Bruderkampf: Richard Bolitho, Kapitan in Ketten - Kent Alexander. Страница 31
Nochmals bewies der Ausguck, da? man vor keiner Uberraschung sicher war.
«An Deck! Segel an Steuerbord!»
Herrick hob das Fernrohr, aber Bolitho sagte kurz:»Von hier aus werden Sie nichts sehen. Der Dunst versperrt den Blick nach Norden. »
Vibart knurrte:»Mr. Neale, nach oben!»
«Lassen Sie. «Es klang gefahrlich ruhig.»Sie gehen, Mr. Herrick. Jetzt brauche ich ein erfahrenes Auge.»
Herrick rannte zu den Wanten des Gro?mastes und begann hinaufzuklettern. Er merkte schnell, da? seine Kondition zu wunschen ubrig lie?. Als er die obere Saling erreichte, schlug sein Herz wie eine Trommel. Der bartige Ausguck machte ihm Platz und deutete mit teerverschmierter Hand in die Richtung.
«Dort, Sir. Kann es jetzt nicht erkennen.»
Herrick ignorierte es, da? die Fregatte unter ihm wie ein Spielzeug schwang, und zog sein Fernglas auseinander. Zuerst sah er nur das helle Licht auf dem niedrig liegenden Dunst und darunter die Millionen glitzernder Reflexe auf dem Meer. Dann entdeckte er das Segel und war enttauscht. Der Rumpf war noch vom Dunst verhullt, doch der sonderbaren Form des Segels nach vermutete er ein kleines Schiff, wahrscheinlich einen Kustenlugger. Nichts wert als Prise, kaum wert zu versenken, entschied er verargert. Er gab seine Meldung an Deck.
Bolitho schaute zu ihm hinauf.»Ein Lugger, sagen Sie?«Es klang interessiert.»Behalten Sie ihn im Auge.»
«Er hat uns noch nicht gesehen. «Der Ausguck blickte mit zusammengekniffenen Augen auf das ferne Segel.»Schatze, wir sind uber ihm, ehe er uns entdeckt.»
Herrick nickte und blickte hinab, als Vibart rief:»Pfeifen Sie alle Mann. Klar zum Halsen.»
Bolitho wollte das Schiff also aufbringen. Herrick beobachtete von oben die plotzliche Aktivitat auf den Decks. Seit seinen Fahnrichstagen hatte er einen solchen Anblick nicht mehr erlebt: die scheinbar ziellos hastenden Gestalten, die aus den Zwischendecks quollen und sich dann wie durch Zauber je nach Aufgabe und Zweck zu erkennbaren Mustern ordneten. Er sah die Maate die Wachlisten prufen, wahrend sie Namen und Befehle herausbellten. Da und dort standen die Offiziere und Unteroffiziere wie kleine isolierte Inseln inmitten der wogenden Flut der Matrosen.
Die Rahen kamen herum, und die Segel schlugen emport, als die Fregatte ihren Kurs um zwei Strich nach Steuerbord anderte. Herrick spurte, wie der Mast zitterte, und gab sich alle Muhe, nicht daran zu denken, wie lange es dauern mochte, bis man unten aufschlug.
Die Brise, die der Phalarope zugute gekommen war, erreichte jetzt auch das fremde Segel. Und wie der Wind den Dunst mitnahm, so gewann auch der Lugger an Fahrt. Ein zweites braunliches Segel kletterte den kurzen, dicken Gro?mast hinauf. Der Ausguck kaute auf einem Stuck Tabak und sagte ruhig:»Ein Spanier. Die Takelage kenne ich.»
Bolithos Ruf schnitt Herricks Spekulationen ab.»Kommen Sie an Deck, Mr. Herrick. Schnell!»
Herrick langte keuchend und schwitzend unten an. Bolitho wartete bereits auf ihn. Er wirkte au?erst konzentriert.
«Der Lugger ist uns gegenuber im Vorteil, Mr. Herrick. Er kann diese leichte Brise besser nutzen als wir. «Er deutete ungeduldig auf die Back.»Machen Sie die beiden Geschutze klar, und feuern Sie ihm eins vor den Bug.»
«Aye, aye, Sir. «Herrick kam langsam wieder zu Atem.»Eine Kugel wurde reichen, um ihn zu zerschmettern.»
In Bolithos grauen Augen blitzte etwas wie Belustigung auf.»Er kann die wertvollste Ladung aller Zeiten an Bord haben, Mr. Herrick. »
Herrick starrte den Kapitan verstandnislos an.»Sir?»
Bolitho hatte sich bereits abgewandt, um zu verfolgen, wie die Geschutzbedienung nach vorn zu den zwei langen Neunpfundern eilte. »Informationen, Mr. Herrick! Mangel an Informationen kann hier drau?en einen verlorenen Krieg bedeuten.»
Ein Schu? genugte. Das von der Kugel hochgeschleuderte Wasser spruhte dem fremden Schiff uber den Bug. Erst sank das eine, dann das andere Segel. Traurig dumpelnd, wartete der Lugger ab, was die Phalarope mit ihm vorhatte.
