Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen - Kent Alexander. Страница 38

Herrick sprang auf.»Was ist, Mann?»

Browne kam mit langen Schritten durch die Kajute und ergriff All-days Arm.»Nun reden Sie schon, um Gottes willen!»

Allday sagte mit schwacher Stimme:»Ich konnte ein Glas Schnaps vertragen, Sir.»

Er wirkte wie betaubt, als ob er nur halb mitbekame, was um ihn herum vorging. Die drei Manner standen eng beieinander und folgten den Schiffsbewegungen, als die Benbow wieder in ein tiefes Wellental sackte. Jeder von ihnen war mit seinen Gedanken beschaftigt.

«Erzahlen Sie!«Herrick ging ruckwarts durch die Kajute, als wurde alles zunichte, wenn er die Augen von Allday abwandte, und tastete nach einer Flasche und Glasern.

Allday nahm den Brandy und schluckte ihn nahezu geistesabwesend hinunter.

Herrick sagte vorsichtig:»Ich dachte, der Doktor hatte Sie aufgefordert, den Raum zu verlassen?»

«Sie wissen, da? ich das nicht konnte, Sir. «Allday hielt das Glas zu neuer Fullung hin.»Aber es war nicht leicht. All das Blut. Sogar der alte Loveys. «Er schuttelte sich.»Bei allem Respekt, Sir, aber auch ihn hat's fast umgehauen.»

Herrick horte ihm gebannt und gleichzeitig erleichtert zu.

Allday fuhr fort:»Der Doktor sagt, wenn er nicht aus der Koje gefallen ware, hatte er das Bein verloren. So aber ist die Wunde aufgebrochen, und Mr. Loveys fand mit seiner Pinzette noch einen Metallsplitter und einige Stoffetzen.»

Herrick lie? sich in einen Stuhl fallen.»Gott sei Dank!«Bis zu diesem Augenblick hatte er geglaubt, Bolitho lebe zwar, habe aber sein Bein eingebu?t.

Allday schaute sich immer noch benommen in der Kajute um.»Ich. Tut mir leid, Sir, ich hatte hier nicht so hereinplatzen sollen, ohne Sie um Erlaubnis zu fragen.»

Herrick ubergab ihm die Flasche.»Nehmen Sie die mit in Ihr Quartier, und trinken Sie den Rest aus. Sie haben es verdient.»

Allday nickte und ging langsam zur Tur. Doch er drehte sich noch einmal um und murmelte:»Er hat plotzlich die Augen aufgemacht, Sir. «Wie zur Bekraftigung rieb er sich das Kinn.»Und wissen Sie, was er als erstes zu mir sagte?»

Herrick antwortete nicht, als er die Tranen sah, die uber Alldays stoppelige Backen liefen.

>»Du hast dich heute nicht rasiert, du Lummel!< Das hat er gesagt,

Sir.»

Browne schlo? vorsichtig die Tur, die Allday in Gedanken offengelassen hatte, setzte sich wieder und schaute zu Boden.»Jetzt verstehe ich Sie, Sir.»

Als Herrick nicht antwortete, bemerkte er, da? der Kapitan in seinem Stuhl eingeschlafen war.

Sehr vorsichtig verlie? Browne die Kajute und ging zum Niedergang. Dort stie? er fast mit dem Schiffsarzt zusammen, der einen Augenblick abwartete, in dem das Schiff wieder auf ebenem Kiel lag. Browne bemerkte Loveys Hande, die aussahen, als truge er rote Handschuhe.

Er sagte:»Kommen Sie mit in die Messe. Ich mache eine Flasche auf. Die haben Sie mehr als verdient!»

Loveys betrachtete ihn mi?trauisch.»Ich bin kein Zauberer, wie Sie wissen. Konteradmiral Bolitho kann noch einen Ruckfall bekommen, und selbst wenn alles gutgeht, wird er bis an sein Lebensende leicht humpeln und Schmerzen haben. «Vollig unerwartet lachelte er, und dabei war besonders deutlich zu erkennen, wie erschopft er war.»Glauben Sie mir, Mr. Browne, ich bin selber uberrascht.»

Herrick kam aus seinem Stuhl hoch und ertastete sich den Weg aus der Kajute. Seine Erschopfung war ein guter Grund dafur gewesen, da? er eingeschlafen war. Wenn er sich noch langer mit Browne unterhalten hatte, ware es ihm — genau wie Allday — unmoglich gewesen, seine Gefuhle zu verbergen.

Er tapste hinauf aufs Achterdeck, wobei seine Augen in der Dunkelheit doch noch die schemenhaften Kanonen erkennen konnten, wahrend die Finknetze sich klar wie Schattenrisse gegen den Abendhimmel abzeichneten.

