Harry Potter und der Gefangene von Askaban - Rowling Joanne Kathleen. Страница 49

»Schon«, sagte Hermine hochnasig und stolzierte majestatisch davon.

»Sie wei? es auch nicht«, sagte Ron und starrte ihr wutend nach.»Sie will uns nur dazu bringen, wieder mit ihr zu reden.«

Am Donnerstagabend um acht Uhr verlie? Harry den Gryffindor-Turm und machte sich auf den Weg zum Klassenzimmer fur Geschichte, Es war dunkel und leer, als er ankam, doch er zundete die Lampen mit seinem Zauberstab an und mu?te nur funf Minuten warten, bis Professor Lupin erschien. Er trug eine gro?e Kiste, die er auf Professor Binns' Schreibtisch hievte.

»Was ist das?«, fragte Harry.

»Noch ein Irrwicht«, sagte Lupin und zog seinen Umhang aus.»Seit Dienstag schon durchkamme ich das Schlo? und glucklicherweise lauerte der noch in Mr Filchs Aktenschrank. Besser konnen wir einen echten Dementor nicht nachahmen. Der Irrwicht wird sich in einen Dementor verwandeln, wenn er dich sieht, und dann konnen wir mit ihm uben. Ich kann ihn in meinem Buro aufbewahren, wenn wir ihn nicht benutzen, unter meinem Schreibtisch ist ein Schrankchen, da wird er sich wohl fuhlen.«

»Gut«, sagte Harry und muhte sich so zu klingen, als ware er ganz locker und einfach froh, da? Lupin einen so guten Ersatz fur einen echten Dementor gefunden hatte.

»Also denn…«Professor Lupin hatte seinen Zauberstab gezuckt und bedeutete Harry, es ihm nachzutun.»Der Zauberspruch, den ich dir jetzt beibringen will, ist schon hohere Magie, Harry – er geht weit uber die gewohnliche Zauberei hinaus. Es ist der Patronus-Zauber.«

»Wie funktioniert er?«, sagte Harry nervos.

»Nun, wenn er gut gelingt, beschwort er einen Patronus herauf«, sagte Lupin,»und das ist eine Art Gegen-Dementor – ein Schutzherr, der als Schild zwischen dich und den Dementor tritt.«

Harry uberkam die jahe Vorstellung, er wurde sich hinter einer hagridgro?en Gestalt mit einem riesigen Schlagstock zusammenkauern. Professor Lupin fuhr fort:

»Der Patronus ist wie eine gute Kraft, ein Abbild eben jener Dinge, von denen sich der Dementor nahrt – Hoffnung, Gluck, der Wunsch zu uberleben -, doch er kann keine Verzweiflung erleben wie wirkliche Menschen, und so kann ihm der Dementor nichts anhaben. Aber ich mu? dich warnen, Harry, der Zauber konnte noch zu schwer fur dich sein. Viele gut ausgebildete Zauberer haben damit Probleme.«

»Wie sieht ein Patronus aus?«, fragte Harry neugierig.

»Jeder Zauberer erschafft seinen ganz eigenen.«

»Und wie beschwort man ihn herauf?«

»Mit einer Zauberformel, die nur wirkt, wenn du dich mit Aller Kraft auf eine einzige, sehr gluckliche Erinnerung konzentrierst.«

Harry stoberte in seinem Gedachtnis nach einem glucklichen Erlebnis. Naturlich kam nichts, was er bei den Dursleys erlebt hatte, dafur in Frage. Schlie?lich entschied er sich fur den Moment, als er zum ersten Mal auf einem Besen geflogen war.

»Gut«, sagte er und versuchte sich das wundervolle, stromende Gefuhl in seinem Bauch so klar wie moglich in Erinnerung zu rufen.

»Die Beschworungsformel lautet -«, Lupin rausperte sich,»expecto patronum.«

»Expecto patronum«, wisperte Harry,»expecto patronum.«

»Denkst du ganz fest an dein gluckliches Erlebnis?«

»Oh – ja -«, sagte Harry und lenkte seine Gedanken rasch zuruck zu jenem ersten Besenflug.»Expecto patrono – nein, patronum – Quatsch, expecto patronum, expecto patronum -«

Plotzlich zischte etwas aus der Spitze seines Zauberstabs; es sah aus wie ein Strahl silbrigen Gases.

»Haben Sie das gesehen?«, sagte Harry aufgeregt,»da ist was passiert!«

»Sehr gut«, sagte Lupin lachelnd.»Na dann – bist du bereit, es an einem Dementor auszuprobieren?«

»Ja«, sagte Harry und umklammerte fest seinen Zauberstab. Er trat in die Mitte des Klassenzimmers. Er versuchte weiter fest an den Besenflug zu denken, doch jetzt drang ihm etwas anderes ins Bewu?tsein… womoglich wurde er gleich wieder seine Mutter horen… doch er durfte nicht daran denken, denn dann wurde er sie tatsachlich wieder horen, und das wollte er nicht… oder doch?

