Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander. Страница 52
Allday sah sich in der unordentlichen Kajute um und zuckte die Achseln. Feucht, dreckig und stinkend war sie ja tatsachlich. Aber nach der druckenden Hitze des Tages war es hier beinahe kuhl.
Dann sah er die leeren Weinflaschen und lachte in sich hinein. Die Hitze des Kommodore kam wahrscheinlich von innen.
«Gei auf die Fock!»
Bolitho beschattete die Augen und sah hinuber auf die planlos in die Gegend gebauten Bastionen, die alle Einfahrten des Hafens von La Valetta schutzten. Als sie langsam naher kamen und die Sonne hinter Maltas verwitterten Mauern aufgehen sahen, wirkte der Hafen auf sie wie eine richtige Festung.
«Recht so — Kurs halten!«Breitbeinig stand der untersetzte, muskulose Plowman neben dem Ruderganger, die Pfeife im Mund.
Bolitho wu?te, da? es ihm wie den meisten anderen schwerfiel, sich nach der strengen Disziplin auf einem Kriegsschiff so locker und lassig zu geben. Aber der Eindruck, den ein Schiff beim Einlaufen in den Hafen machte, war immer der ausschlaggebende.
An Deck lungerten Matrosen herum, lehnten am Schanzkleid, deuteten auf die Gebaude an Land, manche mit echtem Interesse, andere mit ubertriebener Schauspielerei.
Midshipman Breen sagte:»Ich habe viel von dieser Insel gehort, Sir; aber ich dachte nie, da? ich sie jemals zu sehen bekame.»
Plowman grinste.»Aye. La Valetta hei?t nach dem Gro?meister der Malteserritter, der die Insel gegen die Turken verteidigt hat.»
«Waren Sie damals hier?«fragte Breen und glotzte den Steuermannsmaaten mit unverhohlener Ehrfurcht an.
«Kaum, Mr. Breen. Das war vor mehr als zweihundert Jahren. «Er sah Veitch an und schuttelte den Kopf.»Ob ich dabei gewesen bin, fragt er — mein Gott!»
Die vorderste Bastion glitt jetzt querab vorbei; ihre obere Brustwehr wimmelte von bunten Gestalten. Offenbar diente sie nicht nur zur Verteidigung, sondern auch als Durchfahrt. Hinter ihr offnete sich das glitzernde Hafenbecken, um die Segura zu empfangen. Winzige Ruderboote schossen zwischen den Schiffen und der Pier hin und her wie Wasserkafer. Ein paar Schoner ankerten hier, auch schlanke arabische Dhaus, und die Felukken mit den gro?en Lateinersegeln. Zwei farbenfreudige Galeassen mit vergoldetem Schnitzwerk lagen an den Steinstufen des Kais wie aus einem historischen Gemalde stammend. Als die Romer England eroberten, waren solche Schiffe nicht besonders aufgefallen, dachte Bolitho. Die Malteserritter hatten sie jahrhundertelang mit gro?em Erfolg benutzt, um Hafen und Schiffe der Turken zu attackieren, und hatten auf diese Weise viel dazu beigetragen, den turkischen Einflu? zu verdrangen — auf immer, wie zu hoffen stand.
Aber jetzt hatte Malta seine Rolle wieder gewechselt. Es hatte sich auf seine eigene Kraft besonnen, erhob Abgaben von den Schiffen, die den Hafen in Geschaften anliefen oder dort vor Sturmen oder Piraten Schutz suchten.
«Klar zum Ankern!»
Bolitho trat an den Fu? des Gro?mastes und wartete auf irgendeinen Anruf. Aber die Segura erregte wenig Interesse; er nahm daher an, da? sie nicht das erste Schiff war, das hier unter amerikanischer Flagge einlief.
Allday flusterte grinsend:»Bei Gott, Mr. Gilchrist wird ein Jahr brauchen, bis er diese Burschen wieder auf Draht hat!»
Eben spuckte einer unbekummert an Deck, grinste aber dann seine Kameraden etwas schafsma?ig an. Auf der Lysander hatte ihm Spucken ein Dutzend Hiebe eingebracht.
«Aufschie?en!«schrie Veitch.
Bolitho nahm ein Messingteleskop und richtete es auf den langsten der steinernen Kais: Boote, bis ans Dollbord mit Fruchten und Korbwaren beladen — und vermutlich auch mit Weibern. Denn christliche Sitte und Moral waren in diesen Steinmauern schon langst angekrankelt, und es hie?, selbst die Malteserritter seien mehr den weltlichen als den himmlischen Freuden zugetan.
«Ruder hart Backbord!»
Die Segura dumpelte uber ihrem Schatten, die geflickten Segel bewegten sich kaum noch im Wind, und der rostige Anker klatschte ins Wasser.
«Mr. Veitch, wenn Sie diese Marketender schon langsseit kommen lassen, dann geht aber immer nur einer von den Handlern an Bord! Sonst gibt es eine riesengro?e Wuling!»
Allday stellte bereits eine kleine, aber furchteinflo?ende Ankerwache zusammen. Jeder Mann hatte einen Entersabel und dazu eine lange, kraftige Handspake.
«Boot aussetzen!»
