Mauern aus Holz, Manner aus Eisen: Admiral Bolitho am Kap der Entscheidung - Kent Alexander. Страница 44

Bolitho!»

In diesem Augenblick feuerte L'Intrepide beide Heckkanonen ab. Eine Kugel schlug ins Achterdeck, streckte zwei Ruderganger nieder, deren Blut Hull bespritzte, und zertrummerte die Reling. Die letzte Kugel traf den Kreuztopp und lie? gebrochenes Holz und Blocke herabregnen. Lance blieb oben.

Bolitho fuhlte sich fallen, aber keinen Schmerz. Er versuchte zu verstehen, was Lance da gerufen hatte, doch das Denken fiel ihm zu schwer.

Kraftige Hande hielten ihn besorgt und zartfuhlend.»Langsam, Sir«, horte er Alldays Stimme.»Ein Block hat Sie getroffen.»

Dann eine fremde Stimme, ein unbekanntes Gesicht. Der Schiffsarzt tastete seinen Kopf ab.»Ist nicht schlimm, Sir Richard. Aber wenn er Sie voll erwischt hatte, hatte er selbst Ihren harten Schadel zertrummert.»

Er horte Manner jubeln. Da lie? er sich von Jenour und Allday vorsichtig hochheben und stutzen. Jetzt kam auch der Schmerz. Bolitho stand zwischen den Trummern, die der letzte Schu? des Franzosen auf der Truculent hinterlassen hatte, und mu?te sich ubergeben.

Williams schrie:»Eine englische Fregatte, Manner! Wir haben gewonnen.»

«Es ist nur eine Gehirnerschutterung, Sir Richard«, sagte Allday beruhigend.

Bolitho deckte sein linkes Auge ab und wartete darauf, da? der Rauch des Gefechts sich verzog.

Adam war gekommen und hatte sie gerettet.

Er drehte sich zu Allday um.»Es hat geblitzt!»

«Wieso geblitzt? Ich verstehe nicht. «Allday war verwirrt.

«In meinem Auge«, sagte Bolitho.»In meinem Auge ist etwas passiert. Ich kann nicht mehr klar sehen.»

«Halten Sie ihn fest«, sagte Allday zu Jenour.»Ich besorge uns einen Schluck, den brauchen wir jetzt alle. Captain Adam ist gleich da, Sir Richard.»

Er sah uber die zerrissenen, blutigen Planken, uber die Toten und Verwundeten hinaus auf die kalte Nordsee. Irgendwo schrie ein Mann vor Schmerzen.

Das war die Wirklichkeit. Wenn der Sieg schon vergessen war, blieb immer noch der Schmerz.

XIV Ehrenhandel

«Nun, das hat Ihnen doch nicht viel ausgemacht, Sir Richard. Ihnen als altem Krieger. «Sir Piers Blachford schob die Armel noch weiter hoch und wusch seine knochigen Hande in einer Schussel hei?en Wassers, die ein Diener in das hohe, kuhle Zimmer gebracht hatte. Er lachelte dabei. Bolitho lehnte sich im Sessel zuruck und entspannte sich langsam. Der Himmel trug schon die Rottone des nahenden Abends, obwohl es erst drei Uhr nachmittags war. Immer wieder prasselte Regen gegen die Fenster, und von der Stra?e drang das Klappern der Hufe und Knarren der Rader herauf.

Bolitho hob die Hand an sein verletztes Auge. Es fuhlte sich wund und entzundet an nach der grundlichen Untersuchung durch Blachford. Er hatte auch eine Flussigkeit benutzt, die erbarmungslos brannte.

Blachford sah ihn streng an.»Bitte nicht reiben! Noch nicht!«Er trocknete seine Hande an einem wei?en Handtuch ab und winkte den Diener herbei.»Kaffee fur Sie?»

Bolitho verneinte. Unten wartete Catherine und machte sich

Sorgen.»Ich mu? leider gehen. Aber sagen Sie mir jetzt, was Sie herausgefunden haben.»

Blachford schuttelte den Kopf.»Sie sind immer noch derselbe ungeduldige Mann wie damals auf der Hyperion. Erinnern Sie sich? Damals hat es noch Hoffnung gegeben.»

Bolitho hielt Blachfords Blick stand. Dieser durre Mann mit dem grauen Stoppelhaar war auf der Hyperion bis zum Ende dabeigewesen und hatte viele Leben gerettet. Damals wie heute erinnerte er Bolitho an einen Reiher, der am Flu?ufer geduldig wartete, bis er zupacken konnte.

Catherine war sofort zu Blachford gefahren, noch wahrend Bolitho in der Admiralitat Bericht erstattete. Trotz seiner vielen Verpflichtungen und Operationen hatte sich Sir Piers Zeit genommen fur den Admiral. Bei der Untersuchung half ihm ein kleiner energischer Arzt, der mit kehligem Akzent sprach. Bolitho glaubte in ihm, der sich Rudolf Braks nannte, einen Deutschen oder geflohenen Hollander zu erkennen. Beide Arzte hatten Nelsons Augenverletzung sehr genau gekannt und einiges daruber veroffentlicht.

