Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander. Страница 53

«Gut. Wir wollen das Haus suchen und die Sache erledigen. «Er schwankte und hielt sich an Alldays Schulter fest.» Verdammt!»

Wahrend sie sich durch eine Gasse schwatzender Handler drangten, sah Allday ihn besturzt an.

«Der capitan?«fragte Larssen.»Nix gut?»

Allday packte ihn heftig beim Arm.»Hor zu. Aber hor gut zu. Wenn es das ist, was ich denke, dann ist er in einer Stunde vollkommen fertig. Bleib dicht bei mir und tu genau, was ich tue, verstanden?»

Hilflos hob der Schwede die Schultern.»Yessir, Mr. All-Day.»

Zum Gluck war das Haus nicht weit von der Hafentreppe. Das wei?gekalkte Gebaude lehnte sich, als wolle es sich stutzen, an eine der Bastionen; auf dem breiten Balkon sah Bolitho ein gro?es Teleskop wie ein Geschutz auf die Hafenanlagen gerichtet.

Er tastete unter seinem Rock nach der Pistole, ob sie auch so lok-ker sa?e, da? er sie notfalls blitzschnell ziehen konnte. Es war schon ein rechtes Hazardspiel. Vielleicht wu?te dieser franzosische Agent bereits vom Schicksal des Schiffes, dem der Brief anvertraut worden war. Das Geleit, das die Buzzard gejagt hatte und mit dem der Schoner gesegelt war, konnte Malta angelaufen, entsprechenden Bescheid gegeben und dann seinen Weg fortgesetzt haben.

Doch das hielt er immer noch fur unwahrscheinlich. Wenn dieser Brief wirklich von so gro?er Wichtigkeit war, dann hatte ihn eine der Fregatten an Bord gehabt und ihn, wahrscheinlich bei Nacht, mit einem Boot an Land gebracht.

«Los, weiter«, sagte er kurz.»Wir mussen schnell machen.»

Das Erdgescho? des Hauses stand voller Weinfasser und Strohballen, wohl zum Verpacken der Flaschen. Ein paar Malteser Arbeiter rollten leere Fasser uber eine Rampe in den Keller hinunter, ein gelangweilter Mann in zerknittertem Hemd und senffarbener Kniehose machte Eintragungen in ein Buch, das auf einem hochgestellten Fa? lag. Mi?trauisch sah er auf. »Si?»

Schwer zu sagen, was er fur ein Landsmann war — er konnte ebensogut Grieche sein wie Hollander.

Bolitho sagte:»Ich spreche nur englisch. Ich bin der Skipper des amerikanischen Schiffes, das eben vor Anker gegangen ist.»

Der Mann antwortete nicht gleich, aber in seinen Augen war zu lesen, da? er alles verstanden hatte. Schlie?lich sagte er:»Amerikaner. Ja, verstehe.»

Bolitho rausperte sich und gab sich Muhe, mit fester Stimme zu sprechen.»Ich mochte M'sieur Gorse sprechen.»

Wieder der unbewegte Blick. Doch er gab kein Alarmzeichen, seine Leute arbeiteten weiter, ohne sich um die Besucher zu kummern.

Endlich sagte er:»Ich wei? nicht, ob ich das arrangieren kann.»

Allday ruckte ihm dicht auf den Leib und starrte ihn wutend an.»Der Kapt'n sagt, er will ihn sprechen, und damit hat sich's, Kerl! Wir sind mit diesem gottverdammten Brief nicht so weit hergekommen, da? wir noch Lust hatten, stundenlang zu warten!»

Der Mann lachelte dunn.»Ich mu? vorsichtig sein. «Er sah bedeutsam zum Hafen hin.»Und Sie auch!»

Er klappte das Buch zu und winkte sie zu einer engen Steintreppe.

«Bleiben Sie mit Larssen hier, Allday«, sagte Bolitho. Sein Mund war vollig trocken, der Gaumen brannte wie hei?er Sand. Abwehrend schuttelte er den Kopf.»Keine Widerrede! Wenn's jetzt noch schiefgeht, haben drei auch nicht mehr Chancen als einer. «Er versuchte, beruhigend zu lacheln.»Ich rufe Sie schon, wenn Not am Mann ist.»

Damit drehte er sich um, ging hinter dem Angestellten die Treppe hinauf und trat dann durch eine Tur in einen langen Raum, der zum Hafen hin offen war. Schiffe und Hauser schimmerten in der Sonne wie ein riesiger Gobelin.

«Ah, capitaine!«Ein wei?gekleideter Mann kam vom Balkon herein.»Ich habe mir beinahe gedacht, da? Sie es sind.»

Yves Gorse war klein und rundlich. Er hatte zierliche, ruhelose Hande und wie zum Ausgleich fur seine vollstandige Kahlheit einen dichten schwarzen Bart.

