Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander. Страница 12
Zu dieser Zeit herrschte starker Sturm, und es war unmoglich zu wenden, ohne das Schiff zu entmasten. Es hatte auch keinen Sinn gehabt. Bis ein Boot vom Schiff freigekommen ware, hatte keine Moglichkeit mehr bestanden, den Mann im wilden Seegang wiederzufinden. Aber der Vorfall beeindruckte das ganze Schiff tief, und selbst die Harte, mit der die alteren, erfahrenen Seeleute ihn hinnahmen, konnte die Wirkung nicht mildern.
Es war der erste Todesfall, seit das Schiff Plymouth verlassen hatte, und er schien wie eine finstere Drohung uber den uberfullten Decks zu hangen, je langer das Schiff unter dem anhaltenden Druck des Wetters auf sich selbst gestellt war. Eine ganz ahnliche Stimmung hatte nach dem ersten Auspeitschen geherrscht. Irgendwie war es einem Matrosen gelungen, Zugang zu den Schnapsvorraten zu finden, und ohne einem Kameraden etwas zu sagen, hatte er sich einen stillen Winkel gesucht und sich sinnlos betrunken.
Wahrend der ersten Wache war er splitternackt aufgetaucht und hatte sich auf dem verdunkelten Deck wie ein Wahnsinniger aufgefuhrt, hatte jedem, der ihn zu packen versuchte, wilde Verwunschungen und Fluche entgegengebrullt. Es war ihm sogar gelungen, einen Unteroffizier niederzuschlagen, ehe er uberwaltigt werden konnte.
Am nachsten Tag, als das Schiff schwer in einer Regenbo kampfte, hatte Bolitho die Besatzung antreten lassen, damit sie an der Bestrafung teilnahm. Nachdem er die Kriegsartikel verlesen hatte, befahl er den Bootsmannmaaten, die Strafe von drei?ig Peitschenhieben zu vollstrecken. Das war in Anbetracht der sehr strengen Disziplinarvorschriften bei der Marine eine milde Strafe. In das Getrankelager einzubrechen, war schlimm, aber einen Unteroffizier niederzuschlagen, darauf standen eigentlich Kriegsgericht und der Galgen, wie jeder nur zu gut wu?te.
Bolitho hatte keinen Trost darin gefunden, da? er nur die Mindeststrafe verhangte. Selbst die Tatsache, da? der Unteroffizier damit einverstanden war, auszusagen, er sei gar nicht geschlagen worden, war fur das Auspeitschen kein Ausgleich. Zu jeder anderen Zeit war eine Bestrafung notwendig, doch als er mit den Offizieren an der Reling des Achterdecks stand und der Trommeljunge zwischen jedem Schlag der neunschwanzigen Katze einen langsamen Wirbel schlug, hatte es ihm geschienen, da? das ganze Schiff auch ohne dieses zusatzliche Leiden genug zu ertragen hatte. Irgendwie war es durch den Regen noch schlimmer gewesen. Der Kalte wegen hatte die Mannschaft sich eng zusammengedrangt, wie die scharlachrote Reihe der Marinesoldaten mit dem ungleichma?igen Rollen des Schiffs geschwankt, wie die zuckende, mit gespreizten Gliedern auf den Rost gefesselte Gestalt, keuchend und schluchzend, wahrend die Peitsche im Takt mit den Trommelschlagen sich hob und fiel.
Gelegentlich erschien eine Schaluppe bei dem kleinen Geschwader, mit Depeschen von der Flotte oder Vorraten aus Vigo. Und wenn das Wetter es zulie?, befahl der Kommodore seine Kapitane an Bord des Flaggschiffs, um ihnen seine formellen Berichte vorzulesen, ehe er sie in ihrer Gegenwart unterzeichnete, und dann, zu Bolithos Erstaunen, jeden einzelnen der drei Kommandanten der Reihe nach aufforderte, ebenfalls zu unterschreiben.
Er hatte von diesem Brauch noch nie gehort, konnte aber den holzernen Gesichtern seiner beiden Kameraden entnehmen, da? sie an diese seltsame Laune von Pelham-Martin gewohnt waren. Es wurde in zunehmendem Ma? offensichtlich, da? der Kommodore nicht beabsichtigte, auch nur im geringsten von seinem Plan abzuweichen, der Kritik oder der moglichen Unzufriedenheit des Vizeadmirals dadurch zuvorzukommen, da? er bei allem, was er tat, seine drei Kommandanten mitverantwortlich machte. Bisher hatte er selbstverstandlich nichts anderes getan, au?er seine Befehle buchstabengetreu zu befolgen: Patrouille und Blockade, sonst nichts.
