Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander. Страница 11

Inch nickte. Sein Gesicht war so voll Dankbarkeit, da? Bolitho sich fur ihn schamte. Und auch fur sich selbst. Er hatte fest beabsichtigt, den scharfsten Tadel zu erteilen, den er aufbringen konnte, und wu?te im Innersten, da? er Inch wahrscheinlich keinen Gefallen erwies, wenn er es unterlie?. Doch angesichts der Haltung, die der Kommodore gegenuber seinem Vorgesetzten eingenommen hatte, und der Gefahren, die sich daraus fur sie alle ergeben mochten, konnte er sich nicht dazu uberwinden, Inch um den letzten Rest seines Selbstvertrauens zu bringen.

Noch wahrend das Boot uber die Backbordgangway gehievt wurde, rief Gascoigne aus:»Flaggschiff an Hyperion: Beziehen Sie Position am Ende der Formation.»

«Bestatigen. «Bolitho legte die Hande auf dem Rucken zusammen. Am Ende der Formation, dachte er erbittert. Die Vectis war bereits im Dunst verschwunden, und jetzt waren hier nur noch diese drei Schiffe, zu weit vom Gegner entfernt, um von sonderlichem Nutzen zu sein. Und irgendwo weit hinter dem Flaggschiff befand sich eine einsame Fregatte. Er konnte ihren Kommandanten nur bemitleiden.

Die Pfeifen schrillten, und die Besatzung schwarmte auf Stationen aus, als ob sich jeder einzelne der Nahe des Flaggschiffs bewu?t ware, um so eifriger, als sie auch die Unzufriedenheit ihres eigenen Kommandanten spurten.

Doch trotz der Ungeschicklichkeit und des erwarteten Durcheinanders bei manchen Leuten wurden die Manover ohne weitere

Zwischenfalle beendet. Die Hyperion wendete und zeigte ihr kupfernes Unterwasserschiff, als sie hoch an den Wind ging, um ihre Position hinter dem anderen Vierundsiebzig-Kanonen-Schiff, der Hermes, einzunehmen, so da? einem fremden Zuschauer, falls einer dagewesen ware, nichts verriet, da? ein neuer Wachtposten eingetroffen war, und auch nicht, da? ein anderer bereits alle Segel gesetzt hatte, um fur eine vorubergehende Ruhepause vom Blockadedienst nach England zu segeln.

Schlie?lich uberquerte Inch das Achterdeck und legte die Hand an seinen Hut.»Bitte um Erlaubnis, die Wache unter Deck zu entlassen, Sir.»

Bolitho nickte. Dann sagte er:»In Zukunft, Mr. Inch, seien Sie fest, wenn Sie Befehle erteilen. Ob Leuten gegenuber, die es besser wissen, oder solchen, die nur meinen, da? sie es besser wissen. Dann werden die Leute Vertrauen zu Ihnen haben. «Die Worte stockten ihm im Hals, als er hinzufugte:»Genau wie ich Vertrauen zu Ihnen habe. «Er machte auf dem Absatz kehrt und ging nach Luv hinuber, unfahig, die ruhrende Entschlossenheit auf Inchs Gesicht mitanzusehen.

Inch packte die Achterdecksreling und starrte blind auf das Gewuhl der Matrosen um den Fu? des Fockmastes, die vom Dienst entlassen worden waren. Er hatte sich vor Bolithos Ruckkehr gefurchtet, nicht, weil ihm sein Versagen vorgehalten werden sollte, sondern weil er sich dessen besser als jeder andere bewu?t war. Da? er Bolithos Mi?fallen erregt und ihn enttauscht hatte, konnte er nicht ertragen. Fur Inchs simples Gemut war Bolitho eher ein Gott als ein Kommandant. Wenn Heldenverehrung eine treibende Kraft war, dann besa? Inch davon mehr als Lebenswillen.

Plotzlich streckte er die Hand aus und rief:»He, der Mann da! Los, Sie konnen mehr, als Sie da bieten!»

Der angerufene Matrose blickte schuldbewu?t auf und wendete sich dann wieder seiner Arbeit zu. Er wu?te nicht, was er falsch gemacht hatte, und verrichtete in jedem Fall seine Arbeit so gut, wie er es gelernt hatte. Er konnte auch unmoglich erraten, da? er fur den Ersten Offizier nicht mehr als ein nebelhafter Schatten war, ein Fleck unter vielen, als Inch uber das stampfende Schiff starrte und seine Zukunft noch einmal zum Leben erwachen sah.