Blachford lehnte sich zuruck.»Ich mochte mich zuerst mit meinem beruhmten Kollegen beraten«, sagte er.»Ihr Auge ist eher sein Gebiet als meins. Wir mussen Sie sicher noch einmal untersuchen, Sir Richard. Sie sind doch hoffentlich noch eine Zeitlang in London?»

Bolitho dachte an Falmouth. Der Winter kam naher, er mu?te dorthin zuruck. Er hatte zwar damit gerechnet, auf der Truculent zu fallen, aber jetzt rief ihn Cornwall.

«Ich wollte eigentlich nach Hause, Sir Piers.»

Ein kurzes Lacheln.»Also haben wir nur noch ein paar Tage. Wie ich hore, bekommen Sie ein neues Flaggschiff?«Er verriet nicht, woher er das wu?te. Bolitho erinnerte sich an Admiral Godschales scheinheiliges Mitgefuhl. Dabei hatte er wahrscheinlich schon einen Ersatz parat gehabt, falls Bolitho nicht zuruckgekehrt ware. Hatte Godschale mit Blachford gesprochen?

«Ein paar Tage bin ich noch hier, Sir Piers. Vielen Dank fur Ihre Bemuhungen. Und vor allem fur Ihre Freundlichkeit Lady Catherine gegenuber.»

Blachford erhob sich.»Selbst wenn ich aus Stein ware, was ja manche behaupten, hatte ich ihrem Wunsch nachgeben mussen.

Eine Frau wie sie trifft man nur selten. «Er streckte ihm seine knochige Rechte entgegen.»Ich melde mich wieder.»

Bolitho verlie? den Raum und stieg die gro?e Freitreppe hinunter. Unten offnete ihm ein Diener die Tur zum Wartezimmer. Catherines dunkle Augen waren voller Fragen. Er ku?te sie und druckte sie an sich.»Es ist kein schlimmes Urteil«, beruhigte er sie.

Sie suchte in seinem Gesicht nach einem verborgenen Sinn und fand keinen.

Bolitho sah nach drau?en in den Regen.»Wollen wir den Kutscher nicht nach Hause schicken und zu Fu? gehen? So weit ist es gar nicht.»

Als sie dann unter seinem weiten Mantel uber das nasse Pflaster schlenderten und sich weder von Kutschen noch einem Trupp Kavallerie storen lie?en, erzahlte sie, da? sie die Naval Gazette gelesen hatte.»Kein Wort uber Charles Inskip oder dich!»

Er hatte ihr von dem Gefecht berichtet und von Anemones rechtzeitigem Auftauchen, das sie alle gerettet hatte, und von Varians schandlichem Verschwinden.»Der Mann wird mir dafur hangen!«hatte er gedroht.

Jetzt erzahlte er ihr mehr.»Weder Sir Charles noch ich waren offiziell an Bord. Das wird man vielleicht nicht glauben, aber es verbreitet doch Unsicherheit. Und vor allem — die Franzosen konnen unseren Besuch nicht gegen die Danen verwenden.»

«In dem Bericht hei?t es, Poland habe die beiden Fregatten bekampft, bis dein Neffe erschien. Aber in Wirklichkeit hast doch du das Gefecht gefuhrt!»

Bolitho zuckte die Schultern.»Poland war tapfer. Aber er ahnte wohl, da? er fallen wurde. Er hat Varian verflucht, ehe er starb.»

Bolitho schwieg und dachte an Sir Charles Inskip, seinen Sekretar und seinen Diener. Die drei hatten einsilbig und schnell die Truculent verlassen.

Sie kamen vor Lord Brownes Haus an, als der Regen heftiger wurde.»Nanu, zwei Kutschen? Ich dachte, wir haben diesen Abend fur uns.»

Die Tur offnete sich, als sie auf der ersten Stufe standen. Mrs. Robbins, die Lord Browne den Haushalt fuhrte und wahrend seiner Abwesenheit auf seinem Herrensitz in Sussex wohnte, begru?te sie. Sie hatte sich damals ruhrend um Catherine gekummert, aber als echte Londonerin eine feste Meinung, was sich schickte und was nicht.

Catherine nahm den Hut ab.»Schon, Sie wiederzusehen, Mrs. Robbins!»

Doch die Haushalterin blickte an ihr vorbei.»Ich wu?te nicht, wo Sie sind, Sir! Mr. Allday ist nicht da, Ihr Leutnant ist in Southampton — so geht's doch nicht!»

Bolitho hatte sie noch nie so erregt gesehen. Er nahm ihren Arm.»Was ist denn passiert, Mrs. Robbins?»

Sie vergrub das Gesicht in der Schurze.»Seine Lordschaft — er braucht Sie. «Sie sah die gro?e Treppe hinauf.»Der Arzt ist jetzt bei ihm. Bitte, beeilen Sie sich!»