Harry Potter und der Gefangene von Askaban - Rowling Joanne Kathleen. Страница 45

»Hagrid, was ist denn los?«, fragte Hermine vollkommen baff.

Erst jetzt bemerkte Harry einen amtlich wirkenden Brief aufgefaltet auf dem Tisch liegen.

»Was ist das, Hagrid?«

Hagrid begann noch heftiger zu schluchzen, doch er schob Harry den Brief zu. Der hob ihn hoch und las vor:

Sehr geehrter Mr Hagrid,

im Zuge unserer Untersuchung des Angriffs eines Hippogreifs auf einen Schuler in Ihrem Unterricht vertrauen wir der Versicherung Professor Dumbledores, da? Sie fur den bedauerlichen Zwischenfall keine Verantwortung tragen.

»Na also, Hagrid, ist doch gut!«, sagte Ron und klatschte Hagrid auf die Schulter. Doch Hagrid schluchzte nur und mit seiner Riesenpranke gestikulierend bedeutete er Harry, den Brief weiterzulesen.

Allerdings mussen wir unsere Besorgnis uber den fraglichen Hippogreif zum Ausdruck bringen. Wir haben beschlossen, die offizielle Beschwerde von Mr Lucius Malfoy zu unterstutzen, und ubergeben die Angelegenheit daher dem Ausschu? fur die Beseitigung gefahrlicher Geschopfe. Die Anhorung findet am 20.

April statt und wir bitten Sie, sich an diesem Tag mit Ihrem Hippogreif in den Amtsraumen des Ausschusses in London einzufinden. In der Zwischenzeit mu? der Hippogreif von den anderen Tieren abgesondert und angebunden werden.

Mit kollegialen Gru?en

Es folgte eine Liste der Schulbeirate.

»Oh«, sagte Ron.»Aber du hast gesagt, Seidenschnabel ist kein schlechter Hippogreif, Hagrid. Ich wette, er kommt davon -«

»Du kennst diese Widerlinge in diesem Ausschu? nicht!«, wurgte Hagrid hervor und wischte sich das Gesicht mit dem Armel.»Die haben's auf interessante Geschopfe abgesehen!«

Ein plotzliches Gerausch von hinten lie? Harry, Ron und Hermine herumfahren. Seidenschnabel, der Hippogreif, lag in einer Ecke der Hutte und hackte auf etwas herum, aus dem Blut uber den ganzen Boden sickerte.

»Ich konnte ihn doch nicht angebunden drau?en im Schnee lassen«, schluchzte Hagrid.»Ganz alleine! Und an Weihnachten!«

Harry, Ron und Hermine sahen sich an. Sie hatten mit Hagrid nie ernsthaft uber die»interessanten Geschopfe«gesprochen, wie er sie nannte, wahrend andere Leute von»schrecklichen Monstern«sprachen. Andererseits schien von Seidenschnabel keine besondere Gefahr auszugehen. Und wenn sie an Hagrids andere Monster dachten, wirkte er sogar ganz niedlich.

»Du mu?t dir eine gute und starke Verteidigung einfallen lassen, Hagrid«, sagte Hermine, wahrend sie sich setzte und die Hand auf Hagrids massigen Unterarm legte.»Ich bin sicher, du kannst beweisen, da? Seidenschnabel ganz harmlos ist.«

»Das macht auch kein' Unterschied«, jammerte Hagrid.»Diese Teufel vom Beseitigungsausschu?, die hat Lucius Malfoy doch alle in der Tasche! Haben Angst vor ihm! Und wenn ich bei der Anhorung verliere, wird Seidenschnabel -«

Hagrid fuhr flink mit dem Finger uber seinen Hals, dann brach er in lautes Wehklagen aus und lie? seinen Kopf auf die Arme fallen.

»Was ist mit Dumbledore, Hagrid?«, sagte Harry.

»Der hat schon viel zu viel fur mich getan«, stohnte Hagrid.»Hat genug Scherereien, mu? diese Dementoren vom Schlo? fernhalten, und dazu kommt noch Sirius Black, der hier rumschleicht -«

Ron und Hermine warfen Harry einen raschen Blick zu, als ob sie erwarteten, er wurde Hagrid ausschelten, weil er ihm nicht die Wahrheit uber Black gesagt hatte. Doch Harry brachte es nicht uber sich, nicht jetzt, da er Hagrid so bedruckt und verangstigt vor sich sah.

»Hor zu, Hagrid«, sagte er,»Hermine hat Recht. Du darfst nicht aufgeben, du brauchst nur eine gute Verteidigung. Du kannst uns als Zeugen aufrufen -«

»Ich bin mir fast sicher, da? ich mal von einem Rechtsstreit wegen einer Hippogreif-Schlagerei gelesen habe«, sagte Hermine nachdenklich,»und der Hippogreif ist davongekommen. Ich schlag's fur dich nach, Hagrid, und seh mir an, was da genau passiert ist.«

Hagrid heulte nur noch lauter. Harry und Hermine wandten sich Hilfe suchend an Ron.