Jedesmal, wenn Bolitho an Bord der Indomitable gerufen wurde, stellte er fest, da? Pelham-Martin ein freigebiger Gastgeber war. Die Schaluppen, die nach Vigo segelten und zuruckkamen, versorgten ihn dem Anschein nach reichlich mit erlesenen Weinen und stellten, Bolithos Ansicht nach noch wichtiger, eine gewisse Verbindung zur Au?enwelt her.
Zum letztenmal besuchte Bolitho das Flaggschiff am Weihnachtstag. Seltsamerweise hatte sich das Wetter beruhigt; es wehte ein ma?iger Nordwest, und an die Stelle der anlaufenden, brechenden Wellen war eine lange flache Dunung getreten. Das Oberdeck der Hyperion war dicht von Gestalten bedeckt, die auf das graue, wogende Wasser und die anderen Schiffe starrten, als sahen sie sie zum erstenmal. Das konnte durchaus so sein, denn wahrend der vergangenen acht Wochen, seit sie zu Pelham-Martins Geschwader gesto?en waren, hatte das Wetter sich nie langer als fur eine Stunde beruhigt.
Bolitho argerte sich daruber, da? er das Flaggschiff besuchen mu?te. Unter den herrschenden Verhaltnissen wurde Weihnachten fur seine Besatzung karglich genug ausfallen, auch ohne da? er von Bord ging, scheinbar um die Freuden der reich gedeckten Tafel des Kommodore zu genie?en. Die Vorrate an frischen Lebensmitteln waren auf der Hyperion schon lange aufgebraucht, und das Weihnachtsessen fur die Mannschaft war ein befremdliches Gemisch aus warmem, mit Rum kraftig gewurzten Rinderhaschee und einem Brei von zweifelhaftem Geschmack, von dem Gilpin, der einarmige, bosartig aussehende Koch Bolitho versicherte, da? es» ihre Herzen in Flammen setzen «wurde.
Bolitho wu?te jedoch, da? es bei seinem Besuch auf dem Flaggschiff nicht nur um ein Festmahl ging. Beim ersten Tageslicht war eine Korvette aufgetaucht und hatte die leichte Brise genutzt, um uber die langsamen Zweidecker wie ein Terrier uber drei gemachliche Ochsen herzufallen. Es war keine von Pelham-Martins Schaluppen, sondern sie kam von dem Hauptgeschwader vor Lorient, und als Bolitho seinen Paraderock ubergeworfen und sein Boot befohlen hatte, sah er die Gig der Korvette schon langsseit am Flaggschiff liegen.
Bei der Ankunft an Bord der Indomitable traf er Pelham-Martin in sehr gehobener Laune an. Winstanley dagegen erschien vollig ausdruckslos und Kapitan Fitzmaurice von der Hermes war unverhohlen besturzt.
Die Nachrichten von Lorient waren beunruhigend. Vizeadmiral Cavendish hatte zwei Fregatten beauftragt, dicht unter der Kuste zu patrouillieren und nachzuforschen, ob irgendwelche Anzeichen fur Veranderungen oder Bewegungen bei den im Hafen ankernden Schiffen festzustellen waren. Es war eine Routineaufgabe und eine, die den beiden Kommandanten der Fregatten wohlvertraut war.
Doch als sie dicht an die Kuste kamen, hatten die Ausgucks die uberraschende Beobachtung gemeldet, da?, statt des gewohnten Anblicks, die franzosischen Linienschiffe die Rahen vierkant gebra?t hatten und allem Anschein nach weniger geworden waren.
Einige mu?ten also die Blockadekette durchbrochen haben und entkommen sein.
Der Kommandant der Korvette war nicht bereit gewesen, zu diesen Nachrichten viel hinzuzufugen, bis Pelham-Martin darauf bestand, er solle sich mit etwas Brandy starken. Die Zunge des jungen Offiziers wurde dadurch gelockert, und er berichtete dem Kommodore, da? daruber hinaus die beiden Fregatten gerade noch dem Schicksal entgangen waren, von vier franzosischen Schiffen uberwaltigt zu werden, die anscheinend im Schutz von Belle Ile gelauert hatten und die beiden Aufklarer beinahe vor einer Leekuste gestellt hatten.
In Pelham-Martins Augen glanzten Tranen. Lachend sagte er:»Sehen Sie, Bolitho! Ich habe Ihnen doch gesagt, da? das passieren wurde. Die Uberraschungsvorsto?e haben keinen Wert bei einer Blockade. Geduld und die Demonstration unserer Starke ist alles, was wir brauchen.»
Bolitho fragte ruhig:»Hat die Korvette neue Befehle gebracht, Sir?»
Pelham-Martin lachte immer noch vor sich hin. Es schien, als hatte es ihm keine gro?ere Freude machen konnen, wenn die Flotte einen gro?en Sieg errungen hatte. Statt dessen hatte sein alter Feind jedoch zugelassen, da? franzosische Schiffe unbemerkt die offene See erreichten.