Der Brander: Admiral Bolitho im Kampf um die Karibik - Kent Alexander. Страница 46
«Ich glaube doch.»
Aber Bolitho mu?te den Blick abwenden; Tyrrell konnte nur an eines denken: ein eigenes Schiff, seine letzte Chance.
Nun erhob sich dieser und sah sich um wie ein Tier in der Falle.»Dann mache ich mich jetzt auf den Weg«, sagte er.
«Ja. «Bolitho setzte sich an seinen Schreibtisch und begann in Papieren zu blattern.»Ich bezweifle, da? wir uns noch einmal begegnen.»
Wie ein Blinder wandte Tyrrell sich zur Tur. Aber Bolitho sprang auf, unfahig, dieses grausame Spiel bis zum Au?ersten zu treiben.
«Jethro!«Mit ausgestreckter Hand kam er hinter dem Tisch hervor.»Sie haben mir doch einmal das Leben gerettet.»
Tyrrell musterte ihn forschend.»Und Sie meines, mehr als einmal.»
«Ich mochte Ihnen wenigstens Gluck wunschen. Hoffentlich finden Sie, was Sie suchen — was das auch sein mag.»
Tyrrell erwiderte den Handedruck und sagte rauh:»So einen wie Sie gibt's nicht noch einmal, Dick. «Jetzt lag Bewegung in seiner Stimme.»Ich habe die alten Zeiten wieder durchlebt, als ich Ihren Neffen plotzlich vor mir sah. Schon damals schwante mir, da? ich weich werden wurde, obwohl diese Insel es bei Gott nicht wert ist, da? man dafur stirbt. Aber ich kenne Sie, Dick, und Ihre Wertma?stabe. Sie werden sich nie andern.»
Ein breites Grinsen ging uber sein Gesicht und machte ihn fur Augenblicke wieder zu dem Mann, der er einst gewesen war:
Offizier an Bord der kleinen Korvette in eben diesen Gewassern.
Dann humpelte er davon, und Bolitho horte den Midshipman der Wache das Boot fur ihn langsseits rufen.
Bolitho lehnte sich an die Bordwand und sah auf seine Hande nieder; er hatte ein Gefuhl darin, als zitterten sie.
Allday trat aus der Tur zur Schlafkajute, als hatte er die ganze Zeit dahinter gelauert, um einen Uberfall auf Bolitho abzuwehren.
«Das ist mir schwergefallen, Allday. «Bolitho lauschte immer noch dem dumpfen Klopfen des Holzbeins nach.»Und ich furchte, es wird noch schwerer fur den Jungen, fur Adam.»
Allday verstand kein Wort. Der Mann namens Tyrrell war ein alter Freund des Admirals, jedenfalls wurde das behauptet. Trotzdem schien er eher eine Drohung zu verkorpern, und deshalb war er heilfroh, ihn los zu sein.
Doch Bolitho sprach schon weiter.»Ich habe mich verandert, seit ich wei?, da? ich eine Tochter habe.»
Allday atmete auf; die trube Stimmung war verflogen.
«Eins ist mal sicher, Sir: Sie bringt endlich Abwechslung in die Familie. Zwei Bolithos auf hoher See sind fur uns mehr als genug, das steht fest.»
Einen Augenblick furchtete Allday, jetzt doch zu weit gegangen zu sein, aber Bolitho antwortete mit einem Lacheln:»Also, dann brechen wir doch einer Flasche den Hals und trinken auf die Gesundheit der jungen Dame, einverstanden?»
Oben an Deck horte Adam Alldays rauhes Lachen aus dem Skylight schallen und umfa?te die Reling in plotzlicher Erregung. Beim Blick uber die allmahlich dunkler werdende Reede konnte er Vivids Ankerlicht erkennen und den schwachen Schimmer einer Laterne hinter den Kajutfenstern. Bald — und viel fruher, als er zu hoffen gewagt hatte — wurde er also Robina wieder in die Arme schlie?en konnen. Er spurte ihre Lippen, als hatte sie ihn eben erst geku?t, und roch ihr Parfum, als stehe sie neben ihm.
Wie froh war er, da? Bolitho sich doch noch entschlossen hatte, seinem alten Freund zu vertrauen! Es wurde interessant werden, wieder seinen Geschichten aus alten Zeiten zu lauschen, sobald sie erst Segel gesetzt und San Felipe hinter sich gelassen hatten.
Der Erste Offizier ging seine Abendronde und gewahrte Adams Silhouette vor dem dammrigen Himmel.
Da ballte Quantock die Fauste. Es war aber auch zu unfair! Ihm hatte man die Brigg geben mussen, ganz gleich fur wie kurze Zeit. Zur Holle mit ihnen allen! Wenn Achates in ihrem jetzigen Zustand nach England zuruckkehrte, wurde sie bestimmt au?er Dienst gestellt wie die meisten anderen Schiffe der Flotte. Quantock wu?te, da? er dann wie ein Fisch auf dem Trockenen landen wurde, nur einer von den vielen uberzahligen Marineoffizieren, fur die nirgends ein Posten frei war.
