Die Laune des Verliebten - Goethe Johann Wolfgang. Страница 9
Achter Auftritt
Egle. Hernach Eridon mit einer Flote und Liedern.
Egle.
Schon gut! Wir wollen sehn! Schon lange wunscht ich mir
Gelegenheit und Gluck, den Schafer zu bekehren.
Heut wird mein Wunsch erfullt; wart nur, ich will dich lehren!
Dir zeigen, wer du bist; und wenn du dann sie plagst! —
Er kommt! Hor, Eridon!
Eridon.
Wo ist sie?
Egle.
Wie! du fragst?
Mit meinem Lamon dort?, wo die Schalmeien blasen.
Eridon wirft die Flote auf die Erde und zerrei?t die Lieder.
Verfluchte Untreu!
Egle.
Rasest du?
Eridon.
Sollt ich nicht rasen!
Da rei?t die Heuchlerin mit lachelndem Gesicht
Die Kranze von dem Haupt, und sagt: Ich tanze nicht!
Verlangt ich das? Und — O!
Er stampft mit dem Fu?e und wirft die zerrissenen Lieder weg.
Egle in einem gesetzten Tone.
Erlaub mir doch zu fragen:
Was hast du fur ein Recht, den Tanz ihr zu versagen?
Willst du denn, da? ein Herz, von deiner Liebe voll,
Kein Gluck als nur das Gluck um dich empfinden soll?
Meinst du, es sei der Trieb nach jeder Lust gestillet,
Sobald die Zartlichkeit das Herz des Madchen fullet?
Genug ist's, da? sie dir die besten Stunden schenkt,
Mit dir am liebsten weilt, abwesend an dich denkt.
Drum ist es Torheit, Freund, sie ewig zu betruben;
Sie kann den Tanz, das Spiel und doch dich immer lieben.
Eridon schlagt die Arme unter und sieht in die Hohe.
Ah!
Egle.
Sag mir, glaubst du denn, da? dieses Liebe sei,
Wenn du sie bei dir haltst? Nein, das ist Sklaverei.
Du kommst: nun soll sie dich, nur dich beim Feste sehen;
Du gehst: nun soll sie gleich mit dir von dannen gehen;
Sie zaudert: alsobald verdustert sich dein Blick;
Nun folgt sie dir, doch bleibt ihr Herz gar oft zuruck.
Eridon.
Wohl immer!
Egle.
Hort man doch, wenn die Verbittrung redet.
Wo keine Freiheit ist, wird jede Lust getotet.
Wir sind nun so. Ein Kind ist zum Gesang geneigt;
Man sagt ihm: sing mir doch! Es wird besturzt und schweigt.
Wenn du ihr Freiheit la?t, so wird sie dich nicht lassen;
Doch, machst du's ihr zu arg, gib acht, sie wird dich hassen.
Eridon.
Mich hassen!
Egle.
Nach Verdienst. Ergreife diese Zeit,
Und schaffe dir das Gluck der echten Zartlichkeit!
Denn nur ein zartlich Herz, von eigner Glut getrieben,
Das kann bestandig sein, das nur kann wirklich lieben.
Bekenne, wei?t du denn, ob dir der Vogel treu,
Den du im Kafigt halst?
Eridon.
Nein!
Egle.
Aber wenn er frei
Durch Feld und Garten fliegt, und doch zurucke kehret?
Eridon.
Ja! Gut! Da wei? ich's.
Egle.
Wird nicht deine Lust vermehret,
Wenn du das Tierchen siehst, das dich so zartlich liebt,
Die Freiheit kennt, und dir dennoch den Vorzug gibt?
Und kommt dein Madchen einst von einem Fest zurucke,
Noch von dem Tanz bewegt, und sucht dich; ihre Blicke
Verraten, da? die Lust nie ganz vollkommen sei,
Wenn du, ihr Liebling, du, ihr Einzger, nicht dabei —
Wenn sie dir schwort, ein Ku? von dir sei mehr als Freuden
Von tausend Festen — bist du da nicht zu beneiden?
