Eine letzte Breitseite: Kommodore Bolitho im ostlichen Mittelmeer - Kent Alexander. Страница 55
«Schiff rundet die Landspitze«, rief der Offizier der Wache unvermittelt. Und als er Herrick sah, befahl er scharf:»Schreiben Sie den Ausguck auf, weil er es nicht fruher gemeldet hat!»
Herrick griff sich ein Glas und rannte an die Netze. Ein Weilchen noch ritten die Segel des Unbekannten leblos uber dem driftenden Dunststreifen; dann kamen Bugspriet und Galion heraus — Herrick erkannte die Schaluppe Harebell.
Er schlug sich mit der Faust in die Handflache. Die Augen wasserten ihm vor Anstrengung. Endlich! Francis Inch, ihr Kommandant, wurde fur Bolitho alles tun. Und seine kleine Schaluppe eignete sich noch besser zum Suchen als die Fregatte.
«Ah, Sir, ich sehe, Sie haben sie gesichtet. «Outhwaite, den Hut flott uber einem Auge, trat zu ihm an die Reling.
Komischer Vogel, dachte Herrick. Sein mattbraunes, im Nacken zusammengebundenes Haar reichte ihm bis zum Gurt. Die meisten Seeoffiziere trugen das Haar kurzer, nach der neuen Mode in der Armee; Outhwaite jedoch wollte anscheinend beim Alten bleiben.
«Die Harebell.».
Herrick bemerkte, wie es an Bord der Lysander auf einmal lebendig wurde. Signale stiegen auf und wehten trage an der Rah. Farquhar wurde wissen wollen, was andernorts geschah, und zwar so schnell, wie es Inchs Gigbesatzung nur schaffen konnte.
«Die Harebell hat Anker geworfen, Sir. «Outhwaite schien allerdings nur milde interessiert zu sein.»Sie ist so schnell wieder da, da? sie nicht in England gewesen sein kann. Da werden wir also nicht erfahren, wie es zu Hause steht.»
Doch Herrick war es ganz egal, wie es in England stand.»Ich gehe nach unten, Mr. Outhwaite. Melden Sie mir sofort, wenn die Lysander nach den Kommandanten signalisiert.»
«Aye, Sir. «Lachelnd tippte Outhwaite an den Hut. Er schatzte Captain Herrick durchaus. Ungefahr so, wie sein Vater einen guten Wildhuter oder Reitknecht schatzte. Verla?lich, aber ein bi?chen wunderlich. Wie er sich zum Beispiel so offensichtlich um das Verschwinden des Kommodore Sorgen machte! Die beiden mu?ten ja ganz unvorstellbare Gefahren und Abenteuer miteinander bestanden haben, da? eine so starke Bindung zwischen ihnen bestand. Eine Bindung, die sogar Bolithos Entscheidung uber den Kommandowechsel nicht hatte zerstoren konnen.
Outhwaite sah zu, wie das Boot, in dem Inchs goldbetre?ter Hut blinkte, von der Harebell ablegte und zum Flaggschiff pullte. Herrick ist da ganz anders als Farquhar, dachte er. Der betrachtet den Ausfall eines Vorgesetzten als Chance fur sein eigenes Fortkommen. Und das ist auch ganz richtig so, fand Outhwaite.
Doch der Nachmittag verstrich, Herrick sa? in Farquhars schon eingerichteter Kajute oder rannte ruhelos herum, und kein Signal kam, nichts verlautete davon, was die Harebell mitgebracht hatte.
Mehr als einmal hatte er die Schaluppe von seiner Galerie aus im Teleskop gehabt, hatte die gro?en Streifen nackten Holzes am Rumpf gesehen, wo die See die Farbe weggefressen hatte, und die Flicken in den lose aufgegeiten Segeln, denen man ansah, da? Inch es sehr eilig mit seinen Depeschen gehabt hatte.
Ein Stampfen oben am Skylight. Er sah hoch. Zur Holle mit diesem Farquhar! Der dachte gar nicht daran, die Geschwaderkommandanten zu informieren!
Scharfes Klopfen an der Tur — ein Midshipman sah aufgeregt herein.»Entschuldigung, Sir, Mr. Outhwaite la?t bestellen — »
Herrick sprang auf.»Ach nein? Geruht das Flaggschiff endlich, nach mir zu signalisieren?«Er versuchte gar nicht erst, seinen Sar-kasmus zu verbergen.
Der Midshipman starrte ihn mi?trauisch an.»No, Sir. Captain Farquhar kommt zu uns an Bord.»
Herrick griff nach seinem Hut.»Ich komme an Deck.»
Er versuchte sich vorzustellen, was los war. Auf jeden Fall sah sich Farquhar endlich veranla?t, schnell zu handeln.