Lupin packte den Deckel der Kiste und zog ihn hoch.

Langsam schwebte ein Dementor daraus hervor; sein vermummtes Gesicht war Harry zugewandt; mit einer glitzernden, schorfuberzogenen Hand druckte er sich den Mantel an den Leib. Die Lampen im Klassenzimmer flackerten und erloschen. Der Dementor trat aus der Kiste und schwebte tief und rasselnd atmend auf Harry zu. Eine Welle stechender Kalte brach uber ihn herein -

»Expecto patronum!«, schrie Harry.»Expecto patronum! Expecto -«

Doch das Klassenzimmer und der Dementor verschwammen vor seinen Augen… Wieder fiel Harry durch dichten wei?en Nebel, und die Stimme seiner Mutter, lauter denn je, hallte in seinem Kopf wider -

»Nicht Harry! Nicht Harry! Bitte – ich tu alles -«

Schallendes, schrilles Gelachter – er geno? ihr Grauen -

»Harry!«

Jah erwachte Harry wieder zum Leben. Er lag ausgestreckt auf dem Fu?boden. Die Lampen im Klassenzimmer brannten wieder. Er mu?te nicht erst fragen, was passiert war.

»Tut mir Leid«, murmelte er und setzte sich auf. Kalter Schwei? rann ihm hinter der Brille herab.

»Geht's dir gut?«, fragte Lupin.

»Ja…«Harry zog sich an einem Pult hoch und lehnte sich dagegen.

»Hier -«Lupin reichte ihm einen Schokoladenfrosch.»I? das, bevor wir es noch mal versuchen. Ich hab nicht erwartet, da? du es beim ersten Mal schaffst, im Gegenteil, das hatte mich sehr uberrascht.«

»Es wird schlimmer«, murmelte Harry und bi? dem Frosch den Kopf ab.»Diesmal hab ich sie noch lauter gehort – und ihn – Voldemort -«

Lupin sah noch blasser aus als sonst.

»Harry, wenn du nicht weitermachen willst, verstehe ich das nur allzu gut -«

»Ich will!«, sagte Harry wild entschlossen und stopfte sich den Rest des Schokofrosches in den Mund.»Ich mu? doch! Was ist, wenn die Dementoren bei unserem Spiel gegen Ravenclaw auftauchen? Ich darf keinesfalls wieder absturzen. Wenn wir dieses Spiel verlieren, konnen wir den Quidditch-Pokal vergessen!«

»Na schon…«, sagte Lupin.»Vielleicht nimmst du eine andere Erinnerung, ein gluckliches Erlebnis, wurde ich sagen, auf das du dich konzentrierst… Das letzte war offenbar nicht stark genug…«

Harry dachte angestrengt nach und fand schlie?lich eine neue Erinnerung: Als er letztes Jahr die Hausmeisterschaft gewonnen hatte, war er sicher uberaus glucklich gewesen. Wieder umklammerte er den Zauberstab und nahm seinen Platz in der Mitte des Klassenzimmers ein.

»Bereit?«, fragte Lupin und packte den Deckel der Kiste.

»Bereit«, sagte Harry und versuchte angestrengt, seinen Kopf mit glucklichen Gedanken an den Sieg von Gryffindor zu fullen und nicht mit dusteren an das, was geschehen wurde, wenn sich die Kiste offnete.

»Los!«, sagte Lupin und hob den Deckel. Wieder wurde es eiskalt und dunkel im Zimmer. Der Dementor glitt tief atmend auf ihn zu; eine verweste Hand langte nach Harry -

»Expecto patronum«, rief Harry,»expecto patronum! Expecto pat-«

Wei?er Nebel erstickte ihm die Sinne… gro?e, verschwommene Gestalten bewegten sich um ihn her… dann horte er eine neue Stimme, die Stimme eines Mannes, der schrie, von Angst uberwaltigt -

»Lily, nimm Harry und lauf! Er ist es! Schnell fort, ich halte ihn auf -«

Jemand stolperte hastig aus einem Zimmer – krachend zerbarst eine Tur – ein schrilles Auflachen -

»Harry! Harry… komm zu dir…«

Lupin gab Harry eine saftige Ohrfeige. Diesmal dauerte es eine Weile, bis Harry begriff, warum er auf einem staubigen Fu?boden lag.

»Ich hab meinen Dad gehort«, nuschelte er.»Das ist das erste Mal, da? ich ihn gehort hab – er wollte es ganz allein mit Voldemort aufnehmen, damit meine Mutter fliehen konnte…«Plotzlich spurte Harry Tranen auf seinem Gesicht, die sich mit dem Schwei? vermischten. Rasch senkte er den Kopf, als wolle er sich den Schuh binden, und wischte sich das Gesicht an seinem Umhang trocken.

»Du hast James gehort?«, sagte Lupin mit merkwurdig fremd klingender Stimme.