»Ahm – soll ich 'ne Tasse Tee machen?«

Harry starrte ihn an.

»Das tut meine Mum auch immer, wenn jemand durchgedreht ist«, murmelte Ron schulterzuckend.

Endlich, nachdem sie Hagrid noch viele Male ihre Hilfe versprochen hatten und er eine dampfende Tasse Tee vor sich hatte, schnauzte er sich mit einem tischtuchgro?en Taschentuch und sagte:

»Ihr habt Recht, ich kann hier nicht einfach in Grund und Boden versinken. Mu? mich zusammenrei?en…«

Fang, der Saurude, kroch schuchtern unter dem Tisch hervor und legte den Kopf auf Hagrids Knie.

»War in letzter Zeit einfach nicht mehr der Alte«, sagte Hagrid und streichelte Fang mit einer Hand und wischte sich das Gesicht mit der andern.»Mach mir Sorgen wegen Seidenschnabel, und da? keiner meinen Unterricht mag -«

»Wir finden ihn gut!«, log Hermine sofort.

»Ja, ist wirklich toll!«, sagte Ron und kreuzte dabei die Finger unter dem Tisch.»Ahm – wie geht's den Flubberwurmern?«

»Tot«, sagte Hagrid duster.»Zu viel Salat.«

»O nein!«, sagte Ron mit zuckenden Lippen.

»Und diese Dementoren spielen mir ganz ubel mit, konnt ihr glauben«, sagte Hagrid unter jahem Schaudern.»Mu? jedes Mal an denen vorbei, wenn ich in den Drei Besen einen trinken will. Als ob ich wieder in Askaban ware -«

Er verfiel in Schweigen und nahm nur noch hin und wieder einen Schluck Tee. Harry, Ron und Hermine starrten ihn atemlos gespannt an. Nie hatte er ihnen von seiner kurzen Haft in Askaban erzahlt. Nach einer Weile sagte Hermine schuchtern:

»Ist es schlimm dort, Hagrid?«

»Du hast ja keine Ahnung«, sagte Hagrid leise.»Hab noch nie so was erlebt. Dachte, ich wurde verruckt. Standig ging mir furchterliches Zeugs durch den Kopf… der Tag, an dem sie mich aus Hogwarts rausgeworfen haben… der Tag, an dem mein Dad gestorben ist… der Tag, an dem ich Norbert gehen lassen mu?te…«

Seine Augen fullten sich mit Tranen. Norbert war das Drachenbaby, das Hagrid einst beim Kartenspiel gewonnen hatte.

»Du wei?t nach 'ner Zeit nicht mehr, wer du bist. Und du wei?t nicht mehr, warum du uberhaupt noch leben sollst. Ich hab immer gehofft, ich wurd einfach im Schlaf sterben… als sie mich rausgelassen haben, war es, als war ich neu geboren, alles kam wieder auf mich eingestromt, es war das schonste Gefuhl der Welt. Aber ich sag euch, die Dementoren waren gar nicht begeistert davon, da? sie mich gehen lassen mu?ten.«

»Aber du warst unschuldig!«, sagte Hermine.

Hagrid schnaubte.

»Glaubt ihr, das spielt fur die 'ne Rolle? Ist ihnen schnurzegal. Solange ein paar hundert Menschen dort um sie her festsitzen und sie ihnen alles Gluck aussaugen konnen, schert es sie keinen Deut, wer schuldig ist und wer nicht.«

Hagrid verstummte einen Moment und starrte in seinen Tee. Dann sagte er leise:

»Dachte, ich la? Seidenschnabel einfach frei… vielleicht krieg ich ihn dazu, fortzufliegen… Aber wie erklarst du einem Hippogreif, da? er sich verstecken mu?? Und – und ich hab Angst, das Gesetz zu brechen…«Er sah sie an und wieder rannen Tranen uber seine Wangen.»Ich will nie mehr zuruck nach Askaban.«

Der Besuch bei Hagrid war zwar nicht gerade lustig gewesen, doch er hatte die Wirkung, die Ron und Hermine erhofft hatten. Obwohl Harry Black keineswegs vergessen hatte, konnte er nicht standig uber Rache nachbruten, wenn er Hagrid in seiner Sache gegen den Ausschu? fur die Beseitigung gefahrlicher Geschopfe helfen wollte. Am nachsten Tag gingen er, Ron und Hermine in die Bibliothek und kehrten mit den Armen voller Bucher in den leeren Geineinschaftsraum zuruck. Vielleicht stand etwas Hilfreiches fur die Verteidigung Seidenschnabels drin. Alle drei setzten sich vor das prasselnde Feuer und blatterten langsam durch die Seiten der verstaubten Bande uber beruhmte Falle wild gewordener Biester. Nur gelegentlich wechselten sie ein paar Worte, wenn sie auf etwas Wichtiges stie?en.

»Hier ist was… im Jahr 1722 gab es einen Fall… aber der Hippogreif wurde verurteilt – urrgh, schaut mal, was sie mit ihm gemacht haben, das ist ja abscheulich -«