Nach der Gluthitze auf dem Achterdeck kam Bolitho die gro?e Kajute beinahe kalt vor. Er mu?te sich zwingen, still an den Heckfenstern zu stehen, um seine rasenden Gedanken in Zaum zu halten und den nachsten Schritt zu planen. Nur mit Muhe gelang es ihm, sich gegen die gedampften Schiffsgerausche und entfernten Rufe abzuschlie?en, als ein Boot zu Wasser gelassen wurde, um eine Abteilung an Bord des Luggers zu bringen, der in Lee der Fregatte rollte. Bolitho war nichts anderes ubrig geblieben, als au?erlich gelassen zu beobachten, wie seine Befehle weitergegeben und ausgefuhrt wurden, bis er am Ende den prufenden Blicken seiner Offiziere und den summenden Spekulationen der Mu?igganger auf dem Oberdeck einfach nicht langer standhalten konnte.
Da? seine beilaufige Vermutung, was die Brise anging, Wirklichkeit geworden war, war ihm selbst wie ein Wunder vorgekommen. Und als der Lugger vom Ausguck gemeldet wurde, hatte er das Gefuhl gehabt, als brodelten seine lange eingekapselten Empfindungen wild durcheinander. Doch die kleinlichen Gereiztheiten hatte er beiseite geschoben, ja selbst die Haltung des Admirals der Phalarope gegenuber konnte er ubersehen, ja sogar vergessen.
Er schnellte uberrascht herum, als es klopfte.»Herein!«Er starrte den blassen Matrosen, der unsicher in der Tur stand, einige Sekunden an, zwang sich, nicht an den Lugger zu denken, und deutete mit einer Kopfbewegung auf den Tisch am Schott.»Ferguson? Sie werden dort arbeiten, wenn ich Sie brauche«, sagte er bundig; seine Gedanken folgten noch immer dem Enterkommando.
Ferguson blickte sich blinzelnd um.»Ja, Sir. Ich meine — aye, aye, Sir. «Er war verwirrt und nervos.
Bolitho musterte ihn freundlich.»Ihre Pflichten erlautere ich Ihnen spater. Im Augenblick bin ich sehr beschaftigt. «Er blickte zur Tur, wo der kleine Neale keuchend auftauchte.
«Kapitan, Sir!«Er rang nach Luft.»Mr. Okes hat den Lugger genommen!»
«Das durfte zu erwarten gewesen sein«, sagte Bolitho trocken.»Sein Kapitan sieht sich schlie?lich einer vollen Breitseite ausgesetzt.»
Neale uberdachte den Punkt.»Hm, ja, Sir. «Er starrte Bolitho in das gelassene Gesicht und fragte sich augenscheinlich, wie der Kapitan das Oberdeck verlassen konnte, wenn endlich etwas geschah. Dann sagte er:»Das Boot kommt zuruck, Sir.»
«Das war es, was ich horen wollte, Mr. Neale. «Bolitho sah durch die Heckfenster uber die leere See, deren Oberflache eine schwache, doch stetige Brise krauselte.»Eine Empfehlung an Hauptmann Rennie. Sobald das Boot langsseits ist, soll er die Offiziere des Luggers isoliert halten, bis ich sie befragen kann. Mr. Okes soll die Durchsuchung des Luggers fortsetzen und melden, wenn er etwas findet.»
«Die Offiziere des Luggers, Sir?«Neales Augen glichen Untertassen.
«Sie stecken vielleicht in Lumpen, aber deshalb bleiben sie doch Offiziere. «Bolitho betrachtete den Fahnrich ruhig.»Und begehen Sie keinen Irrtum. Diese Leute kennen die Gewasser hier wie ihre eigene Tasche.»
Der Fahnrich nickte und scho? davon. Bolitho ging ruhelos auf und ab. Dann blieb er vor seinem Tisch stehen, auf dem eine Karte des Karibischen Meeres lag. Die komplexe Masse der Inseln und ausgeloteten Wassertiefen, die vagen Vermessungen und zweifelhaften Beschreibungen glichen einem riesigen Ratsel. Er zog die Stirn in Falten und fa?te sich ans Kinn. Irgendwo inmitten dieses Gewirrs verstreuter Inseln lag der Schlussel zum ganzen Feldzug. Wer ihn fand, wurde siegen. Der Verlierer wurde fur immer aus dem karibischen Gebiet verdrangt werden.
Mit den Spitzen seines Stechzirkels folgte er dem Kurs der Phalarope bis zu einem kleinen Bleistiftkreuz. Hier, auf dieser Position, nutzte er nichts. Das funfzig Meilen entfernte St. Kitts mochte noch immer der Belagerung standhalten, wahrend jenseits des Horizonts Graf de Grasses gro?e Flotte sich womoglich zum endgultigen Schlag gegen die verstreuten britischen Einheiten vorbereitete. Und waren die Briten erst einmal von diesen Inseln vertrieben, wurden die Franzosen und ihre Verbundeten Sudamerika aufrollen wie eine Landkarte. Sie wurden den Nord- und Sudatlantik beherrschen und nach den reichen Schatzen Afrikas greifen, ja daruber hinaus.