Mauern aus Holz, Manner aus Eisen: Admiral Bolitho am Kap der Entscheidung - Kent Alexander. Страница 42
«Ich wurde vorschlagen, der Erste Offizier steht am Fockmast. So kann er jede Kanone kontrollieren und sie notfalls selber richten. Wir werden keine Zeit haben fur einen zweiten Versuch.»
Als Poland zu Williams ging und die beiden miteinander sprachen, forderte Bolitho Jenour auf:»Begleiten Sie mich. Ich furchte, es wird ein hei?er Tag, also bleiben Sie immer in Bewegung.»
Allday rieb sich die Brust, denn die alte Narbe machte sich wieder bemerkbar. Plotzlich dachte er an Bolithos Angebot. Eine kleine Kneipe in der Nahe von Falmouth, mit einer rotbackigen Witwe, die man in den Arm nehmen konnte… Nicht schlecht. Keine Gefechte mehr, nicht mehr den Donner der Kanonen, nicht mehr das Schreien der Sterbenden, das Brechen der Spieren.
«Das erste Schiff rennt aus!»
Poland schaute nur kurz zu Bolitho hin, dann kam sein Befehl:»Stuckpforten auf! Steuerbordbatterie laden und ausrennen!»
Er hatte verstanden und tat das Richtige. Hatte er beide Batterien ausfahren lassen, hatte der Gegner seine Absicht so klar erkannt, als hatte er sie ihm durch Flaggensignale mitgeteilt.
«Noch nicht feuern!»
Quietschend wie eine aufgescheuchte Schweineherde rollten die Achtzehnpfunder zu ihren Pforten und steckten die Rohre ins Freie. Die Mannschaften beobachteten einander genau, damit die Breitseite gleichzeitig abgefeuert werden konnte.
Weit entfernt krachte es dumpf, und Augenblicke spater stieg eine Wassersaule funfzig Meter an Steuerbord voraus auf: ein Probeschu?, um die Entfernung zu messen.
Poland fuhr sich ubers Gesicht.»Klar zur Wende, Mr. Hull!»
Bolitho ging langsam an den gespannt wartenden Rudergasten vorbei. Die Manner wu?ten, da? sie schon der kleinste Fehler bei soviel gesetzter Leinwand unter einem Berg gebrochener Masten und Spieren begraben wurde. Der junge Zweite am Kartentisch richtete sich auf, als Bolithos Schatten uber das Logbuch fiel, in das er gerade den Zeitpunkt des ersten Schusses eingetragen hatte.
«Kann ich etwas fur Sie tun, Sir Richard?»
«Ich habe nur aufs Datum gesehen. Vielen Dank. «Bolitho beruhrte das Medaillon unter seinem Hemd. Heute war Catherines Geburtstag. Moge die Liebe dich immer schutzen, stand auf dem Medaillon eingraviert, das sie ihm geschenkt hatte. Ihm war, als hore er sie diese Worte laut aussprechen.
Polands Faust knallte in die offene Hand.»Jetzt. Ree!«Sekunden spater waren die Segel dichtgeholt, und die See lag vor ihnen wie eine Buhne, vor der sich ein Vorhang gehoben hatte.
«Ruder nach Lee. Hart nach Lee, verdammt noch mal!»
Rufe schallten ubers Deck, als die Manner sich in die Brassen warfen, um die Rahen rundzuholen, bis das Deck sich nach dem abrupten Kurswechsel auf die andere Seite neigte. Mannschaften verlie?en ihre Kanonen und rannten nach Backbord, um den Kameraden dort zu helfen. Als die Pfortendeckel aufschlugen, rannten sie die Kanonen aus, was auf dem schrag nach unten geneigten Deck leichter ging. Gischt spruhte durch die Luken, und mancher glotzte verwundert, als vor seinen Augen eine Fregatte auftauchte, die eben noch auf der anderen Seite gewesen war.
«Ziel erfassen!«Leutnant Williams hob seinen Degen, wahrend er von der Bugkarronade aus seine Geschutze musterte.»Eine Guinee fur den ersten Treffer!»
Midshipman Brown neben ihm schrie:»Ich verdopple den Preis!«Sie grinsten einander an.
«Feuer!»
Die Batterie krachte wie eine einzige Kanone. Die ohrenbetaubenden Stimmen der langen Achtzehnpfunder ubertonten die Antwort des Feindes. Der franzosische Kommandant wurde durch das Manover der Truculent vollig uberrascht, nur die Halfte seiner Kanoniere hatte uberhaupt ein Ziel erfa?t. Seine Segel waren nur ein Berg wild killender Leinwand. Die Toppgasten versuchten, sie zu zahmen, um der Truculent auf ihrem neuen Kurs zu folgen.
Am Kompa?hauschen fuhlte Bolitho das Deck zittern, als einige
Kugeln des Franzosen in den holzernen Rumpf schlugen. Das Wasser spritzte hoch auf, als die Kettenkugeln wirkungslos herabfielen, die dem Rigg der Truculent gegolten hatten.
