Feind in Sicht: Kommandant Bolithos Zweikampf im Atlantik - Kent Alexander. Страница 14
Nur wenige blieben lustlos und schweigsam, und Bolitho fuhrte das eher auf die eisige Morgenluft und die reichlich mit Rum gewurzte Verpflegung des vergangenen Tages als auf eine latente Mi?stimmung zuruck.
Es schauderte ihn, und er ging schnell zum Kompa?. Im schwachen Licht der Lampe sah er die Nadel zwar beben, aber stetig Nordnordost anzeigen. Mit etwas Gluck konnten sie die Ithuriel gegen Mittag treffen. Wenn es nichts zu berichten gab, mochte die Zeit reichen, diese seltene Freiheit zu nutzen, um weiter nach Norden uber die Gironde-Mundung hinaus zu segeln. Denn trotz des Selbstvertrauens des Kommodore und seiner offensichtlichen Uberzeugung, da? eine mogliche Prise oder ein Blockadebrecher nur von Suden zu erwarten waren, wo er seine beiden anderen Fregatten eingesetzt hatte, wu?te Bolitho aus Erfahrung, da? die Franzosen nur selten Entgegenkommen zeigten, wenn es darum ging, zu ihrer eigenen Niederlage beizutragen.
Inch kam heran und griff an seinen Hut.»Soll ich die Bramsegel setzen lassen, Sir?«Auch er wirkte munterer und lebhafter als sonst.
Bolitho schuttelte den Kopf.»Sie konnen die Leute zum Fruhstuck entlassen, Mr. Inch. Sie haben hart gearbeitet und in der frischen Luft sicher einen gesunden Appetit entwickelt. «Er uberlegte fluchtig, ob gepokeltes Schweinefleisch und eisenharte Schiffszwiebacke bei der Halfte der Leute nicht Ubelkeit verursachen wurde, fugte aber hinzu:»Wir wollen mehr Leinwand setzen, sobald es hell wird. «Er nickte Inch zu und ging dann in seine Kajute.
Unten warf er den abgetragenen Uniformrock auf einen Stuhl und setzte sich an den Schreibtisch. Petch hatte ihm einen Teller und dampfend hei?en Kaffee hingestellt und war dabei, in der Pantry das Fruhstuck fur seinen Herrn zuzubereiten. Selbst Petch schien sich mit der Gewohnheit seines Herrn abgefunden zu haben, die Mahlzeiten am Schreibtisch statt am E?tisch einzunehmen.
Aber Bolitho sa? gern in der Kajute mit nichts als den gro?en Heckfenstern zwischen sich und der offenen See. Manchmal konnte er das Schiff mit seiner rastlosen Besatzung aus den Gedanken verbannen und einfach hinaus in die Ferne blicken. Es war reiner Trug, bot ihm aber einen gewissen Trost, wenn er ihn am meisten brauchte.
Heute war es noch zu dunkel, um mehr als das wei?e, schaumende Kielwasser zu sehen. Aber im Augenblick war er zufrieden. Etwas zu unternehmen, was es auch war, war besser, als nichts zu tun. Er lauschte auf die Gerausche um sich herum: das vibrierende Knarren der Ruderanlage, das Gurgeln und Klatschen des Wassers, das Seufzen und Brausen des Windes in der Takelage, wahrend das Schiff Fahrt vermehrte und dem unsichtbaren Land entgegensegelte.
Petch stellte das Fruhstuck auf den Schreibtisch und trat zuruck, um Bolithos Reaktion zu beobachten. Eine Scheibe fettes Schweinefleisch, in Zwiebackmehl braun gerostet, zwei Scheiben Schiffszwieback, mit schwarzem Sirup dick bestrichen, und Kaffee. Reichlich spartanisch fur einen Kommandanten, aber willkommener und ermutigender als Pelham-Martins uppige Tafel.
Das war alles viel zu gut, um lange anzuhalten. Spater ging Bo-litho auf das Achterdeck und beobachtete die Leute, die mit Scheuersteinen und Schrubbern flei?ig arbeiteten, und die Marinesoldaten bei ihrem Drill. Bolitho hatte das Gefuhl, da? alles anders geworden ware.
Gossett rief plotzlich aus:»Der Wind schralt, Sir.»
Bolitho spahte zum Wimpel am Masttopp hinauf. Unberechenbar wie immer, wandte das Wetter in der Biskaya sich gegen ihn, und schon begannen die Marssegel nervos zu killen.
«Wir wollen um zwei Strich abfallen«, sagte er.»Steuern Sie Nordost zu Ost.»
Stepkyne hatte Dienst als Offizier der Wache und sah aus, als hatte er am Tag vorher stark getrunken.»Midshipman der Wache!
Lassen Sie die Leute an die Brassen pfeifen, und Beeilung dabei!«Noch wahrend das Schiff schwerfallig auf seinen neuen Kurs einschwenkte, erkannte Bolitho, da? es nicht ausreichte. Der Wind sprang noch weiter um und verlor an Kraft. Der Wimpel am Masttopp zuckte und knallte wie die Peitsche eines Fuhrmann, statt steifzustehen.