Gossett, der neben dem Ruderganger stand und auf seine Tafel schrieb, blickte zu Inch hinuber, dann zum Kommandanten, der, den Kopf in Gedanken gesenkt, die Hande auf dem Rucken, auf und ab ging, und nickte langsam, verstandnisvoll. Der arme Inch, dachte er. Mancher Kommandant, den er kannte, hatte auf einen Offizier wie ihn niemals Rucksicht genommen. Aber Bolitho schien sich um jeden Gedanken zu machen. Wenn einer ihn enttauschte, schien er darin ein personliches Versagen zu sehen; aber wenn einer Erfolg hatte, schien er immer den Lohn mit ihm zu teilen. Der alte Steuermann lachelte insgeheim. Gerecht, das war das treffende Wort. Es pa?te sehr gut auf Bolitho: Dick der Gerechte. Ein breites Grinsen zog uber sein Gesicht.

Bolitho hielt im Hin- und Hermarschieren unvermittelt inne und sagte scharf:»Mr. Gossett, an Bord dieses Schiffes befinden sich sechs Midshipmen, deren Unterricht in Navigation nach meiner Berechnung vor funfzehn Minuten beginnen sollte.»

Gossett griff an seinen abgenutzten alten Hut, konnte sein Grinsen aber nicht unterdrucken.»Aye, Aye, Sir. Ich werde sofort damit beginnen. «Bolitho blickte ihm finster nach. Es behagte ihm nicht, wenn Gossett anfing, am hellen Tag zu traumen. Er nahm seinen Spaziergang wieder auf und kehrte zu seinen Gedanken zuruck. Ohne Zweifel wurden sie alle genugend Zeit haben, unter PelhamMartins Stander bei hellem Tag zu traumen.

III Tauschungsmanover

Als aus Tagen Wochen wurden, schien es Bolitho, als kenne die erbarmungslose Grausamkeit von Wind und Meer keine Grenzen und die ganze Welt sei zu der bedruckenden Enge des Schiffsrumpfs und dem von Wellen uberspulten Oberdeck geschrumpft. Auch in den Befehlen des Kommodore schien es keine Abweichungen zu geben. Tag fur Tag kreuzten die Schiffe bei jedem nur vorstellbaren Wetter, das die Biskaya zu bieten hatte. Boiger Wind frischte innerhalb von Minuten zu voller Sturmstarke auf, und fur die Matrosen, die sich wieder und wieder in die Takelage hinaufqualen mu?ten, um gegen die eisige, froststarre Leinwand anzukampfen, wurde das Ausharren auf Station zu einem einzigen Alptraum. Mit gerefften Segeln mu?ten die drei Schiffe tagelange Sturme uberstehen; sobald wieder bessere Sicht herrschte, wurden sie von der Indomitable mit einer Flut dringender Signale uberschuttet, die befohlene Formation wiederherzustellen.

An Bord der Hyperion gab es zwar keine Seekrankheit mehr, aber wenn die Seeleute fur eine kurze Ruhepause unter Deck entlassen wurden, sanken sie wie Tote in ihre engen Hangematten, dankbar fur die Warme der anderen Korper, die um sie herum schwankten, wenn das Schiff bei heulendem Wind weiter durch die starke Kustenstromung stampfte.

Doch kaum eine Stunde schien zu vergehen, bis die Pfeifen wieder schrillten und von Luke zu Luke der Ruf erschallte:»Alle Mann! Alle Mann an Deck! Aufentern zum Marssegelreffen!»

Damit die Besatzung nicht vollig verzweifelte, nutzte Bolitho jede Gelegenheit, um sie zu beschaftigen. So oft es moglich war, setzte er Geschutzexerzieren an und lie? die Steuerbordbatterie mit der auf Backbord konkurrieren. Die Bedienungen der unteren Geschutze mu?ten sich mit denen auf dem Hauptdeck abwechseln, da das schlechte Wetter es nicht erlaubte, die unteren Stuckpforten zu offnen. Bei seinen wochentlichen Inspektionen bedruckten Bolitho die elenden Bedingungen auf dem unteren Batteriedeck, wo die Leute neben und zwischen den drei?ig Vierundzwanzigpfundern leben mu?ten, die sie im Gefecht bedienten. Bei festverschlossenen Pforten und starkem Seegang bot sich ein Anblick wie aus Dantes Inferno. Etwa dreihundert Leute lebten, a?en und schliefen dort, und selbst wenn eine Wache an Deck war, stank die Luft ekelerregend. Der faulige Bilgendunst, vermischt mit menschlicher Ausdunstung und dem Mief der Kleidungsstucke, die nie richtig trok-ken wurden, war auch fur den abgeharteten Seemann mehr als genug.

Drei Wochen nach ihrer Unterstellung unter Pelham-Martins Kommando ging ein Mann uber Bord, ein junger Matrose, der in Devon zum Dienst gepre?t worden war. Er hatte auf dem Vorschiff mit der Gruppe des Bootsmanns gearbeitet, als eine gro?e Welle den Kluverbaum uberflutete und den Mann wie einen Fetzen Leinwand uber die Reling wusch. Einen Augenblick noch hatte er sich angeklammert, mit den Fu?en nach dem Netz geangelt, ehe ein weiterer Brecher ihn packte und an der Bordwand entlang nach achtern ri?.