts tun konnen als den Fehlschlag nach London zu melden.»

Keen schuttelte unglaubig den Kopf.»Und Sie wollen ihm weiterhin vertrauen?»

«Wenn ich kann.»

Bolitho blickte auf die im Hitzeglast schimmernde Reede hinaus, wo die Boote reglos uber ihrem Spiegelbild lagen.

«Rivers ist ein Schurke. Er wurde reich, indem er sich beim Abschaum der Karibik anbiederte. Sklavenhandler, Glucksritter, Piraten — mit allen machte er Geschafte. Er hat auch Besitz in Sudamerika, doch um voll davon profitieren zu konnen, brauchte er die Machtbefugnisse eines Gouverneurs. Ich habe Beweise dafur im Fort gefunden, aber sie scheinen nur die Spitze eines Eisbergs zu sein. Ich verabscheue ihn wegen seiner Gier, doch ich brauche ihn, und sei es nur, damit er unserer Anwesenheit hier eine gewisse Glaubwurdigkeit verleiht.»

Keen schien den Hammerschlagen drau?en zu lauschen. Insgeheim hatte er von Anfang an seine Bedenken gehabt, weil hier ein leichter Zweidecker mit einer Mission betraut wurde, die ein ganzes Geschwader erfordert hatte. Er verstand sein Land nicht mehr. Statt auf errungene Siege stolz zu sein, schien es sich am Boden zu winden, um alte Feinde nicht erneut gegen sich aufzubringen.

Keen hatte Rivers gehenkt — und mit ihm alle, die fur den Tod seiner Matrosen und Soldaten verantwortlich waren. Und zur Holle mit den Konsequenzen!

Bolitho hatte sich erhoben und spahte jetzt, mit der Hand die blendende Sonne abschirmend, zum fernen Fort hinuber. Als er wieder sprach, klangen seine Worte unbewegt, aber sie fielen schwer in die

Stille.

«Wissen Sie, Val, den Vereinigten Staaten ist es meiner Ansicht nach wichtiger, ihre Beziehungen zu Sudamerika, Spanien und Portugal zu verbessern. Rivers' Ersuchen um amerikanischen Schutz vor einer Ruckgabe an Frankreich stie? deshalb auf offene Ohren. Weiterhin glaube ich, da? Samuel Fane — und erst recht Jonathan Chase — sich keinerlei Illusionen uber die Franzosen machen, sollte es wieder zum Krieg kommen in Europa.»

Keen starrte seinen Vorgesetzten an, alle Mudigkeit war vergessen.

«Sie wollen damit sagen, da? die Regierung der Vereinigten Staaten sich mit den Spaniern gegen uns verschworen hat?«»Nicht direkt. Aber wer die Hand in einen Fuchsbau steckt, mu? damit rechnen, da? er gebissen wird. Die spanische Regierung wollte sich mit einer offenen Intervention nicht kompromittieren, deshalb bediente sie sich eines starken Freibeuters. Nachdem Sparowhawk vernichtet und die Kustenschiffahrt bis zur Lahmung eingeschuchtert war, stand nur noch Achates zwischen ihr und der Ubernahme von San Felipe. Chase mu? von der alten Beziehung zwischen Tyrrell und mir gewu?t haben; genauso klar war ihm, da? Tyrrell ein Schiff verzweifelt notig hatte. Den Rest konnen wir uns denken. Aber sie haben nicht mit Tyrrells alter Loyalitat mir gegenuber gerechnet.»

Keen wirkte perplex.»Ganz wie Sie meinen, Sir. Trotzdem steht das als Beweis bei einer kunftigen Untersuchung auf ganz schwachen Beinen. Zu schwach, um Ihren guten Ruf davon abhangig zu machen.»

«Da stimme ich Ihnen zu. Deshalb mussen wir noch ein paar Beweise fabrizieren. «Seelenruhig sah Bolitho ihn an.»Und jetzt mochte ich Tyrrell sprechen. Sagen Sie meinem Flaggleutnant, da? ich ihn brauche.»

Als Tyrrell spater in die Kajute humpelte, wurden schon die Lampen angezundet. Bolitho wandte sich seinem ehemaligen Offizier mit einer Mischung aus Trauer und Entschlossenheit zu.

Tyrrell setzte sich auf den angebotenen Stuhl und verschrankte seine kraftigen Finger.

«Na denn, Jethro.»

Tyrrell lachelte.»Na denn, Dick.»

Bolitho sa? auf der Tischkante und musterte ihn ernst. Dann sagte er:»Da wir uns in Gewassern befinden, die zur Zeit noch britischer Oberhoheit unterstehen, mache ich Gebrauch von meinem Recht, Ihr Schiff zu beschlagnahmen und es in den Dienst meiner Regierung zu stellen.»

Tyrrell zuckte kurz zusammen, sagte aber nichts. Er war viel zu ausgekocht, um sich durch einen Schock aus der Reserve locken zu lassen.

«Au?erdem unterstelle ich Vivid vorerst dem Befehl meines Neffen, der als mein Adjutant eine Depesche von mir nach Boston bringen wird.»

Jetzt ruhrte sich Tyrrell und verriet zum erstenmal Anzeichen einer gewissen Unruhe.

«Und ich?«stie? er heiser hervor.»Mich wollen Sie wohl von der Gro?rah baumeln lassen, wie?»

Bolitho schob ein Dokument uber den Tisch.»Hier ist der Kaufvertrag fur Vivid, der bei Ihrer Ruckkehr nach San Felipe in Kraft tritt. Sie sehen, ich halte mein Wort. Die Brigg wird Ihnen gehoren.»

Obwohl es ihm schwerfiel, Tyrrells Note mitanzusehen, fuhr er fort:»Ich habe mit Sir Humphrey Rivers gesprochen. Um sich Schande zu ersparen und vielleicht sogar sein Leben zu retten, wird er mir alle Auskunfte uber den Spanier geben, die ich benotige. Wenn er es sich anders uberlegt, hat er die Wahl zwischen zwei Anklagen: wegen Hochverrats oder wegen Mordes. Aber fur beide wurde er hangen.»

Tyrrell starrte Bolitho an, dann rieb er sich das Kinn.»Chase wird sich niemals von der Vivid trennen.»