Galeeren in der Ostsee: Konteradmiral Bolitho vor Kopenhagen - Kent Alexander. Страница 53
Er nahm ein Glas von Ozzard entgegen und trank mit tiefen Zugen. Es war eiskalter Rheinwein, den Ozzard an einem geheimen Platz in der Bilge versteckt hielt.
Bolitho sank in seinem Stuhl zuruck und sagte:»Noch eins. Und holen Sie Glaser fur Kapitan Herrick und den Flaggleutnant. «Er sah sie nacheinander an.»Ich bin Ihnen beiden aus mehr Grunden, als ich aufzahlen kann, zu Dank verpflichtet.»
Browne platzte heraus:»Haben Sie die Absicht, Roche entgegenzutreten?»
Herrick verschluckte sich fast an seinem Wein.»Was?»
Bolitho fragte:»Fur wann ist das Duell vereinbart?»
«Fur heute fruh um acht, Sir. Auf der Seite von Gosport. Aber es ist nicht mehr notig, ich kann den Hafenadmiral informieren und dafur sorgen, da? Roche ermahnt wird.»
«Glauben Sie, da? derjenige, der durch Adam mich verletzen wollte, es nicht noch einmal versuchen wird? Das Ganze ist kein Zufall. «Er sah den nachdenklichen Ausdruck in Herricks Gesicht.»Ihnen fallt etwas ein?»
Herrick fuhr sich mit der Zunge uber die Lippen.»Ihr Neffe machte eine eigenartige Bemerkung, Sir. Leutnant Roche habe geau?ert, er hatte ihn erwartet. >Ich wollte Sie schon immer mal treffen<, oder so ahnlich.»
«Das bestatigt meine Vermutung.»
Bolitho sah plotzlich ihr Gesicht vor sich. Aber wessen, Cheneys oder das der jungen Frau, die er in dem dusteren Haus in London zuruckgelassen hatte?
Browne sagte:»Und nun ist er nicht mehr zu halten.»
Bolitho lachelte.»Jetzt konnen Sie den Arzt holen. Ich brauche einen neuen Verband, eine andere Hose und Schuhe.»
Browne erwiderte:»Und ein frisches Hemd. «Er zogerte.»Fur alle Falle, Sir.»
Als er die Kajute verlassen hatte, sagte Herrick:»Ich werde Sie begleiten.»
«Major Clinton kennt sich in derlei Dingen besser aus. Sie stehen mir zu nahe, Thomas. «Er dachte an Allday.»Es ist besser so.»
Browne kam vollig au?er Atem zuruck.»Der Arzt ist auf dem Wege, Sir.»
«Gut. Sorgen Sie fur ein Boot und — falls erforderlich — fur einen Wagen. «Er schlo? die Augen, als der Schmerz ihn wieder packte. Ware Herricks Botschaft nicht gewesen, sa?e er jetzt noch in London. Und wenn es unterwegs irgendwelchen Aufenthalt gegeben hatte, ware der Termin fur das Duell verstrichen. Falls wirklich Damerum dahinterstand, hatte er sich dann an Roches Sieg weiden konnen. Er sagte sehr beherrscht:»In meiner Kassette liegt ein Brief, Thomas. «Er sah, wie Herricks Augen sich weiteten.»Ich bin ein Feigling. Ich hatte Adam uber den Tod seines Vaters aufklaren sollen. Es steht alles in dem Brief. Geben Sie ihn Adam, wenn ich heute falle.»
Herrick schrie beinahe:»Sie durften es ihm nicht sagen, Sir! Sonst hatten Sie zugeben mussen, da? Sie einen Verrater verbargen. Ihr Bruder ware verhaftet worden, und Pascoe hatte ihn eines Tages hangen gesehen.»
«Das habe ich mir auch gesagt, Thomas. Vielleicht war aber auch das eine Luge. Ich hatte wahrscheinlich Angst, da? Pascoe mich wegen des Betruges hassen wurde. Denn das war es wohl in Wirklichkeit.»
Der Arzt trat ein und starrte Bolitho an wie ein erzurnter Faun.»Bei allem Respekt, Sir, aber wollen Sie unbedingt sterben?«Herrick sagte finster:»Halten Sie den Mund, und tun Sie das Notwendige. «Auf dem Wege zum Turvorhang setzte er noch hinzu:»Sie konnten ebensogut versuchen, einen angreifenden Bullen aufzuhalten.»
Aber in seiner Stimme war kein Humor, und noch lange, nachdem er den Raum verlassen hatte, hingen seine Worte in der Luft.
Major Clinton sagte:»Es ist wohl das beste, wenn wir hier halten, Sir. «Er schaute durch das schmale Wagenfenster.»Wie rucksichtslos, diese Dinge an solch einem Ort auszutragen!»
Bolitho kletterte aus dem Wagen und spahte zum Himmel. Es war fast acht Uhr, aber das Licht immer noch ma?ig.
«Ich schaue mich nach dem Sekundanten des Burschen um, Sir. Es wird nicht lange dauern. «Aber Clinton zogerte.»Wenn Sie wirklich entschlossen sind, Sir?»