«Ziel erfassen an Steuerbord, Mr. Williams!«rief Poland nach vorn. Die Manner eilten an ihre Geschutze zuruck, wie sie es oft genug exerziert hatten. Die Entfernung zur zweiten Fregatte war viel gro?er. Auch sie lag mit flatternden Segeln im Wind, ihr Kommandant versuchte das gleiche Manover.
Williams musterte die Steuerbordbatterie, dann schnitt sein Degen durch die Luft.
«Feuer!»
Bolitho hielt den Atem an, als das Mundungsfeuer der Breitseite aus den Kanonen leckte. Eine gut geplante Salve, doch der Gegner lag noch im Wind und zeigte sich von vorn: ein schmales Ziel auf zwei Kabellangen Entfernung.
Wie ein gro?er Baum neigte sich der Fockmast der zweiten Fregatte langsam unter dem Druck des Windes nach vorn. Er neigte sich weiter, zog brechende Wanten und Stagen hinter sich her, und dann rauschte auch der Gro?mast nach unten und begrub das ganze Deck unter Leinwand und Trummern. Wahrscheinlich hatte die letzte Breitseite der Truculent das besorgt. Doch auch ein einziger Gluckstreffer aus einem Achtzehnpfunder reichte aus dafur.
Bolitho sah Poland ins rauchverschmierte Gesicht.»Jetzt stehen unsere Chancen schon besser, Kapitan.»
Die Matrosen an den Neunpfundern auf dem Achterdeck jubelten heiser. Allday sah durch den Pulverrauch, da? die erste Fregatte langsam wieder Fahrt aufnahm. Sie lag jetzt an Backbord, ihr Gro?segel war aufgetucht, die anderen Segel hatten Kanonenschusse durchlochert. Bolitho hatte den Franzosen den Windvorteil genommen. So war das damals auch bei den Saintes gewesen auf ihrem ersten Schiff, der Phalarope. Bolitho war immer noch der wagemutige Schiffsfuhrer von damals, trotz seines hohen Ranges.
Aber die Manner jubelten zu fruh. Allday sah nach druben und packte sein Entermesser fester. Hier kommt die Antwort, dachte er.
Williams hob seinen Degen und blickte nach achtern.»Feuerklar an Backbord, Sir!»
«Feuer!»
Das Schiff wankte und legte sich unter dem Rucksto? der
Kanonen auf die Seite. Der Wind trug ihren Pulverrauch zum Feind hinuber. Dann horte es sich an, als rutsche die Truculent uber ein Riff oder grabe sich in eine Sandbank. Aber es war die Breitseite des Gegners, die ihren Rumpf traf und durchs Rigg jaulte. Blocke und gebrochenes Tauwerk fielen auf die Netze. Ein Seesoldat in rotem Rock sturzte vom Gro?mast und blieb mit ausgebreiteten Armen und Beinen im Netz uber einer Stuckmannschaft hangen.
Bolitho hustete wegen des Rauchs. Was Inskip unten in der Dunkelheit des Orlopdecks wohl machte? Die ersten Verwundeten wurden schon nach unten getragen, aber wie durch ein Wunder war nichts Wichtiges am Schiff getroffen worden. Nur Jenour schien aus der Fassung gebracht, er wischte sich immer wieder das Gesicht.
«Kapitan Poland, bitte andern Sie Kurs und laufen Sie genau West«, befahl Bolitho. Aber als er durch den dunner werdenden Rauch nach ihm sah, lag Poland auf den Planken, ein Bein seltsam verbogen unter sich. Mit beiden Handen griff er sich an die Kehle, als wolle er das Blut stillen, das wie rote Farbe uber seine Uniform stromte. Bolitho kniete sich neben ihn.»Bringen Sie ihn nach unten!«Aber Poland schuttelte so heftig den Kopf, da? Bolitho die offene Halswunde sah, die ihm ein Splitter gerissen hatte. Er starb, erstickte beim Sprechen an seinem eigenen Blut.»Gott verdamme Varian, den feigen Hund!«waren seine letzten Worte.
Leutnant Munro stand bleich neben Bolitho.»Ihr Kapitan ist gefallen«, sagte dieser.»Melden Sie das dem Ersten!»
Selbst noch im Tod blickten Polands Augen zornig und ablehnend. Er war mit einem schrecklichen Fluch auf den Lippen gestorben.
Bolitho sah zu Williams nach vorn — er stand da ohne Hut, mit dem Degen noch in der Faust. Ein Matrose bedeckte die Leiche Polands mit einem Stuck Segeltuch.
Bolitho erhob sich und trat an die Querreling. Das Schiff erzitterte unter ihm, als eine weitere Breitseite abgefeuert wurde.»Varian ist wirklich ein feiger Hund«, murmelte er.