Gossett trat an Bolithos Seite und murmelte:»Wir mussen uber Stag gehen, Sir. «Er wischte sich mit seiner rauhen Hand uber das Kinn.»Ich nehme an, da? wir den Wind direkt vom Land her haben, ehe die Wache wechselt.»
Bolitho blickte ihn ernst an. Gossett irrte sich selten bei seinen Voraussagen.»Also gut. Legen Sie sie auf Backbordbug. Wir mussen noch weit nach Norden, wenn wir die Ithuriel heute finden wollen.»
Er lachelte Gossett zu, aber innerlich war er wutend und enttauscht. Doch da der Wind noch weiter umsprang, wu?te er, da? er nichts anderes tun konnte. Gegen zwei Glasen der Vormittagswache wehte der Wind stetig aus Nordost und wich damit etwa um neunzig Grad von seiner ursprunglichen Richtung ab. Statt also muhelos einen Punkt zu erreichen, von dem aus sie die Fregatte sichten und Signalkontakt mit ihr aufnehmen konnten, mu?ten sie bis weit in den Norden der Flu?mundung aufkreuzen und den abflauenden Wind so gut wie moglich nutzen.
Inch kam uber das Deck und sagte:»Es wird Stunden dauern, ehe wir wieder wenden konnen, Sir. «Auch er schien enttauscht.
Bolitho beobachtete, wie die Rahen knarrend herumschwenkten, und spurte, da? das Schiff fast zum Stehen kam, als es mit schlagenden Segeln durch den Wind ging, ehe sie sich wieder fullten und die Hyperion dadurch stark krangte, bis sie sich aufrichtete und den endlosen Reihen kleiner, hupfender Schaumkronen folgte.
«Wir werden es spater wieder aufholen. «Er beherrschte seinen Unmut und fugte knapp hinzu:»Das bietet uns ausgezeichnete Gelegenheit, mit der unteren Batterie zu exerzieren, Mr. Inch.»
Er ging nach achtern und blickte auf den Kompa?. Nordnordwest. Nun, wenigstens konnten die Bedienung auf dem unteren Batteriedeck exerzieren, ohne durch die geoffneten Stuckpforten uberschwemmt zu werden. Auch eine gewisse Ventilierung war willkommen, um die Feuchtigkeit und die abgestandene Luft aus dem tiefen Rumpf zu vertreiben.
Es dauerte sechs Stunden, die erzwungene Kursanderung wettzumachen; nun lief die Hyperion wieder nach Suden und hatte jeden Fetzen Leinwand gesetzt, um den ma?igen Landwind zu nutzen. Das Tageslicht begann bereits nachzulassen.
Bolitho ging in Luv auf und ab, als ihn der Ruf des Ausgucks aus seinen brutenden Gedanken schreckte.»An Deck! Segel Backbord voraus!»
Bolitho sah zum Masttopp auf. Es hatte keinen Sinn, den Kurs zu andern, das wurde sie uber eine kostbare Stunde kosten, und bis dahin war es dunkel. Sie wurden die Fregatte in einem Abstand von zwei Meilen passieren, und das sollte genugen, um ihre Signale zu erkennen. Er hob sein Glas und blickte uber das Netz. Er konnte das ferne Schiff nicht ausmachen, denn seine Formen verschwammen vor dem stumpfen grauen Streifen, der die franzosische Kuste war. Er blickte wieder nach oben und bi? auf die Lippe. Auf seinem schwindelerregenden Posten behaglich schwankend, konnte der Ausguck die Fregatte sicher deutlich sehen und — wichtiger noch — ihren Abstand bis zu dem hinter ihr liegenden Land erkennen.
Er gab sich einen Ruck.»Ich entere auf, Mr. Inch. «Er ignorierte den schnellen Blickwechsel zwischen den Umstehenden und konzentrierte alle Willenskraft darauf, in die Luvwanten zu klettern und langsam Sprosse um Sprosse der vibrierenden Webeleinen hinaufzusteigen. Schon als Midshipman hatte er Hohen geha?t, und jedesmal, wenn er aufentern mu?te, hatte er erwartet, da? er seine dumme Angst uberwunden hatte. Doch dem war nicht so; mit knirschenden Zahnen, die Augen fest auf den schwankenden Mast gerichtet, kletterte er hoher und hoher. Bis in die Marsstenge hinauf und darum herum, wo zwei uberraschte Marinesoldaten die Drehbasse reinigten; die auf steigende Ubelkeit unterdruckend, spurte er, wie sein Gewicht an seinen Handen zog, wahrend sein Korper an den Puttingswanten nach au?en hing. Doch da jetzt mehr Augen auf ihn als auf die naherkommende Fregatte gerichtet waren, konnte er nicht den leichteren Weg durch das Loch fur Anfanger nehmen.