Bolitho wischte sich Gesicht und Hals. Im Hafen war es noch stickiger als unter Deck.
Das erste Boot lag bereits langsseit. Handler und Ruderer priesen in vielsprachiger Konkurrenz ihre Waren an.
Veitch kam wieder nach achtern.»Alles klar, Sir. Ich habe zwei Drehgeschutze mit gehacktem Blei geladen; unter dem Vorderkastell, wo man's nicht sieht, ist ein Muskentengestell. Die Hafenbatterien sind nur auf See hinaus gerichtet; also sind wir furs erste sicher.»
Bolitho nickte.»Festungsbauer machen oft diesen Fehler. Sie denken niemals an einen Angriff von der Landseite. Und das ist auch ganz gut so.»
«Ihr Boot wartet, Sir. «Allday trat ans Schanzkleid bei den Gro?wanten. Dort versuchte soeben ein kleiner, dunkelhautiger Mann mit Turban, der sich eine Auswahl von Schmuckperlen, Flaschen und exotischen Dolchen um den Hals gehangt hatte, an Bord zu klettern.»Warte, bis zu gerufen wirst, Mustafa!«sagte Allday, setzte dem Mann die offene Hand unters Kinn und gab ihm einen Schubs, da? er rucklings ins Wasser fiel. Seine Kumpane brachen in Gelachter und frohliches Geschrei aus; vermutlich dachten sie, der Skipper dieses Fahrzeugs sei vielleicht ein harter Mann, aber gerecht und bevorzuge keinen.
Veitch kam zu Bolitho an die Reling.»Wenn irgendein Behordenmensch an Bord kommt, Sir, soll ich versuchen zu bluffen?»
Bolitho war fruher schon in Malta gewesen. Er lachelte grimmig.»Halten Sie sich an Mr. Plowman. Ich nehme an, er kennt die etwas unorthodoxen Geschafte hier. Die Hafenbehorden werden vielleicht abwarten, ob wir loschen wollen. Aber wenn sie kommen und nach Papieren fragen, dann sagen Sie ihnen das, was wir besprochen haben: das wir die Papiere uber Bord werfen mu?ten, weil wir von einem unbekannten Schiff gejagt wurden. In der Kajute finden Sie einen Beutel Goldmunzen, falls Sie ein bi?chen schmieren mussen.»
Plowman grinste uber die Unsicherheit des Leutnants.»Du lieber Gott, Mr. Veitch! Hafenbeamte sind uberall gleich; und immer mehr amerikanische Schiffe segeln ins Mittelmeer. Hier wartet ein neues Geschaft auf sie, das sie sich bestimmt nicht entgehen lassen wollen!»
Bolitho stieg uber die Reling.»Und passen Sie auf die Mannschaft auf! Vielleicht gibt es auf diesen Marketenderbooten franzosische Spione. Es kann nicht schaden, wenn Sie unseren Leuten so etwas andeuten.»
Er kletterte in den einen Kutter, den die Segura noch hatte.
«Ablegen!»
Da sah er einen der Handler kraftig auf einen Sto? Teppiche klopfen; ein glatter runder Arm schob die Fransen beiseite. Kein Mannerarm. Der richtige Handel sollte anscheinend erst losgehen, wenn der Kapitan der Segura von Bord war.
«Da oben auf der Treppe«, murmelte Allday.»Zwei Mann. Irgendwelche Offiziere.»
Doch die beiden nickten nur hoflich und kummerten sich nicht um sie, sondern beobachteten weiter das Schiff; vielleicht warteten sie auf den richtigen Moment, um an Bord zu gehen.
Auf den hei?en Steinen des Kais wartete Bolitho auf Allday, der mit einem der Matrosen, dem Schweden Larssen, nachkam. Lars-sen hatte ein vergnugtes, zutrauliches Gesicht und die breitesten Schultern, die Bolitho je gesehen hatte.
«Fur den Fall, da? es Arger gibt«, kommentierte Allday. Plotzlich sah er Bolitho beunruhigt an.»Fuhlen Sie sich auch wohl,
Sir?»
«Naturlich. Stellen Sie sich nicht so an«, erwiderte Bolitho und wandte sich ab.»Schicken Sie das Boot zuruck. Wir wollen so wenig Aufsehen erregen wie moglich.»
Er horte Allday mit der Bootsmannschaft sprechen und konnte sich kaum enthalten, das Hemd vom Korper abzuzupfen. Es war klatschna? vor Schwei?, und der Kopf war ihm so merkwurdig leicht. Der Wein? Oder das Abendessen? Tief in seinem Innern jedoch nahm bereits ein anderer Gedanke Gestalt an; und er hatte gro?e Muhe, seine aufsteigende Angst zu verbergen. Aber es war wohl unwahrscheinlich. Er bi? die Zahne zusammen. Wenn doch Allday endlich mit dem Boot fertig ware, damit er in den Schatten kame! Aber unmoglich war es nicht. Neun Jahre war es beinahe her, da hatte ihn in der Sudsee das Fieber fast umgebracht. Seitdem hatte er ein paar Anfalle gehabt, aber seit etwa einem Jahr nicht mehr. Beinahe hatte er laut geflucht. Ausgerechnet jetzt durfte es nicht passieren.»Fertig, Sir«, sagte Allday.