Harry Potter und der Gefangene von Askaban - Rowling Joanne Kathleen. Страница 67

Im Turmzimmer war es stickiger denn je; die Vorhange waren zugezogen, das Feuer loderte und die su?lichen Dunste lie?en Harry husten. Er stolperte durch das Gewirr von Stuhlen und Tischen hinuber zu Professor Trelawney, die vor einer gro?en Kristallkugel sa?.

»Guten Tag, mein Lieber«, sagte sie sanft.»Wenn Sie so nett waren, in die Kugel zu schauen… lassen Sie sich ruhig Zeit… und dann sagen Sie mir, was Sie sehen…«

Harry beugte sich uber die Kristallkugel und starrte hinein, mit aller Kraft suchte er nach etwas anderem als dem wei?en Nebelgewaber, doch nichts geschah.

»Nun?«, hakte Professor Trelawney sachte nach.»Was sehen Sie?«

Die Hitze uberwaltigte ihn und der parfumierte Rauch, der vom Feuer heruberwaberte, stach ihm in die Nase. Er dachte an Ron und beschlo?, es ihm gleichzutun.

»Ahm -«, sagte Harry,»eine dunkle Gestalt… ah…«

»Wem ahnelt sie?«, flusterte Professor Trelawney.»Denken Sie mal nach…«

Harry lie? die Gedanken schweifen und sie landeten bei Seidenschnabel.

»Einem Hippogreif«, sagte er entschieden.

»Tatsachlich!«, flusterte Professor Trelawney und kritzelte eifrig Notizen auf das Blatt Pergament auf ihren Knien.

»Mein Lieber, gewi? sehen Sie, wie dieser Streit des armen Hagrid mit dem Zaubereiministerium ausgeht! Sehen Sie genauer hin… hat der Hippogreif denn noch… seinen Kopf?«

»Ja«, sagte Harry nachdrucklich.

»Sind Sie sicher?«, drangte ihn Professor Trelawney.»Sind Sie ganz sicher, mein Lieber? Sehen Sie nicht vielleicht doch, wie er sich auf der Erde windet und eine dunkle Gestalt uber ihm die Axt erhebt?«

»Nein!«, sagte Harry und allmahlich wurde ihm schlecht.

»Kein Blut? Kein weinender Hagrid?«

»Nein!«, sagte Harry noch einmal und wunschte sich nichts sehnlicher als endlich aus diesem stickigen Zimmer zu entkommen.»Er sieht gut aus, er – fliegt davon…«

Professor Trelawney seufzte.

»Nun, mein Lieber, ich denke, wir belassen es dabei… ein wenig enttauschend… aber sicher haben Sie Ihr Bestes getan.«

Erleichtert stand Harry auf, griff nach seiner Tasche und wandte sich zum Gehen, doch plotzlich ertonte eine laute, rude Stimme hinter ihm.

»Es wird heute Nacht geschehen.«

Harry wirbelte herum. Professor Trelawney war in ihrem Lehnstuhl erstarrt, mit schielendem Blick und offenem Mund.

»W-wie bitte?«, sagte Harry.

Doch Professor Trelawney schien ihn nicht zu horen. Ihre Augen fingen an zu kullern. Harry packte die Angst. Sie sah aus, als wurde sie gleich einen Anfall kriegen. Er uberlegte, ob er in den Krankenflugel laufen sollte, zogerte – und dann sprach Professor Trelawney erneut, mit derselben ruden Stimme, ganz ungewohnt aus ihrem Mund:

»Der Schwarze Lord ist einsam, von Freunden und Anhangern verlassen. Sein Knecht lag zwolf Jahre in Ketten. Heute Nacht, vor der zwolften Stunde, wird der Knecht die Ketten abwerfen und sich auf den Weg zu seinem Meister machen. Mit seiner Hilfe wird der Schwarze Lord erneut die Macht ergreifen und schrecklicher herrschen denn je. Heute Nacht… vor der zwolften Stunde… wird der Knecht sich auf den Weg machen… zuruck zu seinem Meister…«

Professor Trelawneys Kopf sackte auf die Brust. Sie machte ein grunzendes Gerausch. Harry stand da und starrte sie an. Dann, ganz plotzlich, zuckte ihr Kopf in die Hohe.

»Tut mir ja so Leid, mein Junge«, sagte sie traumverloren,»die Hitze, Sie wissen… ich mu? kurz eingedost sein…«

Harry starrte sie unverwandt an.

»Stimmt irgendwas nicht, mein Lieber?«

»Sie – Sie haben mir eben gesagt, da? – der Schwarze Lord wiederkommen wird… da? sein Knecht zu ihm zuruckkehrt…«

Professor Trelawney schien aufrichtig perplex.