Eridon geruhrt.
O Egle!
Egle.
Furchte, da? der Gotter Zorn entbrennt,
Da der Begluckteste sein Gluck so wenig kennt.
Auf! Sei zufrieden, Freund! Sie rachen sonst die Tranen
Des Madchens, das dich liebt.
Eridon.
Konnt ich mich nur gewohnen,
Zu sehn, da? mancher ihr beim Tanz die Hande druckt,
Der eine nach ihr sieht, sie nach dem andern blickt.
Denk ich nur dran, mein Herz mocht da vor Bosheit rei?en!
Egle.
Eh! la? das immer sein! das will noch gar nichts hei?en.
Sogar ein Ku? ist nichts!
Eridon.
Was sagst du? Nichts — ein Ku??
Egle.
Ich glaube, da? man viel im Herzen fuhlen mu?,
Wenn er was sagen soll — Doch! willst du ihr verzeihen?
Denn wenn du bose tust, so kann sie nichts erfreuen.
Eridon.
Ach Freundin!
Egle schmeichelnd.
Tu es nicht, mein Freund; du bist auch gut.
Leb wohl!
Sie fa?t ihn bei der Hand.
Du bist erhitzt!
Eridon.
Es schlagt mein wallend Blut —
Egle.
Noch von dem Zorn? Genug! Du hast es ihr vergeben.
Ich eile jetzt zu ihr. Sie fragt nach dir mit Beben;
Ich sag ihr: er ist gut, und sie beruhigt sich,
Ihr Herz wallt zartlicher, und hei?er liebt sie dich.
Sie sieht ihn mit Empfindung an.
Gib acht, sie sucht dich auf, sobald das Fest voruber,
Und durch das Suchen selbst wirst du ihr immer lieber.
Egle stellt sich immer zartlicher, lehnt sich auf seine Schulter.
Er nimmt ihre Hand und ku?t sie.
Und endlich sieht sie dich! O welcher Augenblick!
Druck sie an deine Brust, und fuhl dein ganzes Gluck!
Ein Madchen wird beim Tanz verschonert, rote Wangen,
Ein Mund, der lachelnd haucht, gesunkne Locken hangen
Um die bewegte Brust, ein sanfter Reiz umzieht
Den Korper tausendfach, wie er im Tanze flieht,
Die vollen Adern gluhn, und bei des Korpers Schweben
Scheint jede Nerve sich lebendiger zu heben.
Sie affektiert eine zartliche Entzuckung und sinkt an seine Brust; er schlingt seinen Arm um sie.
Die Wollust, dies zu sehn, was uberwiegt wohl die?
Du gehst nicht mit zum Fest, und fuhlst die Ruhrung nie.
Eridon.
Zu sehr, an deiner Brust, o Freundin, fuhl ich sie!
Er fallt Eglen um den Hals und ku?t sie, sie la?t es geschehn. Dann tritt sie einige Schritte zuruck und fragt mit einem leichtfertigen Tone.
Egle.
Liebst du Aminen?
Eridon.
Sie, wie mich!
Egle.
Und kannst mich kussen?
O warte nur, du sollst mir diese Falschheit bu?en!
Du ungetreuer Mensch!
Eridon.
Wie? glaubst du denn, da? ich —
Egle.
Ich glaube, was ich kann. Mein Freund, du ku?test mich
Recht zartlich, das ist wahr. Ich bin damit zufrieden
Schmeckt dir mein Ku?? Ich denk's: die hei?en Lippen gluhten
Nach mehr. Du armes Kind! Amine, warst du hier!
Eridon.
War sie's!
Egle.
Nur noch getrutzt! Wie schlimm erging es dir!
Eridon.
Ja, keifen wurde sie. Du mu?t mich nicht verraten.
Ich habe dich geku?t, jedoch was kann's ihr schaden,
Und wenn Amine mich auch noch so reizend ku?t,
Darf ich nicht fuhlen, da? dein Ku? auch reizend ist?
Egle.
Da frag sie selbst.