Er fluchte in den dammerigen Abend. Verdammter Frieden! Krieg brachte zwar Gefahren, zugleich aber viele Chancen auf Beforderung und Auszeichnung.
Chancen, wie sie die Bolithos dieser Welt immer hatten und haben wurden. Er lie? den Blick uber das leere Deck wandern. Aber die Reihe wurde auch an ihn kommen.
Trage schwojte Achates in ihrer Ankertrosse und wartete wie die Verwundeten im Schiffslazarett darauf, da? die Spuren des Gefechts verheilten.
Die Messe im Zwischendeck war uberfullt. Zwischen den machtigen Kanonen sa?en die Matrosen und Soldaten im Schein der Ollampen, klonten oder widmeten sich ihrem sorgsam gehuteten Rumvorrat. Hier und da schnitzten schwielige Finger uberraschend feinfuhlig an einem kleinen, detailgetreuen Modell oder an einer Muschelschale herum. Ein Matrose, der schreibkundig war, hockte dicht unter einer Lampe, wahrend daneben ein Kamerad ihm muhsam einen Brief an seine Frau in England diktierte. Im Quartier der Seesoldaten sauberte man die Waffen oder dachte an das letzte Gefecht, vielleicht auch an das bevorstehende; denn obwohl niemand davon sprach, wu?ten alle, da? es nicht zu vermeiden war.
Unten im Orlopdeck war die Luft zum Schneiden dick. Der Schiffsarzt James Tuson wischte sich die Hande und sah zu, wie abermals einem Schwerverwundeten die Decke ubers Gesicht gezogen wurde; die Arztgehilfen hoben ihn an und trugen ihn hinaus. Besser fur ihn, da? er tot war, dachte Tuson. Bei einer doppelten Beinamputation…
Er lie? den Blick durch sein kleines Lazarett schweifen, diese Statte des Elends. Warum? fragte er sich. Wozu das alles?
Die Matrosen fochten nicht fur Konig und Land, wie die Landratten immer so gern glaubten. Der Chirurg fuhr jetzt schon zwanzig Jahre zur See und wu?te es besser. Sie kampften fur ihre Kameraden, fur ihr Schiff und manchmal fur ihren Anfuhrer. Ihm fiel Bolitho ein, den er mit erschuttertem Gesicht an Deck hatte stehen sehen, als ihn die Mannschaft hochleben lie?, obwohl er sie in den Tod schickte. Ja, auch fur ihn wurden sie kampfen.
Er duckte sich unter den schweren Decksbalken und wollte weitergehen, da spurte er, da? jemand sein Bein packte.
Tuson buckte sich.»Was ist denn, Cummings?»
Ein Gehilfe leuchtete ihm mit der Laterne, so da? er den Verwundeten besser sehen konnte. Ein Eisensplitter hatte ihn in die Brust getroffen — ein Wunder, da? er noch lebte.
Der Mann namens Cummings flusterte:»Danke, da? Sie sich um mich gekummert haben, Sir«. Dann verlor er das Bewu?tsein.
Tusons Gefuhle waren abgestumpft, dazu hatte er schon zu viele Manner sterben gesehen oder zu Kruppeln werden; aber die simplen Dankesworte des Matrosen durchbrachen seinen Schutzpanzer und schuttelten ihn wie Fauste.
Bei der Arbeit am Operationstisch war er zu beschaftigt, als da? er an das Kanonenfeuer oder Kampfgetummel oben auch nur einen Gedanken verschwenden konnte. Der Strom der Verwundeten, die ihm ins Orlopdeck gebracht wurden, schien niemals ein Ende zu haben. Kaum da? er den Blick zu den blutigen Schurzen seiner schwei?gebadeten Gehilfen hob. Kein Wunder, da? man seine Zunft mit Metzgern verglich. Hier ein Bein ab, dort ein Arm, wahrend der nackte Korper mit roher Gewalt auf dem Tisch festgehalten wurde, damit er sagen und hacken konnte, taub fur das Gebrull der Gemarterten.
Aber hinterher, in solchen Augenblicken wie jetzt, setzte auch bei ihm die Reaktion ein. Dann fuhlte er sich beschamt daruber, da? er so wenig fur sie tun konnte; da? sie ihm auch noch dankbar waren.
Der Arztgehilfe lie? die Laterne sinken und wartete geduldig.
Tuson setzte seinen Rundgang fort und verdrangte das verfuhrerische Bild der Schnapsflasche aus seinen Gedanken. Wenn er dieser Versuchung erlag, war er verloren. Vor ihr hatte er sich ursprunglich auf See gefluchtet.