»Der Schwarze Lord? Er, dessen Name nicht genannt werden darf? Mein lieber Junge, daruber macht man keine Witze… wiederkommen, also horen Sie mal -«

»Aber Sie haben es eben gesagt! Sie sagten, der Schwarze Lord -«

»Ich glaube, auch Sie sind kurz weggedost, mein Lieber!«, sagte Professor Trelawney.»Ich wurde mir naturlich nie anma?en, etwas so Unsinniges vorauszusagen!«

Gedankenversunken stieg Harry die Leiter und die Wendeltreppe hinunter… Hatte er eine echte Vorhersage von Professor Trelawney gehort? Oder wollte sie die Prufung nur nach ihrem Geschmack beschlie?en, mit etwas, das machtig Eindruck hinterlie??

Funf Minuten spater, als er an den Sicherheitstrollen vor dem Gryffindor-Turm vorbeihastete, klangen ihm ihre Worte noch immer in den Ohren. Viele kamen ihm entgegen, lachend und scherzend und befreit, auf dem Weg hinaus vors schlo?, um sich ein wenig in die Sonne zu legen; als er durch das Portratloch in den Gemeinschaftsraum stieg, war fast keiner mehr da. Druben in einer Ecke allerdings hockten Ron und Hermine.

»Professor Trelawney«, keuchte Harry,»hat mir eben gesagt -«

Doch beim Anblick ihrer Gesichter stockte ihm die Stimme.

»Seidenschnabel hat verloren«, sagte Ron erschopft.»Das hier kam gerade von Hagrid.«

Diesmal war Hagrids Nachricht trocken, keine Trane hatte das Blatt benetzt, doch seine Hand hatte offenbar derma?en gezittert, da? die Notiz kaum leserlich war.

Berufung verloren. Sie richten ihn bei Sonnenuntergang hin. Ihr konnt nichts mehr tun. Kommt nicht runter. Ich will nicht, da? ihr es mit anseht.

Hagrid

»Wir mussen hin«, sagte Harry sofort.»Wir konnen ihn nicht alleine rumhocken und auf den Henker warten lassen!«

»Sonnenuntergang«, sagte Ron und starrte mit glasigem Blick aus dem Fenster.»Das erlauben sie uns nie… und dir schon gar nicht, Harry…«

Harry lie? den Kopf in die Hande sinken und uberlegte.

»Wenn ich nur den Tarnumhang hatte…«

»Wo ist er?«, fragte Hermine.

Harry erklarte ihr, da? er ihn im Geheimgang unter der einaugigen Hexe versteckt hatte.

»… wenn Snape mich noch mal in dieser Ecke trifft, sitz ich wirklich in der Patsche«, schlo? er.

»Das stimmt«, sagte Hermine und stand auf»Wenn er dich sieht… wie geht dieser Hexenbuckel noch mal auf?.«

»Du – tippst dagegen und sagst >Dissendium<«, erklarte ihr Harry,»aber -«

Hermine wartete nicht, bis er ausgeredet hatte; mit gro?en Schritten durchquerte sie das Zimmer, klappte das Bild der fetten Dame zur Seite und verschwand.

»Sie geht doch nicht etwa hin und holt den Umhang?«, sagte Ron und starrte ihr mit offenem Mund nach.

Genau das tat Hermine. Eine halbe Stunde spater kam sie zuruck, mit dem sorgfaltig gefalteten silbrigen Tarnumhang unter ihrem eigenen Umhang verborgen.

»Hermine, ich wei? nicht, was seit neuestem in dich gefahren ist!«, sagte Ron verdutzt.»Erst vermobelst du Malfoy, dann marschierst du bei Professor Trelawney einfach aus dem Unterricht -«

Offensichtlich fuhlte Hermine sich geschmeichelt.

Wie alle andern gingen sie zum Abendessen, doch sie kehrten danach nicht in den Turm zuruck. Harry hatte den Umhang unter seinem eigenen versteckt; er mu?te die Arme verschrankt halten, um das Bundel zu verbergen. Sie huschten in eine leere Kammer neben der Eingangshalle und lauschten, bis sie sicher waren, da? keiner mehr drau?en war. Ein letztes Parchen eilte durch die Halle und eine Tur knallte zu. Hermine steckte den Kopf durch den Turspalt.

»Gut«, flusterte sie,»keiner mehr da – unter den Umhang -«

Eng aneinander geschmiegt, damit sie alle unter den Tarnumhang pa?ten, durchquerten sie auf Zehenspitzen die Gro?e Halle und stiegen die steinernen Stufen zum Schlo?gelande hinunter. Schon versank die Sonne hinter dem Verbotenen Wald und tauchte die Baumspitzen in Gold.

Vor Hagrids Hutte angelangt, klopften sie. Er brauchte eine Welle, um sich zu ruhren, dann trat er vor die Tur und schaute sich fahlgesichtig und zitternd nach seinem Besucher um.

»Wir sind's«, zischte Harry.»Wir tragen den Tarnumhang. La? uns rein, dann konnen wir ihn ablegen.«

»Ihr hattet nicht kommen sollen!«, flusterte Hagrid, trat aber zuruck und sie gingen hinein. Rasch schlo? Hagrid die Tur und Harry zog den Umhang herunter.