Der Steuermannsmaat der Wache stand beim Aufgang zur Hutte, einer der Midshipmen schrieb etwas auf seine Tafel, die er dazu ans Kompa?licht hielt. Das Schiff achzte und quietschte bei seiner heftigen Dumpelei vor der Ankertrosse. Die Decks glanzten na? vom Regen, und die Luft war eiskalt. An der entgegengesetzten Ecke des Achterdecks entdeckte Herrick den wachhabenden Offizier. Er rief:»Mr. Pascoe!»

Pascoe eilte herbei, seine Schritte waren auf dem nassen Deck kaum zu horen. Er blieb vor seinem Kommandanten stehen und versuchte die Dunkelheit zu durchdringen.»Sie haben mich gerufen, Sir?»

«Es ist voruber, Adam. Er wird uberleben, und zwar mit beiden Beinen!«Herrick wandte sich ab und sagte nur noch im Gehen:»Ich bin in meiner Kajute, wenn etwas sein sollte.»

«Aye, aye, Sir!«Pascoe wartete, bis er verschwunden war, und schlug dann glucklich die Hande zusammen.

Der Midshipman fragte angstlich:»Ist etwas nicht in Ordnung, Sir?»

Pascoe mu?te seine Freude teilen, jemandem berichten.»Nicht mehr. Ich habe mich nie besser gefuhlt.»

Er stakste davon und lie? den Midshipman so ratlos stehen wie zuvor. Auch dieser machte sich selbstverstandlich Sorgen um den Admi-ral. Aber im Leben eines Midshipman gab es viele Dinge, uber die er sich Sorgen machen konnte. Diese Rechenaufgabe zum Beispiel. Der alte Grubb wollte sie noch vor Tagesanbruch haben. Da gab es keinerlei Entschuldigung.

Die Tafel zitterte, als der Junge sich an den schrecklichen, aber gro?artigen Augenblick erinnerte. An den Konteradmiral, der seinen Hut schwenkte und die Kanonen des Feindes mi?achtete. An die jubelnden oder sterbenden Manner. Und er, Midshipman Edward Graham aus der Grafschaft Hampshire, hatte uberlebt.

Der dreizehn Jahre alte Midshipman konnte nicht wissen, da? Richard Bolitho fast genau dasselbe dachte.

X Traumgebilde

Nach einer der sturmischsten Uberfahrten, an die Bolitho sich erinnern konnte, hatte die Benbow schlie?lich in Spithead geankert. Fast drei Monate waren sie fort gewesen, eine kurze Zeit nur fur einen erfahrenen Seeoffizier, doch Bolitho hatte nicht erwartet, da? sie Spithead oder einen anderen heimatlichen Hafen jemals wiedersehen wurden.

Die schmutzig gelben Wellenkamme schienen ihm beinahe schon, und die klamme Luft in der Kajute war ihm nicht langer lastig. Bo-litho trat vorsichtig von den Heckfenstern zuruck; obwohl er sich bemuhte, sein verwundetes Bein nicht zu belasten, hatte er vor Schmerz fast aufgeschrien. Jeden Tag hatte er sich gezwungen, von Allday und Ozzard gestutzt, ein paar Schritte zu gehen.

Stolz oder Zorn — er war sich noch nicht sicher, was von beiden uberwog — hatte ihn auf den Weg der Genesung getrieben. Er hegte den Verdacht, da? Kommodore Rice vom Downs-Geschwader vielleicht ungewollt einiges damit zu tun gehabt hatte.

Herrick hatte darum gebeten, da? Rice das Kommando uber die vereinten Geschwader ubernahm, wahrend er selber die Benbow zur Inspektion und Reparatur ins Dock brachte. Rice hatte Herrick zunachst abgewiesen, weil er wohl darauf aus war, baldmoglichst auf seine eigene, weniger schwierige Station zuruckzukehren. Es konnte aber auch sein, da? er Bolitho schon abgeschrieben hatte und Herrick fur zu jung hielt, um ihm Anweisungen zu geben. Was es auch gewesen sein mochte: Bolitho hatte nach Yovell gerufen und ihm eine kurze Anweisung fur den Kommodore diktiert. Rice sollte danach bis auf weiteres das Kommando uber das vereinte Geschwader ubernehmen. Wenn Ropars' oder andere feindliche Schiffe den Versuch machen sollten, in die Ostsee einzudringen, wurden sie auf eine sehr viel starkere Streitmacht als bisher sto?en und ein weit gro?eres Risiko eingehen.

Herrick klopfte an die Tur und trat ein.»Wir haben geankert, Sir. «Er schaute Bolitho prufend an und fugte hinzu:»Sie sollten sich schonen.»

«Wollen Sie mich vielleicht im Bootsmannsstuhl in mein Boot ab-fieren, Thomas? Wie den Arzt, den wir einmal hatten, oder wie ein Stuck uberzahliger Ladung?«Er zuckte zusammen, als das Deck sich plotzlich seitwarts neigte.»Aber ich werde vorsichtig sein.»