Bolitho musterte ihn gelassen.»Ich wollte schon fruher einlaufen, aber ich bin einer britischen Fregatte begegnet. Mu?te meine Papiere uber Bord werfen; aber dann konnte ich den Bastard in einem Sturm abschutteln.»

«Aha. «Gorse deutete mit seiner zierlichen Hand auf einen Stuhl.»Bitte nehmen Sie Platz. Sie sehen nicht wohl aus, capitaine?»

«Mir geht's gut.»

«Vielleicht. «Gorse ging zum Fenster und sah aufs Wasser hinaus.»Und wie ist Ihr Name?«»Pascoe. Ein Name aus Cornwall.»

«Das ist mir bekannt, capitaine.«Mit uberraschender Leichtigkeit drehte er sich um.»Aber ein capitaine Pascoe ist mir nicht bekannt — eh?»

Bolitho zuckte die Achseln.»Bei diesem Spiel mu? man lernen, einander zu vertrauen, nicht wahr?»

«Spiel?«Gorse tat ein paar Schritte durchs Zimmer.»Das ist es nie gewesen. Doch Ihr Land ist wohl noch zu jung, um die Gefahr richtig zu sehen.»

Argerlich entgegnete Bolitho:»Haben Sie unsere Revolution vergessen? Mir ist doch, als hatte sie ein paar Jahre vor der Ihren stattgefunden!»

«Touche«, sagte Gorse und zeigte lachelnd kleine, aber makellose Zahne.»Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten. Nun — dieser Brief. Kann ich ihn haben?»

Bolitho zog ihn aus der Tasche.»Sie sehen, M'sieur, ich vertraue Ihnen.»

Gorse offnete den Brief und las, indem er ihn in einen Flecken Sonnenlicht hielt. Bolitho versuchte, nicht hinzusehen, nicht nach einem Anzeichen zu suchen, ob Gorse gemerkt hatte, da? der Brief neu versiegelt worden war. Aber Gorse schien zufrieden zu sein. Nein, erleichtert war das passendere Wort.

«Gut«, sagte er.»Vielleicht mochten Sie ein Glas Wein? Etwas

Besseres als dieses Zeug, das Sie nach — ah — wohin wollten Sie doch?»

Bolitho pre?te die Finger in der Tasche zusammen, um das Zittern seiner Beine zu beherrschen. Er hatte das Gefuhl, sie zitterten so stark, da? Gorse es bemerken mu?te. Jetzt war der Augenblick. Versuchte er, mit irgendwelchen Spiegelfechtereien etwas aus Gorse herauszulocken, so wurde der Mann sofort Bescheid wissen. Gorse war ein erfahrener Agent des Feindes. Sein Schiffsbedarfsund Weinhandel war eine in langen Jahren sorgfaltig aufgebaute Tarnung. Offenbar hatte er nicht den Wunsch, nach Frankreich zuruckzukehren, das er schon vor langer Zeit verlassen haben mu?te. So mancher, der Kaufmann gewesen war wie er, hatte seine letzten Atemzuge getan, als er in einen blutverschmierten Korb hinunterstarrte und auf das Niedersausen des Fallbeils wartete.

Malta stand wie eine Schildwache zwischen dem westlichen und dem ostlichen Mittelmeer. Gorses nachrichtendienstliche Tatigkeit wurde ihm gut zustatten kommen, besonders wenn die franzosische Hauptflotte Toulon verlie?, was sie schlie?lich eines Tages tun mu?te.

Beilaufig erwiderte Bolitho:»Nach Korfu naturlich. Daran hat sich nichts geandert. Ich dachte, mein Freund John Thurgood ware hier mit seiner Santa Paula vor Anker gegangen. Er wollte auch nach Korfu, wie Sie sicher wissen.»

Gorse lachelte bescheiden.»Ich wei? vieles.»

Bolitho versuchte sich etwas zu lockern und Befriedigung daruber zu empfinden, da? sein Schwindel akzeptiert wurde. Aber er fuhlte sich immer schlechter; er merkte, da? sein Atem rascher ging. Allerlei Vorstellungen zuckten durch sein Hirn, wie Stucke aus einem Alptraum: die hellen, mit wehenden Palmen bestandenen Strande Tahitis und anderer ferner Inseln; Bilder von Menschen, die qualvoll am Fieber starben, und von Uberlebenden, die sich zu einem erschreckten, verzweifelten Hauflein zusammendrangten.

Wie von fern horte er sich sagen:»Und der Brief — gute Nachrichten?»

«Ja, capitaine. Die Malteser werden allerdings vielleicht anderer Ansicht sein, wenn die Zeit kommt. «Er schien besorgt:»Sie mussen sich aber wirklich ausruhen, capitaine! Sie sehen gar nicht wohl aus.»

«Fieber«, entgegnete Bolitho.»Alte Geschichte. Kommt immer wieder. «Er mu?te in ganz kurzen Satzen sprechen.»Aber deswegen — kann ich trotzdem segeln.»