Spater, als die Pfeifen trillerten und die Musketen krachend prasentiert wurden, suchte Herrick in Farquhars gutgeschnittenen Zugen nach einem Hinweis. Aber da war nichts, allenfalls ein leichtes Lacheln um die Mundwinkel.
«Kajute!«sagte er kurz und schritt Herrick voran, ohne den angetretenen Marine-Infanteristen auch nur einen Blick zu schenken.
In der Kajute drehte er sich um und sah Herrick fest ins Gesicht.»Die Harebell hat Depeschen von Gibraltar gebracht. «Suchend sah er sich in der Kajute um.»Ein Glas Wein ware wunschenswert.»
«Dann haben Sie also keine Nachricht vom Kommodore?«fragte Herrick.
Farquhar starrte ihn an.»Habe ich davon etwas gesagt? Wirklich, Thomas, Sie sind ein furchtbarer Dickschadel!»
«Ich dachte, die Harebell hatte vielleicht etwas gesichtet.»
«Kommander Inch hat wichtigere Nachrichten gebracht. «Herricks Unterbrechung schien ihn zu irritieren.»Admiral St. Vincent ist vollkommen im Bilde. Anscheinend haben ihn die schweren Geschutze, die wir erobert haben, uberzeugt. Er hat Vize-Admiral Sir Horatio Nelson eine Flotte unterstellt, die gro? genug ist, um wieder im Mittelmeer prasent zu sein und die Franzosen hinauszuwerfen, ein fur allemal.».
Herrick blickte zur Seite. Das war naturlich eine gute Nachricht oder sollte es wenigstens sein. Bolitho hatte die Voraussetzungen fur diesen Plan geschaffen. Aber jetzt, da seine Ideen sehr schnell Wirklichkeit wurden, war er nicht da und hatte nichts von seiner Muhe.
«Ich habe meine Depeschen fur den Admiral geschrieben«, sagte Farquhar kalt.»Die Harebell geht wieder in See, sobald sie Trinkwasser ubernommen hat.»
Erstaunt blickte Herrick ihn an.»Aber Sie werden doch die Schaluppe vorher nach Malta schicken?»
«Da sind Sie im Irrtum.»
«Aber.»
Farquhar fuhr ihm uber den Mund.»Als Sie Flaggkapitan waren, hatten Sie Gelegenheit, Ihre humanen Ideale in die Tat umzusetzen. Jetzt ist es zu spat. Also machen Sie mir keinen Vorwurf, Captain. Wenn jemand den Kommodore im Stich gelassen hat, dann waren Sie das!»
Herrick starrte zu Boden, auf die Schottwand, und sah nichts. Was Farquhar gesagt hatte, war richtig. Alles.
Gelassen fuhr Farquhar fort:»Das Geschwader bleibt hier, bis wir neue Order bekommen. Ich habe Mr. Manning davon uberzeugen konnen, da? weitere >Reparaturen< unumganglich sind. «Herrick horte die Worte, aber es dauerte Sekunden, bis er verstand, was sie bedeuteten.
«Aber Sie durfen doch nicht alles, was der Kommodore herausgefunden hat, einfach ignorieren. Die Prise, die Informationen. Das alles deutet doch auf Korfu!«Herrick horte selbst, wie flehend seine Stimme klang, aber es war ihm gleich.»Sie konnen doch nicht einfach hierbleiben und gar nichts tun!»
Farquhar zuckte die Achseln.»Geruchte. Ich kann es mir nicht leisten, das Geschwader in alle Himmelsrichtungen zu verstreuen. Sobald die ersten Verstarkungen eintreffen, beabsichtige ich — »
Angewidert starrte Herrick ihn an.»Sie zu begru?en, nicht wahr? Personlich bei Nelson vorzusprechen — das wollen Sie doch, ja?»
Farquhar runzelte die Stirn.»Treiben Sie es nicht zu weit! Ich bin hergekommen, weil ich Ihnen die Lysander zuruckgeben will.»
Herrick sah sich in der schonen Kajute um. Ja, die pa?te besser zu einem Flaggschiff als die der Lysander.
Farquhar sprach weiter:»Die Harebell hat noch andere, weniger weltbewegende Nachrichten mitgebracht. Zwei Tage, nachdem ich England verlie?, ist mein Vater, Sir Edward, gestorben.»
Herrick konnte ihn nur anstarren. Langsam wurde sein Kopf klarer, der Schmerz starker. Jetzt hatte Farquhar alles, was er brauchte. Von Trauer, von dem Bewu?tsein eines Verlustes, war ihm nicht das Geringste anzumerken. Endlich hatte er seinen Adelstitel, die Landguter, die damit verbunden waren. Und wenn Nelson ins Mittelmeer kam, wurde er einen neuen Kommodore fur das Geschwader ernennen: Sir Charles Farquhar.
Heiser vor Erregung sagte Herrick:»Haben Sie Captain Probyn schon informiert?»