«Das bin ich. Und denken Sie daran: Beschranken Sie Ihre Bemerkungen zu Roches Sekundanten auf ein Minimum.»
Clinton nickte.»Ich werde es nicht vergessen, Sir. Genau wie Sie befohlen haben, obwohl…«Er beendete den Satz nicht.
Bolitho legte seinen Hut auf den Wagensitz und zog den Umhang fester um sich. Einzelheiten fielen ihm auf: Spatzen, die nach Futter suchten; der dick eingemummelte Kutscher, der bei seinen Pferde stand und ihre Kopfe hielt, um sie zu beruhigen, wenn die ersten Pistolenschusse fielen; und da? seine Hande feucht waren.
So ahnlich mu?te einem zum Tode Verurteilten zumute sein, dachte er fluchtig. Als ob er die Zeit anhalten konne, wenn er sich auf die kleinen, alltaglichen Dinge konzentrierte.
Clinton kam mit grimmiger Miene zuruck.»Sie erwarten uns, Sir.»
Bolitho schritt neben ihm durch das nasse Gras zu einer kleinen Lichtung, hinter der — wie Clinton erklarte — ein Sumpf lag.
Clinton sagte:»Die Pistolen sind gepruft und akzeptiert.»
«Was hat er gesagt, das Sie so verargert hat, Major?»
«Verdammte Frechheit! Als ich ihm sagte, da? Mr. Pascoe in See gehen mu?te und ein anderer Marineoffizier der Familie an seine Stelle treten wurde, lachte er und sagte: >Das wird weder sein Leben noch seine Ehre retten<.
Bolitho sah zwei Wagen, die diskret unter einigen Baumen standen. Der eine war der seines Gegners, der andere zweifellos der eines vertrauenswurdigen Arztes. Er beobachtete, wie Roche und sein Sekundant zielbewu?t auf sie zuschritten. Roche war ein imponierend aussehender Mann, der selbstgefallig und zuversichtlich einherstolzierte.
Sie standen einander gegenuber, und Roches Sekundant sagte scharf:»Sie machen jeder funfzehn Schritte, drehen sich um und feuern. Wenn keiner fallt, tritt jeder funf Schritte vor und feuert wieder.»
Roche entblo?te grinsend die Zahne.»Lassen Sie uns endlich anfangen. Ich brauche einen Drink.»
Bolitho musterte die beiden offenen Kasten der Duellpistolen und hatte lediglich den einen Gedanken, da? es fur einen geubten Schutzen leichter war, seinen Gegner zu toten, wenn er beide Pistolen auf einmal benutzte.
Er sagte:»Nehmen Sie meinen Umhang, Major«, und bemuhte sich, nicht in Roches Gesicht zu schauen, als er den Umhang von den Schultern warf. Im grauen Morgenlicht, vor den kahlen, triefenden Baumen, hob sich seine Uniform malerisch ab: die blitzenden Epauletten, der Goldstreifen auf seinem Armel, die Knopfe, von denen einer — auf seinem anderen Rock — ihn fast das Bein gekostet hatte.
Schlie?lich wandte sich Bolitho um und sah Roche ins Gesicht. Das hatte sich vollig verandert. Statt der hohnischen Vorfreude auf einen weiteren Erfolg stand jetzt darin Verbluffung.
«Nun, Mr. Roche?»
«Aber — aber ich kann doch nicht…»
«Mit einem Konteradmiral kampfen? Entscheidet der Dienstgrad, wer leben oder sterben soll, Mr. Roche?»
Bolitho nickte Clinton zu, dankbar dafur, da? er — wenigstens nach au?en — seine Gefuhle beherrschte.
«Lassen Sie uns endlich weitermachen.»
Er horte Roche stammeln:»Sag' ihm, John, da? ich zuruckziehe.»
Bolitho nahm zwei langlaufige Pistolen aus dem Kasten und spannte sie. Sein Herz schlug so stark, da? er meinte, Roche und die anderen mu?ten es horen. Er sagte:»Ich aber nicht. «Damit drehte er sich um und wartete, die Mundungen zum Himmel gerichtet. Wenn Roche sich entschied, die Sache durchzusetzen, war er in etwa drei Minuten tot.
Der Sekundant rausperte sich. Sonst war jetzt kein Ton zu horen, selbst die Spatzen verhielten sich still.
«Funfzehn Schritte! Los!»
Bolitho nahm sich eine Ulme als Richtpunkt und ging Schritt vor Schritt langsam auf sie zu.
Adam hatte in diesem Augenblick das Gleiche getan. Und hatte Ro-che ihn durch Zufall beim ersten Schu?wechsel verfehlt, hatte ihn die zweite Kugel bestimmt getotet. Diese paar Schritte vorwarts, nachdem ein berufsma?iger Duellant ihn verfehlt hatte, hatten sein restliches Selbstvertrauen vernichtet.»Dreizehn. vierzehn. funfzehn!»